WHO empfiehlt Malaria-Impfung |
Theo Dingermann |
07.10.2021 11:53 Uhr |
Ein Baby in Ghana erhält den Malaria-Impfstoff RTS,S, den die WHO jetzt für den breiten Einsatz in Endemiegebieten empfohlen hat. / Foto: WHO/ Fanjan Combrink
Am gestrigen Abend verkündetet Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO die Entscheidung zweier internationaler Gremien der Organisation, den Einsatz des Impfstoffs »RTS,S/AS01« (Mosquirix®) bei Kindern in Afrika südlich der Sahara und in anderen Regionen mit mäßiger bis hoher Übertragung des Malariaerregers Plasmodium falciparum zu empfehlen. Diese Empfehlung stützt sich auf die Ergebnisse eines laufenden Pilotprogramms in Ghana, Kenia und Malawi, in das seit 2019 mehr als 800.000 Kinder eingeschlossen wurden.
Jedes Jahr treten rund 200 Millionen Malariainfektionen auf, wobei sich viele Menschen mehrmals anstecken. Als Konsequenz sind jährlich 400.000 Todesfälle zu beklagen. Dabei trifft es vor allem Kinder unter fünf Jahren.
Eine nachhaltige Lösung dieses Problems ist nur mithilfe von gut wirksamen und verträglichen Impfstoffen zu erreichen. Diese zu entwickeln, erwies sich als äußert schwierig. Höhen und Tiefen begleiteten die Entwicklung von Schutzimpfstoffen gegen Malaria .
2015 erhielt einer der vielen Entwicklungskandidaten, der Impfstoff »RTS,S« des Pharmaunternehmens Glaxo-Smith-Kline (GSK), ein positives Votum von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Im Rahmen eines Pilotversuchs begann man dann in Malawi, Ghana und Kenia Kleinkinder gegen die Krankheit zu impfen.
Der Impfstoff besteht aus den zwei dominanten Epitopen »R« (Repeat-Region des Circumsporozoit-Proteins [CSP]) und »T« (T-Zell-Epitop des CSP) des Malariaerregers P. falciparum. Diese Epitope wurden an ein Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen (HBs) fusioniert. Zusätzlich enthält der Impfstoff auch ein freies Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen (HBs) (»S,S«). Die Vakzine schützt demnach auch vor Hepatitis B, aber nicht gegen Plasmodium vivax, den außerhalb von Afrika vorherrschenden Malariaerreger.
Ähnlich wie der Hepatitis-B-Impfstoff wird auch die RTS,S-Vakzine gentechnisch in Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) als rekombinantes Protein hergestellt. Die resultierenden virusähnlichen Partikel werden mit einem liposomalen Adjuvans (AS01) kombiniert.
Von 2009 bis 2014 wurde RTS,S/AS01 im Rahmen einer Phase-III-Studie in elf Endemiegebieten in sieben afrikanischen Ländern an insgesamt 15.460 Säuglingen und Kleinkindern getestet. Drei Dosen des Impfstoffs, die im Abstand von je einem Monat verabreicht wurden, führten in den ersten 200 Tagen zu einer Wirksamkeit von knapp über 50 Prozent. In der insgesamt 18-monatigen Nachverfolgungsperiode reichte die Gesamteffektivität, je nach Falldefinition und Altersgruppe, von 5 bis 45 Prozent.
Zwei Jahre nach dem initialen Dreidosenregime erhielt ein Teil der Studienkinder eine einmalig Booster-Impfung. Nach weiteren zwei Jahren, also vier Jahre nach der Grundimmunisierung, lag die Wirksamkeit der Impfung ohne Booster bei 28 Prozent, in der Boostergruppe bei 36 Prozent.
Basis der Empfehlung der beiden Expertengremium der WHO waren die Ergebnisse der Pilotprojekte, die während des zweijährigen Impfprogramms in den drei Pilotländern gesammelt wurden. Die Ergebnisse umfassen:
Zu den nächsten Schritten für den von der WHO empfohlenen Malaria-Impfstoff gehören Finanzierungsentscheidungen der globalen Gesundheitsgemeinschaft für eine breitere Einführung und die Entscheidung der Länder, ob sie den Impfstoff als Teil ihrer nationalen Malariabekämpfungsstrategien übernehmen wollen.
Kann man es als historisch bezeichnen, wenn ein Impfstoff empfohlen wird, der im Schnitt »nur« eine Wirksamkeit von knapp 40 Prozent aufweist? Ja, das kann man. Denn es wird höchste Zeit, für die so große Gruppe junger Menschen in den Malaria-Endemiegebieten einen ersten, gut verträglichen Impfstoff verfügbar zu machen. Mosquirix wird viele Leben retten, auch wenn die Wirksamkeit gering erscheint. In Kombination mit bewährten präventiven Maßnahmen wie dem Gebrauch von insektizidbehandelten Moskitonetzen schätzt die WHO die Effektivität der Impfung im »wahren Leben« auf etwa 90 Prozent.
Weitere Impfstoffkandidaten, die zum Teil auf neuen Technologien basieren, befinden sich in der fortgeschrittenen Entwicklung. Diese werden wohl auch wirksamer sein als der jetzt empfohlene Impfstoff. Das ist jedoch kein Grund, jetzt nicht zu handeln.
Professor Dr. Theo Dingermann, Senior Editor