Wie Tumoren das Metastasen-Wachstum unterdrücken |
Christina Hohmann-Jeddi |
25.10.2022 15:00 Uhr |
Der Primärtumor verhindert oft das Auswachsen von Metastasen. Wie er das schafft, haben deutsche Forscherinnen und Forscher nun untersucht. / Foto: Adobe Stock/Juan Gärtner
Häufig treten Metastasen erst dann auf, wenn der Primärtumor operativ entfernt wurde. Dieses als begleitende Resistenz bezeichnete Phänomen, bei dem die Quelle der Metastasen deren Wachstum hemmt, ist noch nicht gut verstanden. Ein Team um Dr. Corinne Hübers vom Universitätsklinikum Mannheim und vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hat sich in Untersuchungen mit Mäusen mit den zugrundeliegenden Mechanismen genauer auseinandergesetzt und stieß dabei auf ein Molekül mit doppelter Funktion. Der Botenstoff Angiopoietin-like 4 (ANGPLT4) wird von Tumorzellen gebildet und fördert lokal deren Wachstum, berichten die Forschenden im »Journal of Experimental Medicine«.
Im Blut wird das Molekül aber in zwei Fragmente gespalten. Das C-terminale Fragment cANGPLT4 wirkt dabei protumorigen und das N-terminale Fragment nANGPLT4 unterdrückt die Metastasierung. Aus bislang unbekannten Gründen ist im Blut hauptsächlich nANGPLT4 zu finden. Dieses bindet aber an einen anderen Rezeptor als das C-Fragment oder das Volllängenprotein, berichten die Forschenden. Darüber seien die entgegengesetzten Funktionen der Moleküle zu erklären.
In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass das Auftreten von nANGPLT4 invers mit dem Fortschreiten der Erkrankung korreliert. Auf Mäuse übertragene Tumoren bildeten nach Behandlung mit dem N-Fragment weniger Absiedlungen und die Tiere überlebten länger.
»Natürlich bleibt die chirurgische Entfernung der Primärtumoren der Goldstandard bei der Behandlung der meisten Krebsarten«, sagt Professor Dr. Moritz Felcht, Seniorautor der Studie, in einer Mitteilung des DKFZ. »Aber wir verstehen jetzt, dass damit gleichzeitig die Quelle für das Metastasen-unterdrückende n-Fragment versiegt. Fehlt nANGPLT4, so können einzelne schlafende metastasierte Tumorzellen aktiv werden und zur gefährlichen Makrometastase auswachsen.«
Die Forschenden hoffen nun, mit nANGPLT4 einen neuen Wirkstoffkandidaten zu haben, der das Auswachsen von Metastasen wirksam unterdrücken kann. Außerdem könne das Molekül als Biomarker für die Tumorprogression dienen.