Wie wirken endokrine Disruptoren? |
Im Fettgewebe spielen Estrogen- und Androgenrezeptoren sowie Enzyme wie die Aromatase eine wichtige Rolle. Dabei fördern Estrogene die Proliferation der Präadipozyten und regulieren damit die Anzahl der Adipozyten. Dies geschieht in einem komplexen Regelwerk unter Beteiligung von Glucose, Fettsäuren, Cholesterol, Gallensäure, Insulin-Wachstumsfaktor-1-Rezeptor (IGF1-R), PPAR-γ und anderen Regulatoren. Es wurde gezeigt, dass eine erhöhte Exposition mit dem synthetischen Antiestrogen Diethylstilbestrol (DES) mit einem gesteigerten Risiko für Fettleibigkeit verbunden ist. Auch wenn das in den 1970er-Jahren in den USA häufig in der Gynäkologie eingesetzte Hormon seit mehr als zwanzig Jahren verboten ist, finden sich immer noch Rückstände in der Nahrungskette (10).
Als empfindlichster Zeitpunkt für die Wirkung von Obesogenen, die in die Entwicklung und Funktion von Fettgewebe, Leber und Pankreas eingreifen, gelten Schwangerschaft und frühe Kindheit. / Foto: Adobe Stock/Alessandro Biascioli
Zahlreiche endokrin aktive Substanzen werden auch als Obesogene bezeichnet (10). Es wird diskutiert, inwieweit sie über den Stoffwechsel in die Entwicklung und Funktion von Fettgewebe, Leber, Bauchspeicheldrüse, Magen-Darm-Trakt und sogar des Gehirns eingreifen. Als empfindlichster Zeitpunkt für die Wirkung von Obesogenen werden Schwangerschaft und frühe Kindheit angenommen (10). Darüber hinaus konnte in Langzeitstudien auch beim Menschen bereits ein Zusammenhang von PFAS-Exposition (Per- und Polyfluoroalkyl-Substanzen) und Adipositas, Neigung zu Übergewicht, metabolischem Syndrom und Diabetes gezeigt werden (Tabelle 3) (3).
Stoffe | Vorkommen | Mögliche Mechanismen |
---|---|---|
Bisphenol A (BPA) | KunststoffeExpoxidharzeVerpackungsmaterial | ER-AgonistThR-AntagonistHemmung PPAR-γ-Signalwegepigenetische Veränderungen |
Phthalate, z.B. Phthalatester | Weichmacher in Kunststoffen wie PVC (inzwischen beschränkter Einsatz) | schwache ER-BindungInduktion von PPAR-βAR-BindungReduktion der TestosteronsyntheseVerringerung der MR/AR-Expressionepigenetische Veränderungen |
Per- und Polyfluoroalkyl-Substanzen (PFAS), z.B. Perfluoroctansäure (PFOA) | Kunststoffherstellung, weil wasser- und ölabweisend | ER-BindungPPAR-Agonist |
Benzophenone | Abbauprodukt der UV-Filtersubstanz Octocrylen (Sonnenschutzmittel) | ER-Rezeptor-Regulationkanzerogenphotomutagen |
17α-Ethinylestradiol (EE2) | Einsatz in KontrazeptivaRückstände in Abwasser | ER-Agonist |
Ob und auf welchem Weg endokrine Disruptoren die zugrunde liegenden Stoffwechselprozesse beeinflussen und welcher Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom besteht, wird seit 2019 in dem umfassenden EU-Projekt »Metabolische Effekte von Endokrinen Disruptoren: neue Testmethoden und Adverse Outcome Pathways« (EDCMET) untersucht (12). Hier kooperieren das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und elf Partner aus acht Ländern.