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Kunstprojekt

»Wer spricht schon über Parkinson«?

Immer mehr Menschen erkranken an Parkinson. In Deutschland sind rund 300.000 Patienten betroffen. Die virtuelle Kunstausstellung »Printed by Parkinson's«, die in Kooperation mit der Charité, Berlin, entstand, will mehr Aufmerksamkeit schaffen für die Erkrankung, die mit der Alzheimer-Krankheit zu den häufigsten neurodegenerativen Störungen weltweit gehört.
Ulrike Abel-Wanek
14.08.2019  14:00 Uhr

Der britische Arzt James Parkinson (1755 bis 1824) beschrieb die später nach ihm benannte Erkrankung aufgrund des auffälligen Ruhetremors der Patienten 1817 erstmals als »Schüttellähmung«. Zittrige Hände, steife Muskeln und verlangsamte Bewegungen sind typische Symptome betroffener Patienten, »aber auch Schmerzen in Arm und Schulter, die manchmal erst zum Orthopäden führen«, weiß Professor Dr. Andrea Kühn, Leiterin der Abteilung für Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Charité, Berlin. Rund 1000 Parkinson-Patienten würden in der Hochschulambulanz behandelt, die meisten im Alter zwischen 60 und 70 Jahren, so die Ärztin.

Das Risiko für die Erkrankung, bei der es dem Gehirn am Botenstoff Dopamin mangelt, nimmt mit höherem Lebensalter zu. Doch auch schon vor dem 40. Lebensjahr können Patienten vom sogenannten juvenilen Parkinsonsyndrom betroffen sein. Dass es nicht leicht ist, sich mit der Neudiagnose »Parkinson« auseinanderzusetzen, beobachtet Kühn Tag für Tag bei ihren Patienten. Das Zittern, aber auch die Bewegungsstörungen durch Muskelsteifigkeit haben Auswirkungen auf die Arbeit der Betroffen, den Sport, das Ausüben von Hobbys und die Handhabung von Alltagsgegenständen.

Kunst aus der »Parkinson-Maschine«

»Durch mein Zittern und weil ich nicht mehr richtig laufen konnte, wurde ich für eine Alkoholikerin gehalten, berichtet Gabriele Hütter. Die 58-jährige, ehemalige Erzieherin ist eine von sechs Patientinnen und Patienten der Universitätsmedizin Berlin, die am Kunstprojekt »Printed by Parkinson’s« teilgenommen haben, um eine größere Öffentlichkeit für die Probleme von Betroffenen zu sensibilisieren und gegen Vorurteile anzutreten.

Um ihren täglichen Kampf mit der Krankheit transparent zu machen, wurden die Patienten aufgefordert, ein Alltagsobjekt auszuwählen, das sie aufgrund der Parkinson-Krankheit nicht mehr nutzen konnten.

 

Für das Projekt wurden die kinetischen und neurologischen Daten der Patientinnen und Patienten mithilfe von EEG-Systemen und sogenannten Accelerometern, also Beschleunigungssensoren, aufgezeichnet. Die Daten wurden dann auf einen 3-D-Drucker übertragen. Es entstanden aus Bronze gedruckte Objekte, die den Tremor der Betroffenen widerspiegelten. Diese »verzerrte Kunst« soll die Auswirkungen von Parkinson visualisieren und zeigen, was es bedeutet, mit dieser Krankheit zu leben.

Gabriele Hütter wählte einen Kugelschreiber. Eines der weniger bekannten Symptome von Parkinson ist, dass sich die Handschrift verändert. »Ich hatte früher eine schöne Schrift, jetzt kann ich nur noch erraten, was ich geschrieben habe, so die Patientin, bei der 1998 zuerst ihr Mann bemerkte, dass sie häufig zitterte und stolperte.

 

»Wer spricht schon über Parkinson?«, fragt Heinz Apel, der sich von »Printed by Parkinson’s« mehr allgemeine Aufmerksamkeit verspricht, verbunden mit der Hoffnung, dass die chronische Krankheit in Zukunft nicht nur gelindert, sondern geheilt werden kann. Vor seiner Parkinson-Erkrankung schnitzte er Holzfiguren – und wählte einen Nussknacker als Alltagsobjekt.

»Schaut nicht weg, wenn sich jemand scheinbar komisch benimmt« wünscht sich die seit 2000 an Parkinson erkrankte Elke Starke. Anfangs schwang ihr rechter Arm beim Gehen nicht mehr richtig mit, es folgten Steifigkeit der Muskulatur und die Verlangsamung der Bewegungen. Auch das Sprechen fiel ihr schwer. »An Parkinson erkrankt zu sein fühlt sich an, wie alleine im Dunkeln zu stehen«, so die 60-Jährige. Mehr Farbe ins Leben bringt das von ihr ausgewählte Objekt: ein Fotoapparat. Für die Motive ihrer farbenfrohen Bilder lässt sich die Hobbymalerin durch Fotos häufig inspirieren.

Seit mehr als 25 Jahren ist die tiefe Hirnstimulation eine gut etablierte Therapie bei Parkinson. Bei der Behandlungsmethode werden zwei Elektroden ins Hirn implantiert. »Mithilfe von hochfrequenten, elektrischen Impulsen überschreiben wir in einer bestimmten Hirnregion quasi eine abnorme Aktivität, sodass das Gehirn wieder normale Signale aussenden kann und sich die Bewegung der Patienten wieder normalisiert«, erklärt Kühn. Für die Patienten bedeute das oft eine große Zunahme an Lebensqualität, so die Ärztin weiter.

 

Heinz Apel hat dank der Operation sein Hobby der Holzschnitzerei wieder aufnehmen können. Elke Starke galt 2010 als »austherapiert« und entschied sich wie viele andere Parkinson-Patienten ebenfalls für den Eingriff der tiefen Hirnstimulation. »Gut ist, dass das Projekt die konkreten Geschichten der Patienten zeigt und deutlich macht, warum eine Behandlung gut für sie ist. Trotz der Einschränkungen durch die Krankheit wird klar, dass es für sie im Leben weitergegangen ist«, sagt Kühn.

Die Wissenschaftlerin und ihr Team wollen nun eine Patienten-Studie zur Wirksamkeit der adaptiven Stimulierung unter Laborbedingungen durchführen. Wie gelingt eine noch bessere Feinabstimmung auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Patienten und wie vermeidet man mögliche Nebenwirkungen wie Infektionen, kognitive Verschlechterungen oder Sprachstörungen?

 

Unter www.printedbyparkinsons.com sind neben Patientenporträts, Interviews und Filmbeiträgen alle sechs im 3-D-Druck entstandenen Kunstobjekte zu sehen. Sie können erworben werden, die Erlöse gehen an die Parkinson-Forschung der Charité, Berlin. 

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