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Wie die Reha Long-Covid-Patienten nützt

Die Median Klinik in Heiligendamm ist auf die Rehahilitation von Patienten mit Lungenerkrankungen spezialisiert. Das bedeutet momentan vor allem: Patienten mit Long Covid. Aus ihrem Arbeitsalltag berichtete Chefärztin Dr. Jördis Frommhold bei der Hermann-Hager-Tagung der Landesapothekerkammer Brandenburg.
Annette Rößler
02.03.2022  12:30 Uhr

Mehr als 3500 Patienten mit Long Covid seien in ihrer Klinik seit Beginn der Pandemie behandelt worden, sagte die Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen und Allergien der Median Klinik, und die Nachfrage sei weiterhin riesig: »Tausende, möglicherweise Hunderttausende warten auf einen Therapieplatz.« Für eine Reha bei Long Covid infrage kämen Patienten erst, wenn der PCR-Test negativ sei und sie in der Lage seien, sich selbstständig zu versorgen. Auf eine nicht invasive Beatmung oder zusätzliche Sauerstoffgabe angewiesen zu sein, sei dagegen kein Ausschlusskriterium.

Eine Reha wird in der S1-Leitlinie Post-/Long-Covid-Syndrom empfohlen. »Aber es wird nicht ausgeführt, was in der Reha gemacht werden soll. Das ist ungünstig, denn mit einer falschen Reha kann man auch Schaden anrichten«, betonte Frommhold. Eine sehr wichtige Aufgabe der Reha sei es, Patienten in der Krankheitsakzeptanz zu schulen. »Sie müssen lernen, dass die Grenzen, die sie vor der Erkrankung hatten, jetzt andere sind.« Viele Patienten gönnten sich nicht die notwendige Rekonvaleszenz und neigten dazu, sich selbst zu überfordern. Ihnen gegenüber komme dem Arzt eine bremsende Rolle zu.

Am Anfang jedes Reha-Aufenthalts stehe eine Bestandsaufnahme. Long Covid ist enorm vielfältig. Abhängig davon, welche Symptome den Patienten am stärksten belasteten, werden Therapiebausteine individuell zusammengestellt. In Heiligendamm werden Atemgymnastik, Atemmuskeltraining und Atemphysiotherapie angeboten sowie Sekretolyse/Inhalationstherapie, Ausdauer-, Kraft- und neurologisches Training. Patienten erhalten zudem psychologische und sozialmedizinische Unterstützung. Gerade Letzteres sei enorm wichtig, denn »Patienten sind es gewohnt, dass ihnen oft wenig Verständnis entgegengebracht wird«, berichtete Frommhold.

Die in der Leitlinie abhängig von der Dauer der Beschwerden getroffene Differenzierung in Post Covid und Long Covid bezeichnete die Expertin als »nicht ausreichend«. Aus ihrer Sicht sinnvoller sei eine klinische Einteilung der Patienten in drei Gruppen. Deren erste – und hoffentlich größte – bildeten die »echten Genesen«: Patienten mit mildem Akutverlauf und ohne andauernde Symptome. Gruppe 2, die »spät Genesenen« hätten einen schweren Akutverlauf gehabt und eine entsprechend lange Rekonvaleszenz. Ihre Beschwerden ähnelten dem Post Intensive Care Syndrom. »Die Ursache der Long-Covid-Symptomatik liegt hier in der akut schweren Erkrankung«, sagte Frommhold.

Demgegenüber hätten Betroffene der Gruppe 3, die »kranken Genesenen«, einen leichten bis mittelschweren Akutverlauf gehabt, sodass sie meist gar nicht stationär behandelt worden seien. Unmittelbar nach der Infektion hätten sie kaum noch Symptome, erst mit einer Latenz von einem bis drei Monaten träten dann massive insbesondere neurologisch-kognitive Probleme auf. Es handele sich meist um junge, zuvor sehr leistungsfähige Menschen, die nun »ihr ganzes Leben umorientieren müssen«. Zu den Ursachen der Beschwerden gebe es zwei Hypothesen: eine Autoimmunerkrankung infolge der Infektion oder eine Persistenz des Virus in nicht mehr nachweisbaren Konzentrationen, die eine Entzündung auslösten.

Wie viele Patienten betroffen seien, sei momentan noch kaum abschätzbar. Studien gingen von 10 bis 40 Prozent der Infizierten aus. »Es kann jeden treffen, es gibt keine Risikokonstellation«, warnte Frommhold. Allerdings könne man sich schützen: Durch eine Impfung gegen Covid-19 sinke das Risiko für Long Covid Studien zufolge um 70 Prozent.

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