Was weiß man über die Omikron-Variante XBB.1.5? |
Theo Dingermann |
04.01.2023 16:30 Uhr |
XBB.1.5 scheint sich viel schneller zu verbreiten als bisher dominante Varianten. Dort, wo die neue Corona-Variante bereits dominant wird, steigen auch die Krankenhauseinweisungen. / Foto: Adobe Stock/Boon
Innerhalb der Omikron-Linie wurden bisher mehr als 650 Untervarianten identifiziert. Viele dieser Varianten sind nur aus phylogenetischer Sicht relevant. Aber einige verdienen besondere Beachtung. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sie entweder durch eine starke Immunflucht oder durch eine besonders schnelle Verbreitung auffallen. Eine Variante, die beide Eigenschaften aufweist, ist die Omikron-Variante XBB.1.5. Diese breitet sich gerade mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit vor allem im Nordosten der USA und im Vereinigten Königreich aus. Da stellt sich die Frage: Was weiß man über diese Variante?
XBB ist ein Abkömmling des Omikron-BA.2-Virus. Es wundert vielleicht, dass nicht auch der Name dieser Variante mit einem »B« beginnt. Der Grund liegt darin, dass XBB.1.5 durch Rekombination zweier BA.2-Varianten hervorgegangen ist. Konkret haben hier die beiden Viren BA.2.10.1.1, das auch unter dem Namen BJ.1 bekannt ist, und BA.2.75.3.1.1.1, das auch als BM.1.1.1 firmiert, ihr genetisches Material ausgetauscht. Dies wird gut in einen Tweet der Virologin Dr. Emma Hodcroft erklärt.
Somit deutet das »X« in »XBB« an, dass es sich um eine rekombinante Virusvariante handelt, die durch Austausch der genetischen Information zweier anderer Varianten entstanden ist. XBB.1 wurde dann als erster Nachkomme von XBB identifiziert, und XBB.1.5 ist der fünfte Nachkomme von XBB.1.
XBB.1.5 fällt vor allem auch deshalb auf, weil dieses Virus so extrem gut übertragbar ist. Momentan verbreitet sich XBB.1.5 in den USA deutlich schneller als beispielsweise die Variante BQ.1.1, die bis vor kurzem in den USA dominierte. Interessant ist, dass man ziemlich genau weiß, woran das liegt.
Wie bereits erwähnt, ist XBB.1.5 ein Nachkomme von XBB.1, das wiederum von XBB abstammt. Die elterlichen XBB- und XBB.1-Varianten waren bereits bemerkenswert, weil erhebliche Immunfluchteigenschaften aufwiesen. Allerdings waren XBB und XBB.1 nicht so infektiös wie XBB.1.5.
Für beide Eigenschaften – Immunflucht und Infektiösität – ist vor allem eine Position in der Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von besonderer Bedeutung. Dies ist die Position 486. In XBB/XBB.1 wurde die Aminosäure Phenylalanin (F) durch die Aminosäure Serin (S) ersetzt (F486S-Mutation). Diese Mutation von TTT (F) —> TCT (S) ist für das Virus wichtig, um einer etablierten Immunität und der Wirksamkeit praktisch aller zugelassenen monoklonalen Antikörper zu entkommen.
Allerdings wird dieser Vorteil dadurch erkauft, dass sich die Affinität zum ACE2-Rezeptor abschwächt. Mit anderen Worten: Das Virus ging einen evolutionären Kompromiss ein, indem es die Immunflucht optimierte, die Infektiosität, die über die ACE2-Affinität entscheidend vermittelt wird, aber schwächte.
Dieser Kompromiss wurde nun durch die XBB.1.5-Variante korrigiert. Denn diese Variante trägt an Position 486 die Aminosäure Prolin (F486P-Mutation). Ein solcher Austausch ist in einer einzigen Mutationsrunde evolutionär äußerst selten, denn er erfordert zwei Basensubstitutionen. Das Triplett TTT (F) muss nach CCT (P) geändert werden. Diese Mutation war nur über den Zwischenschritt, der in XBB/XBB.1 realisiert ist, möglich.
Als Konsequenz der F486P-Mutation besitzt das XBB.1.5-Virus eine sehr starke Affinität zum ACE2-Rezeptor, es bleiben dabei aber auch die Immunfluchteigenschaften erhalten. Daten dazu wurden jetzt in einen Manuskript publiziert, das ein Autorenteam aus der Gruppe um Professor Dr. Yunlong Cao vom Biomedical Pioneering Innovation Center (BIOPIC) an der Universität Peking auf dem Preprint-Server »Biorxiv« eingestellt hat.