Wie sinnvoll sind Hormon-Selbsttests? |
Inzwischen werden für viele verschiedene Hormone Selbsttests angeboten – in Drogerien, Supermärkten oder per Klick im Internet. / © Getty Images/d3sign/Yiu Yu Hoi
Von Schilddrüsenhormonen bis zum Anti-Müller-Hormon, das Indikator für die Fruchtbarkeit von Frauen ist: Inzwischen werden für viele verschiedene Hormone Selbsttests angeboten. Es gibt sie in Drogerien, Supermärkten oder per Klick im Internet. Manche liefern das Ergebnis unmittelbar, etwa auf einem Teststreifen. Andere erfordern die Einsendung von Urin-, Speichel- oder Blutproben, die dann untersucht werden. Das Ergebnis kommt wiederum per Post oder E-Mail.
»Mit Corona haben wir alle gelernt, dass wir uns selbst testen können und, dass es Spaß machen kann, etwas über sich selbst zu erfahren«, sagt Dr. Matthias Orth, Chefarzt des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital Stuttgart. So unterschiedlich wie die Hormon-Selbsttests sind auch die Kosten, die dabei entstehen. Die Größenordnung könne bei mehreren hundert Euro liegen, so Professor Dr. Alexander Mann, Experte der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie.
Dass eine solche Investition sinnvoll ist, bezweifeln die Experten – aus mehreren Gründen. »Die Qualität dieser Selbsttests ist schwer zu beurteilen. In der Regel wird nämlich nicht angegeben, mit welcher Methode gemessen wird, ob sie bewährt ist und qualitätskontrolliert«, kritisiert Mann.
Fehlerquellen kann es viele geben. Zum Beispiel im Bereich der Präanalytik, »also all dem, was passiert, bevor die Probe im Labor getestet wird«, so der Endokrinologe. Zum Beispiel: zu wenig Spucke im Röhrchen, zu niedrige oder zu hohe Temperaturen oder schlicht die falsche Handhabung der Probe. Derartige Einflüsse seien nicht immer banal und könnten sich durchaus auf das Ergebnis des Tests auswirken.
Aber auch die Testung selbst in fehleranfällig. Mit welcher Methode wird getestet? Ist das Labor zertifiziert? Gibt es Prüfverfahren und Qualitätskontrollen? »All das weiß ich bei den Selbsttests nicht«, gibt Mann zu bedenken.
Zu guter Letzt seien auch die Hormone an sich selten leicht zu bestimmen. »Hormone reagieren auf das, was um sie herum passiert. Sie arbeiten morgens anders als abends, sind teilweise davon abhängig, was Sie essen und trinken oder ob Sie im Schichtdienst arbeiten«, sagt Mann.
Selbsttests sind oft gar nicht so leicht und angenehm, wie sie scheinen. Etwa dann, wenn Blutproben gefragt sind. »Für viele Hormonbestimmungen braucht man relativ viel Blut. Für Laien ist die Blutabnahme aus dem Finger eine ziemlich schmerzhafte Geschichte«, sagt Labormediziner Matthias Orth.
Er sieht in Hormon-Selbsttests weniger ein medizinisch sinnvolles Instrument, als vielmehr ein Geschäftsmodell. »Wenn ich einen zu messenden Wert habe, der von Natur aus schwankt oder meine Messmethode schlecht ist, dann habe ich ein auffälliges Ergebnis und kann Gesundheitskurse, Vitamine oder andere medizinische Präparate anbieten. Damit habe ich ein Geschäftsmodell geschaffen.«
Dabei würden nicht die älteren Menschen oder jene mit Vorerkrankungen angesprochen, deren Hormontests in der Arztpraxis von der Krankenversicherung bezahlt würden. »Adressiert werden gesunde Menschen. Ihnen wird gesagt, sie könnten als 30-Jähriger nicht normal leben, selbst, wenn sie sich gut fühlen, solange sie Ihre Biomarker nicht regelmäßig messen«, so Orth. Aber: »Als normal gesunder Mensch brauche ich keinen Hormontest.«
Die Hersteller versuchen, sich abzusichern. Wer auf das Kleingedruckte der Tests schaut, kann etwas lesen, wie »Das Verfahren ist für diagnostische und therapeutische Zwecke nicht geeignet.« Wenn überhaupt können die Ergebnisse solcher Tests also allenfalls eine grobe Orientierung bieten.
»Die Gefahr ist, dass Sie ein Ergebnis bekommen, verunsichert sind und sich falsch krank oder auch falsch sicher fühlen«, sagt Endokrinologe Alexander Mann. Er rät deshalb, immer zuerst Hausarzt oder Hausärztin aufzusuchen und die Beschwerden zu thematisieren. Nur so könne ein Testergebnis im Gesamtkontext, mit Krankengeschichte und körperlichen Befund, beurteilt werden.
Weitestgehend warnen die Experten also vor der Nutzung solcher Tests. »Wir versuchen, vernünftige Direct-to-Consumer-Tests auszumachen und haben bislang, außer dem Urin-Schwangerschaftstest, noch keine gefunden«, sagt Matthias Orth. Schwangerschaftstests gelten als zuverlässig. Und: »In der Regel melden Sie sich nach einem positiven Testergebnis bei ihrem betreuenden Arzt. Der Test ist also eingebunden, in die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient und insofern ein Positivbeispiel für Selbsttests«, so Alexander Mann.