Wie können Apotheken von Big Data-Analysen profitieren? |
Jennifer Evans |
27.09.2021 18:00 Uhr |
Roos weist gegenüber der PZ deutlich darauf hin, dass alle großen Handelsplattformen oder E-Commerce-Anbieter auf solche Big Data-Analysen setzen und dem Apothekenmarkt derzeit einen Schritt voraus sind. Das führt nach Auffassung von Insight Health dauerhaft zu einer Wettbewerbsverzerrung. Der Informationsdienstleister will diese Schieflage beheben und hat dazu ein entsprechendes Produkt entwickelt – zunächst für das OTC- und Freiwahl-Sortiment.
Dabei handelt es sich um eine Software-Lösung unter Zuhilfenahme von Algorithmen, die Vor-Ort-Apotheken über ein Abonnement beziehen können. Geben sie digital unter anderem ihre Bestandspreise frei, ermittelt das System anhand der bei Insight Health verfügbaren Datenbestände und zentraler Parameter, wie etwa Umfeldpreise, Preiselastizität, Saisonalität sowie Online-Preise, Preisvorschläge für verschiedene Präparate. In diese grobe Justierung fließt ein individuelles Feintuning ein. Das bedeutet, die jeweilige Apotheke vor Ort kann selbst Schwerpunkte setzen, die sie für ihre Region oder Kundschaft für relevant hält. »Die Feinarbeit findet dann natürlich in einem persönlichen Gespräch statt – allerdings verkürzt auf das Wesentliche«, so der Dienstleister.
Nach den bisherigen Erfahrungen von Insight Health passt die Software rund 70 bis 80 Prozent der Preise in einer Offizin an. Und je nachdem, wie viele der Vorschläge davon ein Inhaber am Ende tatsächlich umsetze, sei ein erheblicher jährlicher Zugewinn möglich, heißt es. Ein weiteres Plus mithilfe von Big Data kann eine Apotheke auch bei der Optimierung ihrer Freiwahl-Preise erreichen. Das Ziel von Insight Health ist es, die Software so weiterzuentwickeln, dass in Zukunft anhand von großen anonymen Datenmengen Realtime-Preise abbildbar sind.
Wer seine Preisliste teilt, kann am Ende des Jahres Zusatzgewinne einfahren. / Foto: Pharmatechnik
Grundsätzlich warnt Roos aber jeden Betrieb davor, sich bei der Preisgestaltung einfach nur am günstigsten Versandpreis zu orientieren. »Damit macht sich eine Apotheke vor Ort ihr Preisumfeld kaputt.« Das begründet er unter anderem damit, dass auch Versender mit differenzierten Preismodellen arbeiten, zum Beispiel mit einem sogenannten Indikatorpreis. Das bedeutet, dass bestimmte Produkte vergünstigt als Kaufanreiz dienen. Die weiteren Produkte, die der Kunde dann in seinen digitalen Warenkorb legt, sind häufig jedoch weniger discountiert, weil er dann »nicht mehr so preissensibel« ist. Wer die Preise aus dem Netz also einfach nur kopiert, macht aus Roos‘ Sicht einen Fehler und fährt damit finanziell deutlich schlechter. »Es geht darum, die richtige Balance zu finden und nicht in eine Discount-Manie zu verfallen«, so der Experte. Eine Offizin sollte in seinen Augen stets im Hinterkopf haben, dass viele Kunden in der Regel immer noch lokaltreu sind und die Kaufentscheidungen emotional treffen. Daher müsse eine stationäre Apotheke zwar auf die Online-Trends reagieren, aber nicht dieselben niedrigen Produktpreise wie eine Versandapotheke bieten, hob er gegenüber der PZ hervor.