Wie sich SARS-CoV-2 weiterentwickeln könnte |
Theo Dingermann |
28.12.2021 11:00 Uhr |
Die drei Varianten verbreiteten sich weltweit. Viele Forscher glaubten damals, dass Alpha als anscheinend infektiöseste Variante der drei ein Ausgangspunkt für Varianten mit zusätzlichen Immunescape-Mutationen sein würde. »Das war absolut nicht der Fall«, sagt Professor Dr. Paul Bieniasz, Virologe an der Rockefeller University in New York City. »Auch Delta kam aus heiterem Himmel.«
Die Delta-Variante wurde im Frühjahr 2021 im indischen Bundesstaat Maharashtra identifiziert und Forscher sind immer noch dabei, eine Bilanz der durch diese Varianten verursachten Folgen für die Pandemie zu ziehen. Laborstudien, die auf dem Preprint-Server »BioRxiv« veröffentlicht wurden, legen nahe, dass Delta seine Fitness verbessern konnte, indem es seine Fähigkeiten, menschliche Zellen zu infizieren, optimierte. Im Vergleich zu anderen Varianten, einschließlich Alpha, vermehrt sich Delta schneller und effektiver in den Atemwegen infizierter Personen. Delta ist dadurch etwa 60 Prozent infektiöser als Alpha.
Momentan dominieren Delta und seine Abkömmlinge das weltweite Covid-19-Geschehen. Doch mit dem Auftauchen der Omikron-Variante ist zu erwarten, dass das nicht lange so bleiben wird. Diese Variante scheint sowohl einen Fitnessvorteil gegenüber Delta zu besitzen als auch die Fähigkeit, Menschen zu infizieren, die durch eine Impfung oder eine frühere Infektion gegen frühere Varianten immun sind.
Letzteres passt laut Professor Dr. Sarah Cobey, Evolutionsbiologin an der Universität von Chicago in Illinois, zu theoretischen Vorhersagen zur möglichen Evolution von SARS-CoV-2. »Wenn die Zunahme der Infektiosität von SARS-CoV-2 nachlässt, muss das Virus seine Fitness durch die Überwindung einer Immunabwehr aufrechterhalten«. Das erhöhe die Zahl der verfügbaren Wirte in einer Population erheblich. Es sei schwer vorstellbar, dass potenzielle Steigerungen der Infektiosität auch nur einen annähernd großen Effekt haben könnten.
Beruhigend ist, dass Varianten mit Immunescape-Mutationen, zum Beipsiel Beta, die Wirksamkeit von Impfstoffen bisher zwar abgeschwächt, aber nie vollständig aufgehoben haben, insbesondere nicht gegen schwere Krankheiten. Im Vergleich zu anderen Varianten enthält Omikron allerdings viel mehr dieser Mutationen, insbesondere in der Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins, über die das Virus mit dem ACE2-Rezeptor interagiert. Aber: »Die RBD ist relativ klein«, sagt Professor Dr. Jason McLellan, ein Strukturbiologe an der University of Texas in Austin, »und die Region kann nur so viel Veränderung vertragen, dass sie immer noch ihre Hauptaufgabe erfüllen kann, sich an die ACE2-Rezeptoren der Wirtszellen zu binden«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.