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Diabetespatienten
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Was im Alter zu beachten ist

Polymedikation, Multimorbidität, körperliche und geistige Einschränkungen sowie ein erhöhtes Sturzrisiko sind Faktoren, die bei der Therapie von alten Menschen mit Diabetes mellitus zu berücksichtigen sind. Die Vermeidung von Hypoglykämien und der Erhalt der Lebensqualität stehen im Fokus, auch in der pharmazeutischen Beratung.
AutorKontaktKatja Renner
Datum 11.04.2024  07:00 Uhr

Aktuell sind 8,5 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus erkrankt, 95 Prozent von ihnen am Typ 2 (1). Unter den chronischen Erkrankungen im Alter ist Typ-2-Diabetes eine der häufigsten. Im Alter zwischen 80 und 89 Jahren ist die Prävalenz am höchsten, jeder Vierte in dieser Altersgruppe leidet daran (2).

Die Herausforderung in der medizinischen und pharmazeutischen Betreuung dieser Patientengruppe besteht darin, den häufigen körperlichen Veränderungen, zum Beispiel Kognitionseinschränkungen, Immobilität, Gebrechlichkeit, aber auch Multimorbidität, Polymedikation und Pflegebedürftigkeit, individuell zu begegnen. Deshalb ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheker und Pflege, die den Patienten in den Mittelpunkt stellt, unverzichtbar.

Gemäß der im Mai 2023 aktualisierten Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Diabetes (3) sind die Therapieziele gemeinsam mit dem Patienten nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung auf Basis des persönlichen Risikoprofils zu vereinbaren. In der Versorgungsrealität sind bei älteren Patienten oft auch Betreuungspersonen oder Angehörige miteinbezogen. Konkret bedeutet dies, dass Arzt und Patient gemeinsam nach geteilter Information über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten die Art der Therapie und deren Ziele vereinbaren.

Der Sinn dieses Prinzips ist es, den Patienten verantwortlich in die Entscheidung einzubeziehen, sein Therapieverständnis zu fördern und die Adhärenz sicherzustellen. Ist das aufgrund von kognitiven Einschränkungen nicht möglich, können Angehörige oder Betreuer hinzugezogen werden oder der Arzt muss die Entscheidung für den Patienten treffen.

Geriatrisches Assessment

Für eine sichere Therapieplanung ist es sinnvoll, die Fähigkeiten und Defizite des Patienten mit einem geriatrischen Assessment festzustellen. Entsprechend der Einstufung wird abgewogen, wie die Therapie umgesetzt werden soll und ob dazu Unterstützung benötigt wird. Die Vermeidung von Hypoglykämien und die Stärkung der individuellen Lebensqualität stehen im Vordergrund.

Die Praxisempfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft schlägt eine Einteilung der Patienten in funktionelle Gruppen vor (Tabelle 1).

Ältere Diabetiker mit kognitiven Einschränkungen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für schwere Hypoglykämien; andererseits belastet eine schlechte Stoffwechsellage die geistige Leistungsfähigkeit. Der behandelnde Arzt muss den Patienten nicht nur krankheitsgemäß, sondern auch geriatrisch einstufen, um zu erfassen, in welchem Maß dieser seine Diabetestherapie noch selbstständig umsetzen kann. Dafür eigen sich geriatrische Assessments:

  • Der Barthel-Index erfasst die Aktivitäten des täglichen Lebens.
  • Der »Timed Up & Go«-Test misst die Mobilität und Sturzgefahr.
  • Der Geldzähltest überprüft kombiniert die Fähigkeiten, mit Zahlen umzugehen, die Feinmotorik, Sehfähigkeit und Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit.
Einteilung Patientenbeschreibung HbA1c-Zielkorridor (Prozent)
funktionell unabhängig ältere Menschen mit Diabetes und gutem funktionellen Status,
Patienten mit geringer Komorbidität, allenfalls geringer kognitiver Einschränkung und guten Kompensationsmöglichkeiten
≤7,5
funktionell leicht abhängig ältere Menschen mit Diabetes und eingeschränktem funktionellen Status,
Patienten mit Multimorbidität, funktionellen und kognitiven Einschränkungen sowie geriatrischen Syndromen
≤8,0
funktionell stark abhängig ältere Menschen mit Diabetes und extrem eingeschränktem funktionellen Status oder terminal erkrankte Menschen,
Patienten mit Multimorbidität, geriatrischen Symptomen, ausgeprägten funktionellen und kognitiven Einschränkungen sowie Erkrankungen mit limitierter Lebensprognose wie terminale Herz-, Nieren- oder Tumorerkrankungen
≤8,5
Lebensende Menschen, die sich in der unmittelbaren Sterbephase befinden HbA1c sekundär, Ziel Symptomfreiheit
Tabelle 1: Einteilung älterer Patienten in funktionelle Gruppen und empfohlene HbA1c-Zielkorridore; nach (4)

