Weniger Behandlungen als erwartet |
Annette Rößler |
05.08.2020 14:58 Uhr |
Der hohe administrative und regulatorische Aufwand hat laut DGHO dazu geführt, dass Kymriah und Yescarta erst etwa ein Jahr nach ihrer Markteinführung in Deutschland flächendeckend verfügbar waren. Anders als in anderen europäischen Ländern mit stärker zentralistisch organisierten Gesundheitssystemen, wo nur wenige Zentren für die Therapie zugelassen wurden, gibt es demnach hierzulande aktuell 26 Zentren, in denen eine CAR-T-Zelltherapie möglich ist. Die Fachgesellschaft hat sich bei ihnen mit einer Online-Umfrage erkundigt, wie häufig sie die CAR-T-Zelltherapie bereits eingesetzt haben und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben.
In den Verfahren zur Frühen Nutzenbewertung hatte der Gemeinsame Bundesausschuss geschätzt, dass pro Jahr etwa 600 Lymphompatienten und zwischen 50 und 60 Leukämiepatienten für eine CAR-T-Zelltherapie infrage kommen. Laut DGHO liegen die bisherigen Zahlen deutlich unterhalb dieser Schätzungen. Das könne zum einen an logistischen Problemen in der Einführungsphase liegen, zum anderen aber auch an einer strengen Indikationsstellung. »Zusammen mit den CAR-T-Zellen haben wir gerade bei den aggressiven Lymphomen in den letzten Jahren erfreulicherweise mehrere neue Arzneimittel mit Heilungschancen in die Hand bekommen. Die Kunst besteht in der Wahl der richtigen Therapie für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt«, so Professor Dr. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen.
Die Manipulation des Immunsystems kann schwerwiegende Nebenwirkungen haben, etwa einen sogenannten Zytokinsturm, eine lebensgefährliche Überreaktion des Immunsystems. In der Praxis kamen aber solche Nebenwirkungen seltener vor als zuvor befürchtet. Laut DGHO-Umfrage mussten 14 Prozent der behandelten Patienten intensivmedizinisch versorgt werden und 3 Prozent starben. Mittlerweile ist die frühzeitige Identifikation und der Umgang mit Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie in Leitlinien beschrieben. Der Interleukin-6-Antikörper Tocilizumab (Roactemra®) hat mittlerweile auch eine Zulassungserweiterung zur Behandlung des Zytokinsturms bei einer CAR-T-Zelltherapie erhalten.
Mit zunehmender Vertrautheit mit der CAR-T-Zelltherapie sei in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Patientenzahlen zu rechnen, so die DGHO. Dabei wird sich das Spektrum der behandelbaren Erkrankungen vermutlich bald erweitern: Mit Idecabtagen-Vicleucel befindet sich ein Wirkstoff zur Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom bereits in fortgeschrittener klinischer Prüfung. Die DGHO rechnet mit einer Zulassung spätestens Anfang des kommenden Jahres.