Wehe, wenn es aufwacht |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 28.03.2025 18:00 Uhr |
Die Mechanismen, wie EBV eine Autoimmunität über MS hinaus begünstigen kann, beschrieben Professor Dr. William H. Robinson und Kollegen von der Stanford University 2024 in einem Übersichtsartikel in »Nature Reviews Rheumatology«.
Demnach gebe es mehrere, sich nicht ausschließende Mechanismen, durch die EBV die Autoimmunität verstärken könnte, darunter eine Reprogrammierung der B-Zellen, Immunevasion oder die lytische Reaktivierung des Virus. So scheint eine EBV-Reaktivierung mit dem Ausbruch oder dem Aufflackern von Autoimmunkrankheiten verbunden zu sein. Hinweise darauf gibt es etwa für Systemischen Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis und das Sjögren-Syndrom. Eine Rolle könnte die Beeinflussung des Immunsystems spielen: So hemmen mehrere EBV-Genprodukte der latenten und lytischen Phase die angeborenen oder adaptiven Immunantworten des Wirts. EBV unterdrückt nachweislich die Expression und Funktion antiviraler Botenstoffe, die durch Toll-like-Rezeptoren und andere angeborene Immunwege induziert werden.
Zudem programmiere das Virus B-Zellen um, berichten die Autoren. EBV infiziert naive B-Zellen, die zu aktiven, proliferierenden Lymphoblasten werden, die in Keimzentren eindringen und sich dort ausbreiten. Infizierte B-Zellen können aber auch als ruhende B- Gedächtniszellen in das Blutsystem gelangen, wo das Virus in einem latenten Zustand verbleibt. EBV kontrolliert die B-Zellen über seine Latenz-Gene und immortalisiert sie, macht sie also unsterblich, um möglichst gut persistieren zu können.
Das stört nicht nur die Immunreaktionen des Wirts, sondern fördert auch die Krebsentstehung. Befallene Lymphozyten, aber auch EBV-infizierte Epithelzellen sind mit verschiedenen Krebsarten assoziiert. Die Mechanismen, die zur Autoimmunität führen, könnten ähnlich sein wie die, die zur Krebsentstehung beitragen, vermuten die Autoren.
Auch bei der Krebsentstehung müssen zur EBV-Infektion noch weitere Faktoren wie genetische Ausstattung und externe Faktoren hinzukommen. Inzwischen sind einige Mechanismen bekannt, die zur Onkogenese beitragen. So kann das Virus angeborene und adaptive Immunreaktionen wirksam vereiteln, die Apoptose hemmen und die Zellproliferation und Angiogenese fördern.
Eine zentrale Rolle spielen dabei virale Onkoproteine wie LMP1 (Latentes Membranprotein 1) und LMP2A, die wichtige zelluläre Signalwege wie NF-κB aktivieren, Wachstumsfaktoren hochregulieren und so das Zellwachstum fördern. Zudem stört das Virusprotein BNRF1 die Bildung der Spindelpole in der Zellteilung und damit die Chromosomenverteilung – eine weitere Krebsursache. Langfristig führt diese Kombination aus gesteigerter Zellproliferation, Immunevasion und genetischer Instabilität dazu, dass sich Mutationen anhäufen und Krebs entstehen kann.
Deutsche Forschende konnten zudem zeigen, dass eine Krebserkrankung nach EBV-Infektion auch vom Virusstamm abhängt: Verschiedene Virusstämme haben unterschiedliche Eigenschaften und können zu verschiedenen Erkrankungen führen (»Cell Reports«, 2013, DOI: 10.1016/j.celrep.2013.09.012).