Zu wenig Darm für ein gutes Leben |
Möglichst fettarm, kleine Portionen, bevorzugt stopfende Lebensmittel: Patienten mit Kurzdarmsyndrom müssen viele Ernährungsvorschriften befolgen. / Foto: Getty Images/Jose Luis Pelaez Inc
Das Kurzdarmsyndrom ist eine seltene Erkrankung, die durch die operative Entfernung eines Teils des Dünndarms entsteht. Diese kann notwendig werden, wenn der betreffende Darmabschnitt aufgrund einer Embolie in der versorgenden Mesenterialarterie nicht mehr durchblutet wird und abstirbt. »Weitere mögliche Gründe sind venöse Thromben, die meist infolge einer Tumorerkrankung entstehen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Darmtraumata«, sagte Professor Dr. Jörg-Dieter Schulzke von der Berliner Charité bei einer von Takeda organisierten Presseveranstaltung in Berlin.
Nicht jede Darmresektion hat jedoch ein Kurzdarmsyndrom zur Folge. Ist noch genügend Darm vorhanden, damit der Patient sich symptomfrei und ohne Gewichtsverlust oral ernähren kann, liegt definitionsgemäß kein Kurzdarmsyndrom vor. »Aus Tierexperimenten weiß man, dass etwa 50 Prozent des Dünndarms ausreichen, um das Körpergewicht zu halten«, informierte Schulzke. Die Länge des Restdarms ist aber nicht das einzige Kriterium. Einzelne Darmabschnitte hätten Sonderfunktionen, die nicht von anderen Abschnitten übernommen werden könnten.
So finde die Resorption von Vitamin B12 ausschließlich im hinteren Teil des Dünndarms, im terminalen Ileum, statt. Ebendort werden auch die aus Nahrungsfett und Gallensäuren bestehenden Mizellen resorbiert. »Von den in der Leber gebildeten und ins Darmlumen abgegebenen Gallensäuren werden 95 Prozent im terminalen Ileum wieder aufgenommen«, informierte Schulzke. Wird dieser Kreislauf unterbrochen, weil die Resorption gestört ist, kommt es zu Fettverdauungsstörungen, fettigen Durchfällen und Gewichtsabnahme. Schon ein Verlust von 50 cm Ileum – der gesamte Dünndarm ist 3,5 bis 4 m lang – könne daher zu Symptomen führen.
Damit Patienten mit Kurzdarmsyndrom nicht an Gewicht verlieren und/oder in Mangelzustände geraten, kann eine parenterale Ernährung erforderlich sein. Diese wird üblicherweise nachts gegeben. Für die Patienten bedeutet das neben den bereits belastenden Symptomen der Grunderkrankung eine zusätzliche Einschränkung der Lebensqualität. Zudem müssen sie, wenn sie die Infusionen selbst anschließen, penibel auf eine gute Hygiene achten, denn Infektionen des zentralen Venenzugangs sind eine schwere, teilweise sogar tödliche Komplikation der Ernährungstherapie.
Nach der Entnahme eines Darmabschnitts kommt es im verbleibenden Darm zu Anpassungsvorgängen, mit denen die Resorption möglichst aufrechterhalten werden soll. So vergrößern sich etwa die Zotten im Ileum, die normalerweise niedriger sind als die im Jejunum, sodass sie Letzteren am Ende ähneln. Dadurch wird die Oberfläche und damit die Resorptionsfläche vergrößert. Ein Wachstumsfaktor, der das Zottenwachstum anregt, ist das Glucagon-like Peptid 2 (GLP-2). Es ist nicht zu verwechseln mit dem Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1), dessen Analoga bei Typ-2-Diabetes Anwendung finden. Wie GLP-1 ist GLP-2 aber auch ein im Intestinaltrakt gebildetes Peptidhormon, das zur Glucagon-Secretin-VIP-Familie gehört.
Seit 2014 ist zur Behandlung von Patienten mit Kurzdarmsyndrom das GLP-2-Analogon Teduglutid (Revestive®) von Takeda auf dem Markt. Die Aminosäuresequenz von Teduglutid entspricht fast exakt der des natürlichen GLP-2; nur an einer Stelle wurde ein Alanin durch Glycin ersetzt. Dadurch verlängert sich die Halbwertszeit von 7 auf 120 Minuten, sodass eine einmal tägliche subkutane Anwendung von Revestive genügt. »Durch die tägliche Injektion kann sich das Zottenwachstum verdoppeln«, sagte Schulzke. Die verbesserte Nahrungsresorption ermögliche es häufig, die Menge an parenteraler Ernährung zu reduzieren. »Wenn die Patienten nur noch an vier statt an sieben Tagen in der Woche parenteral ernährt werden müssen, empfinden sie das als großen Gewinn an Lebensqualität. Für uns Ärzte ist zudem wichtig, dass durch die selteneren Anwendungen auch das Komplikationsrisiko sinkt«, sagte der Gastroenterologe.