Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Hormonsystem

Wie wirken endokrine Disruptoren?

Zahlreiche natürliche und synthetische Stoffe greifen in das Hormonsystem von Mensch und Tier ein. Dies kann erwünscht oder unerwünscht sein. Was sind endokrine Disruptoren und was ist über ihre Schadeffekte bekannt?
AutorKontaktEva Gottfried
Datum 09.10.2022  08:00 Uhr

Phytohormone: umstrittene Evidenzlage

Phytohormone zeigen Strukturähnlichkeiten zu verschiedenen Hormonen, weshalb sie in eine ganze Reihe hormoneller Regelsysteme eingreifen können (5). So enthalten Soja und Rotklee die Isoflavonoide Genistein und Daidzein, Rotklee zusätzlich Formononetin und Biochanin A, für die eine Hemmung gonadotroper Hypophysenhormone und die Modulation der Steroidhormon-Biosynthese beschrieben sind (5, 6). Die Traubensilberkerzenwurzel (Actaea racemosa/Cimifuga racemosa) enthält die Triterpenglykoside Actein und Cycloartan-Derivate, die ebenfalls in das Estrogenrezeptorsystem eingreifen können (6).

Neben Modulation der Liganden und/oder der Rezeptorwege werden Phytohormonen auch vielfältige Effekte auf Ebene der intrazellulären Signalwege und der Genregulation zugeschrieben. So sind Effekte auf Zellzyklus regulierende Faktoren wie Cyclin D1 und Cyclin-abhängige Kinase-Inhibitoren (p21, p27 und p57) sowie auf die Expression von Tumorsuppressor-Genen wie APC, PTEN und SERPINB5 beschrieben (7). Und auch die Inhibition von Tyrosinkinasen und von DNA-Topoisomerasen, die an der Replikation und Transkription beteiligt sind, wurde für Isoflavonoide gezeigt (5).

Außerdem können verschiedene Substanzkonzentrationen unterschiedliche Effekte haben. So ist gezeigt, dass manche endokrin aktiven Substanzen in niedrigen Konzentrationen den Estrogenrezeptor aktivieren, in höheren Konzentrationen aber das endogene Estrogen vom Rezeptor verdrängen und damit antiestrogen wirken (3, 5).

Viele Befunde basieren auf In-vitro-Untersuchungen. Bei Anwendung von Phytoestrogenen in vivo sind mögliche positive Effekte den möglichen gesundheitlichen Risiken gegenüberzustellen. Eine abschließende Nutzen-Risiko-Analyse ist bei derzeitiger Datenlage schwierig (2).

Schädliche Wirkung durch endokrine Disruptoren

Etwa tausend chemische Substanzen werden nicht mehr nur als endokrin aktiv, sondern als endokrine Disruptoren (ED) bezeichnet, die per definitionem dem Körper schaden (1, 3). Eine ganze Reihe von Tierstudien, In-vitro-Analysen und epidemiologischen Studien deutet immer wieder auf Zusammenhänge zwischen der Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren und dem Auftreten von Entwicklungsstörungen, einem frühen Einsetzen der Pubertät, Störungen der Spermienbildung und Reproduktion, vermehrtem Auftreten hormonabhängiger Tumoren, Stoffwechselerkrankungen wie auch neurologischer Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten hin.

Die Substanzen greifen auf der Ebene von Rezeptoren, Liganden oder intrazellulären Signalwegen an. Die Wirkmechanismen sind sehr komplex, weil es sich nicht um die natürlichen Liganden der Rezeptoren handelt und weil ihre Spezifität und Affinität sehr unterschiedlich sind. Außerdem ergeben sich aus den verschiedenen Signalwegen lipophiler und hydrophiler Hormone zahlreiche Angriffspunkte (Grafik) (3, 8).

So sind Steroidhormone wie Estrogene, Androgene und Mineralocorticoide lipophile Moleküle. Diese werden mittels Diffusion von den Zellen aufgenommen und binden intrazellulär an nukleäre Rezeptoren (Kernrezeptoren). Der Rezeptor-Hormon-Komplex induziert im Kern die Transkription von Effektorproteinen, die den Stoffwechsel beeinflussen. Auch Schilddrüsenhormone sind lipophil und binden an einen Kernrezeptor. Peptid- und Proteohormone wie Insulin und die Catecholamine dagegen sind hydrophil. Hier bindet das Hormon an einen Membranrezeptor und das Signal – nicht das Hormon – wird in der Zelle weitergeleitet. Auf diese Weise induziert Insulin beispielsweise die verstärkte Expression von Glucosetransportern auf Muskelzellen und steigert damit deren Aufnahme von Glucose (9).

So wirken endokrine Disruptoren über eine ganze Reihe verschiedener Angriffspunkte. Neben den agonistischen oder antagonistischen Effekten am Rezeptor verändern einige über Rückkopplungseffekte die Rezeptoraktivität oder die Anzahl der Rezeptoren auf den Zielzellen. Dabei beeinflussen sie die Konzentration der endogenen Hormone, indem sie deren Produktion, Freisetzung, Transport oder Abbau modulieren. Darüber hinaus greifen endokrine Disruptoren in zelluläre Signalwege ein, indem sie Signalmoleküle wie MAPK/ERK aktivieren oder blockieren. Außerdem beeinflussen sie die Transkriptionsregulation auf epigenetischer Ebene über die Modulation von Histonmodifikationen und nicht-codierenden RNAs (Tabelle 2) (3).

Wirkungsebene Effekte
Aktivierung von Hormonrezeptoren Rezeptoragonist und -antagonist
Rezeptorexpression gesteigert oder gesenkt
Rezeptorliganden Einfluss auf Hormonsynthese, Hormontransport im Blut (zum Beispiel Bindung/Wegfangen) und/oder in die Zelle, Hormonmetabolismus (Clearance)
Signaltransduktion der Hormonantwort Bindung von Signalmolekülen,
Blockade oder Aktivierung von Signalmolekülen (MAPK/ERK)
epigenetische Regulation auf Rezeptor- und Hormonebene Chromatin-Modifikation, Methylierung und Acetylierung beeinflussen Transkription von Hormon und Hormonrezeptor
Tabelle 2: Mögliche Wirkmechanismen endokriner Disruptoren (3)

Die meisten Kenntnisse zur Wirkung endogener Disruptoren gibt es aus In-vitro- und Tiermodellen zum Estrogen-Androgen-System. So wirken Bisphenol A, Phthalate und polyfluorierte Substanzen als Rezeptoragonisten und -antagonisten und greifen in die Signaltransduktion hormonresponsiver Zellen ein. Hierbei können auch die Signalmoleküle des MAPK/ERK-Signalwegs oder der Transkriptionsregulator PPAR (peroxisome proliferator activated receptor) aktiviert werden.

Diskutiert wird zudem die Aktivierung weiterer Steroidrezeptoren wie Estrogen-Related Receptor gamma (ERR-γ) oder G-Protein-gekoppelter Rezeptors GPR30. Außerdem ist für einige Phthalate gezeigt, dass sie die epigenetischen Regulationsmechanismen der Testosteronsynthese stören (3, 10).

Neben den Geschlechtshormonen können endokrine Disruptoren weitere Hormone negativ beeinflussen, zum Beispiel die der Schilddrüse. Hier werden Effekte auf den T3-Rezeptor, die Verfügbarkeit seiner Liganden, die Schilddrüsenhormon-Transporter und metabolisierende Enzyme diskutiert. So stört beispielsweise Perchlorat die Aufnahme von Iod in Schilddrüsenzellen und greift damit in die physiologische Schilddrüsenhormon-Synthese ein (3, 11).

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa