Wenig Evidenz, viel Erfahrungswissen |
Hat sich die Mundschleimhaut dennoch entzündet, gilt die erste Maßnahme der Schmerzbekämpfung. Gute Erfahrungen hat das Lübecker Team mit Heilerde innerlich und Leinsamen gemacht, vor allem wenn auch der übrige Verdauungstrakt in Mitleidenschaft gezogen ist. Vom Leinsamen könnten sowohl der Schleim als auch der Überstand verwendet werden. »Der Überstand eignet sich zum Trinken bei Beschwerden im Mund. Der Schleim wird erwärmt; Patienten mit Parästhesien an Hand und Fuß baden darin ihre Gliedmaßen und empfinden es als angenehm«, berichtete Riedl.
Eine weitere Möglichkeit: Riedl und sein Team verarbeiten selbst Sanddorn, denn »Sanddornfruchtfleischöl wirkt antibakteriell, schmerz- und reizlindernd und beschleunigt die Granulation von beschädigter Haut und Schleimhaut«. Dazu werden zwei bis drei Tropfen Sanddornfruchtfleischöl etwa in Naturjoghurt eingerührt oder mit einem halben Löffel Leitungswasser oder Aloe-vera-Bio-Ursaft verdünnt, stellte er seine Rezepturen vor. Auch mit Manuka- oder Kanukaöl hat der Experte gute Erfahrungen gemacht, wenn es mit warmem Leitungswasser gemischt wird. Die Mischung eigne sich zum mehrmals täglichen Schlucken oder Gurgeln.
Für die regelmäßige Anwendung antiseptischer Lösungen gibt es keine Evidenz und auch keine generelle Empfehlung für Corticoid-haltige Mundspüllösungen zur Prophylaxe. Schließlich seien klinische Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze spärlich gesät und methodisch schwierig durchzuführen, so der Apotheker. Für nachts könnte man den Patienten ein künstliches Speichelpräparat wie Aldiamed®, Gelclair®, Caphosol®, Glandosane® oder Saliva Natura® empfehlen.
Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) sind aufgrund ihrer blutverdünnenden Wirkung eher nicht geeignet und auch meist nicht wirksam genug. Eine Ausnahme bilden alkoholfreie Benzydamin-haltige Mundspüllösungen. Die NRF-Rezepturvorschrift 7.15. (Viskose Benzydaminhydrochlorid-Mundspüllösung 0,15 % mit Lidocainhydrochlorid und Dexpanthenol) hilft weiter. Alkoholhaltige Therapeutika wie Tantum verde® sind weniger empfehlenswert bei dieser Indikation.
Auch Opiate haben ihren Platz in der Therapie von Mundschleimhautentzündungen, und zwar in Form von Lösungen und Spülungen. So sind einige Kliniken dazu übergegangen, den entzündeten Mund- und Rachenraum mit verdünnten Morphinlösungen zu spülen oder mit Rezepturen von Opiaten in mukoadhäsiven Grundlagen zu versorgen. Möglich ist dieser Therapieansatz, weil Opiate nicht nur zentral wirksam sind, sondern auch in peripheren Geweben an Rezeptoren binden. Infrage kommen etwa das Morphinsulfat-haltige Fertigarzneimittel Oramorph®-Lösung sowie die NRF-Rezepturvorschrift 2.4. (Viskose Morphinhydrochlorid-Lösung 2 mg/ml oder 20 mg/ml). In den USA wird auch eine Ketamin-haltige Mundspüllösung in Konzentration von 0,4 bis 1,0 Prozent eingesetzt.
Risikofaktoren wie schlechte Mundhygiene und Mundtrockenheit sind anzugehen, bevor eine potenziell schleimhautschädigende Therapie ansteht. Ein Zahnarztbesuch mit professioneller Zahnreinigung und Glätten von scharfen Zahnkanten sollten vor Therapiebeginn auf dem Programm stehen. Der Zahnarzt überprüft dabei auch Prothesen auf Druckstellen. Der Patient sollte täglich seine Mundschleimhaut inspizieren und bei Auffälligkeiten frühzeitig seinen Onkologen darauf ansprechen.
Eine gute und vorsichtige Mund- und Zahnpflege sind unabdingbar: Zähneputzen mit einer weichen Zahnbürste und milden Zahnpasta nach jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen sowie eine vorsichtige Reinigung der Zahnzwischenräume. Und: Wer bislang sehr nachlässig mit Zahnseide und Interdentalbürsten war, sollte damit nicht vor einer Tumorbehandlung beginnen, da anfangs häufiger Mikrotraumata und Zahnfleischblutungen auftreten können.