Therapieziele

Der HbA1c-Wert ist eine wichtige Größe zur Definition eines Therapieziels bei Diabetes. Im Alter hat das Erreichen möglichst niedriger HbA1c-Werte jedoch nicht mehr die höchste Priorität. Im Gegensatz zu jüngeren Menschen mit hoher Lebenserwartung birgt eine schärfere Einstellung der Therapie mit Insulin beim alten Menschen zum Beispiel ein höheres Risiko für Hypoglykämien und Stürze.

Die Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt sogenannte Zielkorridore von HbA1c-Werten nach dem Grad der Funktionalität und unter Vermeidung von Hypoglykämien. So wird beispielsweise bei einem alten Menschen, der als funktionell stark abhängig eingestuft wird, ein Zielwert unter 8,5 Prozent definiert (Tabelle 1). Dies wäre für junge Patienten aufgrund der Entwicklung von Folgeschäden viel zu hoch.

Nicht nur bei kurzer Lebenserwartung, sondern auch bei Komorbidität, Polymedikation, hohem Risiko für Hypoglykämien und Nebenwirkungen oder starker Belastung durch die Therapie wird man eher einen höheren HbA1c-Zielwert akzeptieren. Dies gilt ebenso bei geringen Ressourcen und wenig Unterstützung des Seniors, stark eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten und langer Diabetesdauer.

Apothekenteams sollten diese Empfehlungen kennen, um Patienten oder Angehörige bei der Bewertung von Laborwerten nicht mit fehlerhaften Therapiezielen zu irritieren.

Da viele betagte Menschen ein metabolisches Syndrom haben, also zusätzlich zum Diabetes unter Hypertonie, Adipositas und Hypercholesterolämie leiden, müssen auch diese Erkrankungen behandelt und kontrolliert werden. So rät die European Society of Cardiology, den systolischen Blutdruck bei Patienten zwischen 60 und 80 Jahren unter 140 mmHg und bei Über-80-Jährigen unter 150 mmHg zu senken. Menschen mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko sollten bei einer Dyslipidämie auf LDL-Werte unter 55 mg/dl eingestellt werden. Alternativ sollte eine LDL-Cholesterol-Reduktion um mindestens 50 Prozent angestrebt werden.

Nichtmedikamentös als Basis

In jedem Lebensalter bilden Bewegung, Ernährung und Lebensstiländerungen die Grundlage der antidiabetischen Therapie. Aufgrund von Gebrechlichkeit, Fehlernährung, Immobilität und Pflegebedürftigkeit sind die nichtmedikamentösen Maßnahmen bei Senioren jedoch sehr oft limitiert.

Die Bewegung sollte an die Möglichkeiten des Patienten angepasst sein. Gehhilfen wie Rollator und Stock unterstützen die eigenständige Bewegung. Günstig wirkt sich ein gemäßigtes Kraft- und Ausdauertraining aus, dies bieten Fitnessstudios für ältere Menschen angeleitet an. Weitere Möglichkeiten: täglich 20 Minuten mit dem Rollator spazieren gehen oder 15 Minuten auf einem Ergometer trainieren.

Das Sturzrisiko sollte in diesem Zusammenhang bei geriatrischen Menschen überprüft werden. Ältere Menschen mit Diabetes sollten auf häusliche Stolperfallen in Form von Teppichen, Türschwellen und Stufen aufmerksam gemacht werden. Bei Polymedikation sollten Apotheker auch an andere Arzneistoffe denken, die die Sturzneigung erhöhen können, zum Beispiel Antihypertonika, Antipsychotika oder Hypnotika.

