Weniger Symptome, höheres Risiko für schweren Verlauf |
Daniela Hüttemann |
02.09.2020 09:00 Uhr |
Galten Schwangere zu Beginn der Pandemie als nicht gefährderter als andere Frauen im selben Alter, verdichten sich mittlerweile die Hinweise, dass sie im Fall einer Covid-19-Erkrankung ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf haben. / Foto: Getty Images/Satawat'K
Laut Corona-FAQ des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt es noch keine validen Daten, die zeigen, ob Schwangere eine höhere Empfänglichkeit für eine Coronavirus-Infektion haben. Da das Immunsystem von Schwangeren jedoch grundsätzlich etwas herunterfährt, um den zur Hälfte fremden Organismus in sich zu dulden, kann dies nicht ausgeschlossen werden. Das RKI führt sie zwar derzeit nicht unter den Risikogruppen für schwere Verläufe, dagegen geht die US-Gesundheitsbehörde CDC von einem möglicherweise erhöhten Risiko aus. In den USA erhebt die CDC zudem die Daten aller Schwangeren, die an Covid-19 erkranken. Sie zählt bis dato 19.235 Fälle, von denen 41 starben.
Ein internationales Autorenteam unter Leitung von Professor Dr. Shakila Thangaratinam von der Universität Birmingham hat im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun die bisherige Studienlage neu ausgewertet. Die Ergebnisse des Reviews sind heute im »British Medical Journal« erschienen. Dabei berücksichtigten die Forscher 77 Studien mit Schwangeren, kürzlich Schwangeren und nicht schwangeren Frauen im gebärfähigen Alter, die aus verschiedenen Gründen ins Krankenhaus gekommen waren und bei denen der Verdacht oder die bestätigte Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion vorgelegen hatten. Zwar variierten die eingeschlossenen Studien in Design und Qualität, dies hätten die Review-Autoren aber bei ihrer Auswertung berücksichtigt, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung des Fachjournals.
Während bei nicht schwangeren Frauen, die wegen Covid-19 ins Krankenhaus mussten, zwei Drittel über häufige Symptome wie Fieber, Husten, Atemnot und Muskelschmerzen klagten, waren es unter den schwangeren Covid-19-Patienten deutlich weniger mit Fieber (Odds Ratio 0,43) und Myalgien (OR 0,48). Die Schwangeren hatten aber ein höheres Risiko, auf die Intensivstation verlegt zu werden (OR 1,62) und eine künstliche Beatmung zu benötigen (OR 1,88). Dabei stieg das Risiko mit dem Alter (OR 1,78), dem Body-Mass-Index (OR 2,38), chronisch erhöhtem Blutdruck (OR 2,0) sowie vorbestehendem Diabetes (OR 2,51).
Auch für die Kinder kann eine Corona-Infektion der Mütter demnach schwere Folgen haben: So stieg das Risiko für Frühgeburten unter Covid-19 auf 6 Prozent – das bedeutete das Dreifache im Vergleich zu Schwangerschaften ohne Infektion. Etwa jedes vierte Baby einer Covid-19-kranken Mutter musste nach der Geburt auf die Neugeborenen-Station. Totgeburten waren jedoch selten und die Letalität bei Neugeborenen gering.
Die Forscher raten Ärzten, Pflegepersonal und Hebammen im Hinterkopf zu haben, dass schwangere Frauen mit Covid-19 Zugang zu einer Intensivstation benötigen könnten, insbesondere wenn sie weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes oder ein höheres Alter haben. Für ihre Kinder sollte eine Neonatalogie in der Nähe sein.
Wie schätzen deutsche Gynäkologen die Lage ein? »Es zeigt sich, anders als in den ersten Monaten vermutet, dass auch bei Schwangeren eine Covid-Erkrankung einen schweren Verlauf nehmen kann«, so Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Auch in Deutschland gebe es mittlerweile Berichte, dass Schwangere beatmet werden mussten und so lebensgefährlich erkrankt waren, dass die Schwangerschaft vorzeitig per Kaiserschnitt beendet werden musste.
»Schwangere werden grundsätzlich zu Vorsicht aufgerufen«, so Albring. »Sie sollten während der Pandemie die bekannten Hygieneregeln besonders sorgfältig befolgen, also Abstandhalten, gründliches Händewaschen, das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und sie sollten Situationen und Personen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko meiden.«
Außerdem sollten sich Schwangere unbedingt gegen Grippe impfen lassen. Der Gynäkologe erinnert daran: »Auch eine Influenza kann in der Schwangerschaft besonders schwer verlaufen und es ist absolut möglich, sich nacheinander mit beiden Keimen zu infizieren.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.