Was ist dran am Antigen-Impfstoff? |
Christina Hohmann-Jeddi |
09.03.2021 15:30 Uhr |
Protein-Subunit-Impfstoffe sind ein altes Prinzip, das betont auch Petra Falb, Gutachterin in der Zulassung für Impfstoffe beim österreichischen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), in ihrem Blog. Sowohl Grippe-Impfstoffe als auch HPV- und Hepatitis-Vakzinen basieren auf diesem Prinzip.
Bei der Herstellung des Impfantigens sei einiges zu beachten, gibt sie zu Bedenken. So werden solche Antigene rekombinant (gentechnisch) hergestellt. Dies bedeutet, dass ein viraler Vektor die Geninformation für das Antigen in eine geeignete Zelllinie einschleusen muss, die dann das Protein oder Proteinfragment herstellt. »Die Kontrolle solcher Zellen und auch der betreffenden Expressionssysteme plus der bei diesem Vorgang verwendeten Materialien, die meist zum Teil aus Tieren gewonnen werden, stellen einen sehr kritischen und heiklen Punkt in der Impfstoffherstellung dar, da all dies mit Fremdviren oder Mykoplasmen kontaminiert sein kann, ist es sehr wichtig, dass all dies gut charakterisiert und genetisch stabil ist«, schreibt Falb. Welche Systeme und Zelllinien bei Stöckers Vakzine verwendet werden, sei nicht erwähnt, kritisiert die Expertin. Überwacht wurde die Herstellung auch nicht.
Diese Art der Impfstoff-Herstellung ist zudem nicht einfacher und schneller als bei mRNA-Impfstoffen. Im Gegenteil: Die schnelle und einfache synthetische Produktion von mRNA-Impfstoffen, für die keine Zellen zur Vermehrung benötigt werden, gilt als einer der großen Vorteile dieser Impfstoffklasse (»Nature« 2018).
Da reibt man sich schon die Augen, wenn man liest, dass ein Unternehmer und Medizinprofessor beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mit der Bitte vorstellig wird, einem von ihm entwickelten und produzierten »Impfstoff« gegen Covid-19 die Zulassung zu erteilen. Dies umso mehr, als man in den einschlägigen Quellen vergeblich nach dieser Impfstoffentwicklung sucht.
Wie sich herausstellt, hat dieser durchaus erfolgreiche Unternehmer die Rezeptor-Bindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 rekombinant hergestellt und isoliert und dieses Antigen dann im Selbstversuch getestet. Wenig überraschend konnte er dann nach kurzer Zeit auch Antikörper in seinem Blut nachweisen.
Schon ein solcher Selbstversuch löst bei mir Entsetzen aus. Dass dieser Molekularbiologe dann aber hingeht und knapp 100 weitere Menschen in seinem direkten Umfeld mit dieser Präparation »impft«, ist absolut verantwortungslos. Der Professor spricht dann auch noch beim PEI vor, was einer Selbstanzeige gleichkommt, da er bei der Entwicklung seines Antigen-Impfstoffs alle Konventionen und Vorschriften der Arzneimittelzulassung ignoriert hat. Man kann froh sein, dass das PEI darauf mit einer Anzeige reagiert hat.
Denn so wie Herr Stöcker meint, geht es nicht. Wer Gesetze nicht beachtet oder diese bricht, muss mit Strafverfolgung rechnen. So einfach ist das, auch wenn Teile der Presse mit Entrüstung reagieren.
Denn nicht umsonst ist die Zulassung von Impfstoffen, die ja bei gesunden Menschen prophylaktisch angewendet werden sollen, noch strenger geregelt als bei anderen Medikamenten. Wo sind die analytischen Daten, wo die toxikologischen Untersuchungen? Wo wurde das Antigen in den klinischen Phasen I bis III getestet? Sind die Antikörper, die tatsächlich nachgewiesen wurden, auch neutralisierende Antikörper? Und entfaltet eine Immunisierung mit diesem Antigen eine schützende Immunantwort?
Aus pharmazeutischer Sicht kann man über diese Naivität nur staunen. Dies sollten sich auch diejenigen zu Herzen nehmen, die Sympathie für den Unternehmer hegen, auch vor dem Hintergrund, wie kritisch von vielen der Astra-Zeneca-Impfstoff gesehen wird, der ein Vorschriften-konformes Test- und Zulassungsverfahren durchlaufen hat und seine Wirksamkeit mittlerweile eindeutig bewiesen hat.
Professor Dr. Theo Dingermann, PZ-Senior Editor
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.