Wenn alte Menschen sich noch selbst versorgen, ist eine optimale Nährstoffzufuhr nicht immer gewährleistet. Viele alte Menschen ernähren sich einseitig mit Schwerpunkt auf der Zufuhr von Kohlenhydraten, während vor allem die Aufnahme von Proteinen zur Erhaltung der Muskeln wichtig ist. Dazu kommt häufig ein Mikronährstoffmangel.

Eine Ernährungsberatung sollte auf eine ausgewogene Vollkost abzielen. Bei der Auswahl von Fertigprodukten sollte auf die Zusammensetzung und Energiebilanz geachtet werden. Strenge Diätvorschriften begünstigen eine Mangelernährung mit Gewichtsabnahme und sind daher bei alten Menschen zu vermeiden.

Bei untergewichtigen Personen sollten die Ursachen geklärt werden, um die Situation des Patienten zu verbessern. Die Gründe für Gewichtsabnahme sind vielschichtig: Schluckprobleme, Appetitlosigkeit, ein schlechtsitzender Zahnersatz, gastrointestinale Probleme durch Polymedikation, chronische Erkrankungen, mangelnde Fähigkeit der eigenen Versorgung, Schmerzen und Einsamkeit sind einige Beispiele. Mit hochkalorischer Nahrung lässt sich möglicherweise gegensteuern.

Orale antidiabetische Medikation

Erreicht der Patient die Therapieziele mit diesen Allgemeinmaßnahmen nicht, sollten Medikamente angesetzt werden. Ein aktueller Medikationsplan und etliche Alltagshilfen können die Therapie erleichtern und sicherer machen (Kasten).

Metformin ist auch bei älteren Menschen das Mittel der Wahl zum Therapiestart. Die Kombination mit SGLT2-Inhibitoren wie Dapagliflozin und Empagliflozin oder GLP-1-Analoga wie Dulaglutid, Exenatid, Liraglutid und Semaglutid wird laut NVL direkt empfohlen, wenn klinisch relevante kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen vorliegen. Metformin hemmt die Glukoneogenese in der Leber, verzögert die Aufnahme von Glucose im Darm und erhöht die Glucosesensitivität. Insgesamt ist es gut verträglich.

Die Dosis wird an die aktuelle Nierenfunktion angepasst. Die maximale Tagesdosis beträgt 3000 mg laut Fachinformation. Metformin kann bis zu einer glomerulären Filtrationsrate von >30 ml/min in einer maximalen Dosis von 1000 mg verordnet werden, verteilt auf zwei Einzeldosen. Bei einer schlechteren Nierenfunktion ist es aufgrund des Risikos einer Lactatazidose kontraindiziert.

Metformin sollte möglichst niedrig dosiert eingeschlichen werden, um gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhöen zu vermeiden. Die Verträglichkeit wird zudem durch die Einnahme nach der Mahlzeit verbessert.

Während der Behandlung ist die Nierenfunktion zu überwachen. In Situationen, in denen das Risiko für eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion möglich ist, zum Beispiel bei Operationen oder Untersuchungen mit Röntgenkontrastmitteln, sollte Metformin pausiert werden.

SGLT2-Hemmer werden bei kardiovaskulären und renalen Begleiterkrankungen möglichst sofort in Kombination mit Metformin als Erstlinientherapie eingesetzt, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Erreichung der Therapieziele nicht ausreichen. Sie sind mittlerweile fester Bestandteil der leitliniengerechten Therapie bei Herzinsuffizienz. Die Arzneistoffe bergen kein Risiko für Hypoglykämien und unterstützen die Gewichtsabnahme. In der Beratung sollte das Apothekenteam auf das Risiko für urogenitale Infektionen, Exsikkose, vermehrtes Wasserlassen und Blutdrucksenkung hinweisen. Elektrolytverschiebungen sind unter SGLT2-Hemmern nicht zu befürchten.

