Wer bei Lakritz aufpassen sollte |
In Lakritz für Kinder ist kaum etwas vom potenziell schädlichen Stoff Glycyrrhizin enthalten, einem Triterpensaponin aus der Süßholzwurzel. / Foto: Getty Images/Moussa81
Lakritz wird aus dem Saft der Süßholzwurzel hergestellt. «Bei der Frage nach der Schädlichkeit von Lakritz muss man erst einmal zwischen Kinder- und Stark-Lakritz unterscheiden», sagt Dr. Christian Schulze. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung für Pharmazeutische Biologie an der Universität Greifswald. Und er gibt Entwarnung: «In Lakritz für Kinder ist kaum etwas vom potenziell schädlichen Stoff Glycyrrhizin enthalten.»
Es gibt einen EU-Grenzwert, der besagt, dass in 100 g Produkt maximal 200 mg Glycyrrhizin enthalten sein dürfen. Der genaue Gehalt von Glycyrrhizin muss auf der Verpackung zwar nicht angegeben werden. Doch der Verzehr von üblichen Mengen Kinderlakritz gilt als ungefährlich.
Ein Freifahrtschein zum großzügigen Naschen ist das aber nicht: «Was ich bezüglich der Zutaten von Kinderlakritz viel bedenklicher finde und was eigentlich immer übersehen wird, ist der hohe Zuckergehalt», sagt Professor Dr. Martin Smollich. Er ist Ernährungswissenschaftler und Pharmakologe am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. Zucker ist demnach die Hauptzutat in Lakritz-Produkten. «Hinzu kommen Zuckersirup und oft Salmiak, also Ammoniumchlorid. Kinder, aber auch erwachsene Risikogruppen, sollten vor allem deswegen auf einen übermäßigen Verzehr verzichten», sagt Smollich.
Salmiak verleiht dem Lakritz einen typischen, stechend salzigen Geschmack – vor allem auch bei Erwachsenenlakritz. Es kann den Mineralhaushalt von Kindern stören, wie Schulze warnt. Es drohen Symptome wie Übelkeit oder Erbrechen.
Doch was ist mit Erwachsenenlakritz? Stark-Lakritz enthält mehr Glycyrrhizin als Kinderlakritz, was übrigens nicht nur für Kinder zum Problem werden kann: «Bei Erwachsenen können höhere Dosen Glycyrrhizin und Salmiak im Körper eine Kette von Nebenwirkungen auslösen», sagt Schulze.
Glycyrrhizin wird im Körper zu Glycyrrhetinsäure abgebaut. Sie kann in den Nieren ein Ansteigen des Cortisol-Spiegels bewirken. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Mineralstoffwechsel, Natrium reichert sich an, Kalium geht verloren. Die Folgen: «Der Blutdruck kann steigen, es können Wassereinlagerungen in den Gelenken und im Gesicht entstehen, außerdem kann es zu Muskelschwäche und einer Störung der Kaliumkonzentration im Blut kommen», zählt Smollich auf.
Beim Verzehr von Stark- und Salmiaklakritz sollten deswegen Personen mit einer Herzinsuffizienz vorsichtig sein. Außerdem alle, die Cortisol-Präparate zu sich nehmen, unter Bluthochdruck leiden oder auf ihren Wasser- und Mineralsalzhaushalt achten müssen, etwa weil sie entwässernde Tabletten einnehmen.
«Die genannten Personengruppen können schon mit der Aufnahme einer normalen Süßigkeitenmenge in Bereiche kommen, die für sie gefährlich werden können», sagt Schulze. Ab welcher Menge Glycyrrhizin genau toxisch wirkt, ist aber individuell unterschiedlich und hängt unter anderem von Körpergröße, Gewicht und Ernährungs- beziehungsweise Bewegungsgewohnheiten ab.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich mit Glycyrrhizin beschäftigt. Die Behörde empfiehlt, höchstens 100 Milligramm davon am Tag zu sich zu nehmen. «Gesundheitliche Auswirkungen sind erst ab einer ständigen Aufnahme von über 200 mg Glycyrrhizin pro Tag zu erwarten», fasst Ernährungswissenschaftler Smollich zusammen.
«Um diesen Wert zu erreichen, müsste man täglich 200 g handelsübliches Lakritz oder 25 bis100 g Stark-Lakritz essen» – Mengen, die auch echte Lakritz-Fans nicht unbedingt wegnaschen. Lediglich bei Menschen aus den genannten Risikogruppen kann es auch schon bei geringeren Mengen zu Problemen kommen, so der Experte. Wer auf der sicheren Seite sein will, nascht also nicht gleich die halbe Tüte, sondern nur einzelne Teile.
Stecken in Lakritz denn auch Stoffe, die gesund sind? «In Süßholzsaft sind zwar Flavonoide enthalten, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken können», sagt der pharmazeutische Biologe Christian Schulze. «Um jedoch in den Genuss der positiven Effekte zu kommen, müsste man so viel von dem Lakritz-Produkt zu sich nehmen, dass die schädliche Wirkung des Glycyrrhizin überwiegen würde.» Lakritz-Produkte können deswegen nicht als gesund bezeichnet werden.
Süßholzwurzel ist auch in Hustentee und -arzneimitteln enthalten. «Hier ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis deutlich positiv», erklärt Schulze. «Husten hat man in der Regel nicht länger als ein bis zwei Wochen. Wenn man nun in dieser Zeit jeden Tag eine Tasse Tee mit Süßholz zu sich nimmt, reicht das nicht aus, um eine toxische Wirkung hervorzurufen.» Deswegen ist Süßholz bei Erkältungskrankheiten durchaus empfohlen, insbesondere in Kombination mit anderen pflanzlichen Arzneimitteln.