Wie gefährlich ist Candida auris? |
Wie viele Candida-Arten hat C. auris eine glänzende Oberfläche. Der Hefepilz ist potenziell pathogen und kann für Immungeschwächte lebensbedrohlich sein. / Foto: dpa
Candida auris ist ein relativ neuer Krankheitserreger. Noch halten sich die Infektionen mit dem Pilz stark in Grenzen. Die USA verzeichnete seit Entdeckung der Art bis September 2019 knapp 800 Fälle und das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) in den Jahren 2013 bis 2017 für Europa etwa 620.
»Das Risiko, derzeit in Deutschland eine C.-auris-Infektion zu bekommen, ist extrem gering«, bestätigt Professor Dr. Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) in Jena gegenüber der PZ und fügt hinzu: »Dem NRZMyk sind aktuell zehn Fälle von C. auris in Deutschland bekannt.« Die meisten betroffenen Patienten hätten den Erreger aus einem ausländischen Krankenhaus mitgebracht – in der Regel aus einer Region, in der er häufiger vorkommt. Zu diesen Gebieten zählten die arabische Halbinsel, Südafrika und Indien. Doch auch hierzulande ist C. auris nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Das erste Mal trat C. auris 2009 in Japan in Erscheinung. Damals wurde er im Ohrabstrich einer Patientin entdeckt und vom Mikrobiologen Kazuo Satoh C. auris –vom lateinischen Wort für Ohr – genannt. Zeitgleich traten auch in Südkorea Infektionen auf und später auch in weit auseinander liegenden Regionen der Welt wie Indien, Südafrika, Brasilien und Spanien. Verbindungen zwischen den betroffenen Patienten gab es vermutlich nicht. Es stellte sich zudem heraus, dass sich die Pilze genetisch von Kontinent zu Kontinent unterscheiden. Das lässt ausschließen, dass sich C. auris von einem Land aus weiterverbreitet hat. Vielmehr scheint sich der Pilz zeitgleich in verschiedenen Regionen so verändert zu haben, dass er Menschen infizieren kann.
Gefährlich macht ihn, dass er anders als verwandte Candida-Arten recht resistent ist und auch schneller neue Resistenzen entwickeln kann. Ferner lässt er sich von Mensch zu Mensch übertragen, was für Candida-Arten ungewöhnlich ist. Daher kann der Pilz auch nosokomiale Ausbrüche verursachen. Bei verwandten Arten wie C. albicans und C. glabrata gehen Infektionen meistens von einer Besiedlung des Intestinaltrakts aus (endogene Infektionen). Sie werden nur in seltenen Ausnahmefällen direkt oder indirekt von Patient zu Patient übertragen. Bei C. auris führen vermutlich Schmierinfektionen zu einer raschen Ansteckung weiterer Menschen.
Wie andere Candida-Arten besiedelt C. auris den Menschen, verursacht beim Gesunden in der Regel aber keine Probleme (siehe Kasten). Ist das Immunsystem jedoch geschwächt oder bestehen Vorerkrankungen, kann er sich wie andere Hefepilze ungestört vermehren und zu Krankheiten führen. C. auris verursacht mitunter ernste und lebensbedrohliche Erkrankungen wie Harnwegsinfekte oder Wundinfektionen. Die Entwicklung zu einer invasiven Candidose mit einem Befall des Blutstroms (Fungämie) und des ZNS sowie innerer Organe ist bei Immunschwachen nicht auszuschließen und kann lebensbedrohlich sein. Als Begleiterkrankungen treten möglicherweise Diabetes, Lungen- und Nierenerkrankungen auf.
In Großbritannien verliefen Ausbrüche bisher ohne Todesfälle. In Spanien allerdings starben in einem Krankenhaus 17 von 41 Infizierten. »Nach unserem Wissen ist in Deutschland noch kein Patient an C. auris gestorben«, berichtet Kurzai. »Wenn man mit C. auris infiziert ist, hängt die Gefährlichkeit vor allem von der Art der Infektion ab. Die Sterblichkeitsraten für Blutstrominfektionen sind aktuell schwer einzuschätzen, da sie sich in verschiedenen Berichten zum Teil erheblich unterscheiden.«
Die Behandlung ist eine Herausforderung. C.-auris-Isolate zeigen häufig Resistenzen gegenüber zahlreichen gebräuchlichen Antimykotika wie Fluconazol, Voriconazol oder Amphotericin B. Die Behandlung sei eine Einzelfallentscheidung, so Kurzai: »Pauschale Empfehlungen sind nicht sinnvoll. Bei schweren Infektionen wird aktuell zumeist empfohlen, mit einem Echinocandin, also Anidulafungin, Caspofungin oder Micafungin, zu behandeln. Bei Fragen oder Beratungsbedarf steht das NRZMyk zur Verfügung.« Eine Resistenztestung sei empfehlenswert. Bei einer reinen Besiedlung ohne symptomatische Infektion sei keine Behandlung nötig.
Ansteckungen zu vermeiden und insbesondere immungeschwächte Personen zu schützen, ist oberste Prämisse. In Deutschland sind dafür schon einige Voraussetzungen geschaffen. Dazu muss der Pilz aber erst einmal sicher identifizierbar sein und in der Diagnostik von verwandten Arten wie Saccharomyces cerevisiae und C. haemulonii unterschieden werden. »2018 konnten bei einem Test etwa 85 Prozent aller mikrobiologischen Labors in Deutschland C. auris zuverlässig identifizieren. Das ist kein ganz schlechter Wert, aber sicher noch ausbaufähig«, erzählt Kurzai. Der Experte empfiehlt noch weitere Vorkehrungen. »Krankenhäuser müssen C. auris in ihre Hygienemanagementpläne aufnehmen und ein Prozedere zum Umgang festlegen. Hierfür gibt es zum Beispiel Empfehlungen des NRZMyk und auch umfassende Hilfestellungen von ECDC und CDC.«
Es gibt Vermutungen, dass durch den Klimawandel oder andere Faktoren C. auris zunehmend ein Problem in Deutschland werden könnte. Dazu Kurzai: »Weltweit nehmen die Fälle zu und es ist wahrscheinlich, dass damit auch hierzulande absehbar mehr Fälle auftreten. In einigen Ländern zählt C. auris schon zu den häufigsten Candida-Arten, die invasive Infektionen verursachen.« Es könne also sein, dass sich der Erreger weltweit »etabliert«. Dann könnten auch lokale Ausbruchsgeschehen häufiger werden, so der Mykologe.
Die Familie der Candida-Hefepilze (von lateinisch candidus = glänzend) ist artenreich. Einige Vertreter sind für den Menschen höchst nützlich. So verwendet die Lebensmittelindustrie beispielsweise Saccharomyces cerevisiae als Backhefe und C. utilis bei der Herstellung von Kefir. Andere Candida-Arten besitzen für den Menschen jedoch eine potenziell pathogene Wirkung. Diese tritt jedoch erst auf, wenn sich die Hefepilze in oder auf dem menschlichen Körper unnatürlich stark vermehren und es ihnen gelingt, die Haut- beziehungsweise die Schleimhautbarriere des Körpers zu durchdringen. Je nach Lokalisation können Krankheitsbilder wie Vaginalmykose, Windeldermatitis, Mundsoor und bei Immunschwachen auch eine Sepsis entstehen. Erreger von solchen Candidosen sind neben C. albicans, dem häufigsten Erreger von Candida-Infektionen, unter anderem auch C. glabrata, C. parapsilosis oder C. krusei.