Auch DPP-4-Hemmer wie Sitagliptin können bei Älteren eingesetzt werden. Sie haben nur ein geringes Hypoglykämierisiko, sind gewichtsneutral und können bei Niereninsuffizienz gegeben werden.

GLP-1-Analoga

GLP-1-Analoga dienen bei älteren Menschen mit Typ-2-Diabetes der Therapieintensivierung. Sie haben ebenfalls fast kein Hypoglykämierisiko und unterstützen eine Gewichtsreduktion, die bei übergewichtigen Patienten zu den Therapiezielen gehört. Sie werden bei renalen oder kardiovaskulären Komorbiditäten empfohlen. Vorteilhaft gegenüber der Insulintherapie ist die nur einmal wöchentliche Injektion, zum Beispiel von Semaglutid.

Insbesondere zu Beginn der Behandlung können gastrointestinale Beschwerden auftreten. Auch bei Dosiserhöhungen können sich eine Zeitlang Übelkeit und Erbrechen einstellen. Ein guter Hinweis zur Vermeidung dieser Nebenwirkungen ist es, kleine leichte Mahlzeiten zu essen. Pflanzliche Karminativa können die Beschwerden lindern und die Motilität des Magens verbessern.

Insuline: wann, wie und womit?

Die Insulintherapie kommt zum Einsatz, wenn Lebensstiländerungen und die genannten Antidiabetika nicht zum Therapieerfolg führen oder Kontraindikationen bestehen. Vor dem Therapiebeginn ist zu entscheiden, ob diese als Ergänzung zu oralen Antidiabetika oder als Monotherapie verordnet werden soll.

Alte Menschen haben meistens einen regelmäßig gleichen Tagesablauf, sodass sich eine konventionelle Therapie mit festen Insulindosen ein- bis zweimal täglich empfiehlt (Kasten). Auch ist es denkbar, dass Patienten, die bisher eine intensivierte Insulintherapie gespritzt haben, wegen nachlassender kognitiver Fähigkeiten auf die konventionelle Therapie umgestellt werden.

Der Arzt sollte vorab feststellen, ob der Patient die kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten hat, um die Therapie selbstständig umzusetzen. Beispielsweise fehlt alten Menschen oft die Kraft oder das Sehvermögen, um den Insulinpen mit der richtigen Dosierung auszulösen und die Pennadeln eigenständig zu wechseln. Bei einer Neueinstellung sollte der Patient von einer Diabetesberaterin intensiv geschult werden.

Für Menschen mit Typ-1-Diabetes mellitus bedeutet das Altwerden möglicherweise auch eine Anpassung der Insulintherapie. Personen, die auf Closed-Loop-Systeme eingestellt sind, können damit auch im Alter zunächst weiterversorgt werden; allerdings müssen demente Patienten von geschulten Fachkräften beim Management unterstützt werden. Gegebenenfalls ist die Umstellung auf eine konventionelle Insulintherapie angebracht. Aufgrund der hohen Kosten werden alte Menschen sehr selten neu auf Closed-Loop-Systeme eingestellt.

Wann der richtige Zeitpunkt bei hochbetagten Diabetes-Typ-1-Patienten ist, die Insulintherapie durch eine pflegende Person zu übernehmen, müssen Angehörige, Arzt und Patient gemeinsam entscheiden. Es gilt zu bedenken, dass auch im hohen Alter Selbstbestimmung für die Betroffenen sehr wichtig und zu respektieren ist.

Deeskalation der Insulintherapie

Eine Deeskalation der Insulintherapie ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes zu prüfen,

  • wenn die Indikation, zum Beispiel eine akute Erkrankung, metabolische Entgleisung oder Verschlechterung der Nierenfunktion, nicht mehr besteht,
  • die Zielwerte des Glucosestoffwechsels erreicht sind oder unterschritten werden,
  • Hypoglykämien auftreten oder
  • sich das individuelle Therapieziel ändert, zum Beispiel infolge von Multimorbidität.

Bei Hochbetagten und Menschen mit Typ-2-Diabetes, die an ihrem Lebensende stehen, kann die Insulintherapie reduziert oder wenn es die Stoffwechsellage erlaubt, komplett abgesetzt werden. Dies liegt in der Entscheidung des Arztes. Hier müssen Lebensqualität und Autonomie einerseits gegen schwankende Blutzuckerspiegel und Flexibilität bei der Nahrungsaufnahme andererseits abgewogen werden.

Mit Blick auf die bessere Adhärenz können einmal wöchentlich anzuwendende Fertigpens mit GLP-1-Analoga eine Alternative sein.

Das größte Problem bei der Insulintherapie ist die Gefahr für Hypoglykämien. Neue Insulinanaloga, zum Beispiel Insulin Degludec und Insulin Detemir, haben sehr lange Halbwertszeiten und stellen einen stabilen Verlauf der Glucosewerte tags und nachts sicher, ohne die Gefahr einer gravierenden Hypoglykämie.

Auf Gewichtsabnahme und Exsikkose achten

Bei älteren gebrechlichen Patienten sind Arzneimittel, die die Gewichtsabnahme fördern, zum Beispiel SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analoga, mit Vorsicht einzusetzen. Die Patienten sollten regelmäßig gewogen werden. Bei stärkerer Gewichtsabnahme ist ein Wechsel auf eine anabole Therapie mit Insulin zu überdenken.

Bekommt der Patient zusätzlich zu einem SGLT2-Hemmer noch Diuretika, ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zwischen 1,5 und 2 Litern pro Tag zu achten. Gastrointestinale Infektionen mit Diarrhö und Erbrechen, aber auch zu wenig Trinken in den warmen Sommermonaten bedeuten nicht nur die Gefahr der Entgleisung der Blutzuckerwerte, sondern auch ein hohes Risiko für Dehydrierung und Exsikkose.

Nährstoffe und Vitamine ergänzen?

Diabetespatienten entwickeln generell häufiger einen Vitamin-B12-Mangel, besonders unter lang andauernder Metformin-Therapie. B-Vitamine sind wichtig für neurologische Funktionen, insbesondere auch, wenn bereits neuropathische Schädigungen bestehen. Zusätzlich problematisch ist, dass viele ältere Menschen mit Polymedikation dauerhaft Protonenpumpenhemmer (PPI) einnehmen. Die geringere Magensäuresekretion verschlechtert die Bioverfügbarkeit von Calcium, Eisen und Vitamin B12.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt deshalb älteren Menschen, den Vitamin-B12-Status von Zeit zu Zeit überprüfen zu lassen. Bei zu niedrigem Spiegel steigen die Homocystein-Spiegel, die als Risikomarker für Herzerkrankungen und Schlaganfälle gelten. Wird ein Mangel diagnostiziert, sollte Vitamin B12 entweder mit hoch dosierten oralen Präparaten oder per subkutaner Injektion zugeführt werden. Niedrig dosierte Komplexpräparate sind eher nicht geeignet.

Ein weiteres wichtiges Vitamin für Ältere und Hochbetagte ist Vitamin D. Für diese Personengruppe gibt es eine generelle Empfehlung zur Substitution von 1000 I.E. pro Tag. Da alte Menschen nur noch eine geringe eigene Syntheseleistung aufweisen und die Umwandlung von Cholecalciferol zur aktiven Form Calcitriol in der Niere vermindert ist, sind auch Dosierungen von 2000 I.E. täglich oder die einmal wöchentliche oder zweiwöchentliche Gabe von 20.000 I.E. üblich. Über die Ernährung lässt sich die nötige Zufuhr nur schwer abdecken, da Vitamin D vorwiegend in fettem Seefisch vorkommt.

Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, das bei Diabetes weiter steigt. Menschen mit Typ 1 haben eher eine geringere Knochendichte und sind daher anfälliger für Frakturen. Generell besteht unter Hypoglykämien ein erhöhtes Sturzrisiko, sodass die Knochengesundheit ein wichtiges Thema ist. Außerdem ist Vitamin D an der Calcium-Regulation in Knochenstoffwechsel und Blut beteiligt. Ein Vitamin-D-Mangel begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Deshalb ist es sinnvoll, in der Apotheke nach der Zusammensetzung der täglichen Mahlzeiten zu fragen. