Zulassung vorerst nicht ohne klinische Daten |
Von der Anpassung des Impfstoff über Produktion und Zulassung bis zur Auslieferung dauert es bei den Covid-19-Impfstoffen derzeit noch mehrere Monate – genug Zeit für das Virus, weiter zu mutieren. / Foto: Adobe Stock/littlewolf1989
Im Wettlauf mit dem mutierenden Coronavirus SARS-CoV-2 haben in den vergangenen Tagen und Wochen viele Hersteller positive klinische Daten zu angepassten Impfstoffen vorgelegt. So veröffentlichten Pfizer/Biontech und Moderna jüngst Ergebnisse, denen zufolge ihre angepassten Booster eine effiziente Immunantwort auch gegen die neueren Omikron-Sublinien BA.4 und BA.5 anregen.
Wichtig zu wissen ist, dass die neuen Vakzine aber nicht speziell auf diese Varianten maßgeschneidert sind, sondern auf die in Deutschland nicht mehr kursierende Sublinie BA.1 – oder zum Teil auf anderen Varianten wie Beta im Fall vom bivalenten Booster-Kandidaten von Sanofi und GSK.
Teils haben die Hersteller Antikörper-Titer-Bestimmungen von Blutproben ihrer Probanden vorgelegt, was sich relativ schnell ermitteln lässt. Diesen Surrogat-Marker lassen die Zulassungsbehörden aber derzeit nicht gelten, sondern fordern die aufwendigeren klinische Studien, bei der eine Schutzwirkung vor einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung nachgewiesen wird (Zahl der Erkrankungen geimpft/geboostert versus nicht-geimpft/nicht-geboostert). Zum Teil ist jedoch bereits wieder eine neue Variante im Umlauf, bis der angepasste Impfstoff überhaupt in klinischen Studien getestet werden kann.
Nun wird debattiert, ob das Zulassungsverfahren nicht verkürzt werden sollte, damit die Präparate der doch recht schnellen Evolution von SARS-CoV-2 nicht zu weit hinterherhinken. So gibt es Hinweise, dass eine Infektion mit BA.1 nicht besonders gut vor einer weiteren Infektion mit BA.4 oder BA.5 schützt. Daraus könnte man schließen, dass die neueren Sublinien auch einem auf BA.1 angepassten Impfstoff eher durchs Netz gehen. Und niemand kann derzeit sagen, welche Varianten im Winter in Deutschland dominieren werden.
Die am Wochenende von Biontech/Pfizer veröffentlichten Ergebnisse beziehen sich vornehmlich auf den Schutz vor BA.1. Eine Biontech-Sprecherin sagte auf dpa-Anfrage, noch seien keine Daten veröffentlicht, wie die angepassten Impfstoffe gegen die aktuell vorkommenden Sublinien wie BA.4 und BA.5 im Vergleich zur bestehenden Vakzine abschneiden. Laut Mitteilung sei aber in vorläufigen Laborstudien gezeigt worden, dass beide angepassten Impfstoffe gegen Viren der Sublinien BA.4 und BA.5 wirken, wenn auch in geringerem Umfang als bei BA.1.
Bisher ist noch kein auf Varianten angepasster Impfstoff in der EU zugelassen. Eine solche Zulassung wird frühestens im September erwartet, auch weil die Hersteller in Studien an Menschen nachweisen müssen, dass der adaptiere Impfstoff einen klinischen Vorteil bringt.
Nun gibt es Diskussionen, ob diese Studien wirklich notwendig sind. Die Argumentation: Mit weniger Vorgaben ginge die Zulassung schneller, und die Gefahr wäre geringer, dass das Virus bei Impfstart bereits weiter mutiert ist, so dass es der Impfwirkung einfacher entkommen kann.
Biontech-Chef Professor Dr. Ugur Sahin sprach sich kürzlich in der «Financial Times» für ein wesentlich schnelleres Verfahren aus, das keine zusätzlichen klinischen Studien erfordert – ähnlich wie beim jährlich angepassten Grippe-Impfstoff. Das könne bis zu vier Monate Zeit sparen.
Der Präsident des in Deutschland für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, sieht das anders. «Wenn wir uns in Ruhe vorbereiten auf die Herbstwelle, gibt es überhaupt keinen Grund, auf die entsprechenden klinischen Daten beim Menschen zu verzichten», sagte er der «Welt am Sonntag». Zwar könne man die Zulassungspraxis in einer Notlage anpassen, die läge aber momentan nicht vor.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.