Wie stellt man Digitoxin-Patienten am besten um? |
Wiebke Gaaz |
12.12.2022 14:00 Uhr |
Digitalis-Glykoside haben eine sehr enge therapeutische Breite. Daher sind Dosieränderungen oder die Umstellung von einem Präparat auf ein anderes immer kritisch zu begleiten. / Foto: Adobe Stock/MQ-Illustrations
Seit Monaten sind Herzmedikamente, die das Digitalis-Glykosid Digitoxin enthalten, aufgrund von Produktionsproblemen kaum verfügbar. Digitalis wird zur Frequenzkontrolle von Vorhofflimmern und für die Behandlung einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz eingesetzt. Die Nationale Versorgungsleitlinie »Chronische Herzinsuffizienz« stuft Digitalis-Präparate als Reservemedikamente ein, wenn Patienten im Sinusrhythmus trotz leitliniengerechter Therapie mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Antagonisten, Betablockern und Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten symptomatisch bleiben.
Die Firma Merck teilte am 1. Dezember in einem Informationsschreiben mit, die Produktion von Digimerck® bereits zum 1. Januar 2023 komplett einzustellen – früher als geplant. Als Grund gibt Merck Produktionsprobleme an. Als einziges Ausweichpräparat mit gleichem Wirkstoff bietet die Firma Teva das Präparat Digitoxin AWD® an – allerdings im Gegensatz zu Digimerck nur in der Stärke 0,07 mg. Und auch dieses Präparat ist seit Anfang November offiziell in der Lieferengpass-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet.
Bei einer Umstellung ist Vorsicht geboten: Digitoxin besitzt eine lange Halbwertszeit von circa sieben Tagen. Erst nach einer Therapiepause von zwei bis drei Wochen kann das alternativ verfügbare Digoxin angesetzt werden, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zum Lieferengpass. Die DGK gibt dazu auch konkrete Dosierungsempfehlungen.
Digitoxin hat laut DGK den Vorteil, dass es entero-hepatisch eliminiert wird. Dagegen wird Digoxin ausschließlich über die Niere abgebaut und neigt vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion zur Akkumulation. Die Blutspiegel sollten deswegen engmaschig (alle sieben bis zehn Tage nach Umstellung) kontrolliert werden, was insbesondere bei alten Patienten, Frauen und untergewichtigen beziehungsweise schlecht ernährten Menschen wichtig ist.
Bei Patienten mit Vorhofflimmern reicht es gegebenenfalls aus, die Dosierung des Betablockers beziehungsweise des Calciumantagonisten (Arzneimittel der ersten Wahl bei Vorhofflimmern) anzupassen, wenn die Herzfrequenz nach Absetzen von Digitoxin nicht deutlich zunimmt. Eine weitere Option zur Frequenzkontrolle ist Amiodaron, auch wenn dieses primär zur Rhythmuskontrolle eingesetzt wird, heißt es in der Handlungsempfehlung.
Professor Dr. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, gehört zur Expertenkommission, die den Leitfaden erarbeitet hat. »Wir zeigen eine Vielzahl von Anwendungsfällen auf und geben umfassende Empfehlungen für den Einsatz verschiedener Medikamente«, so Bauersachs.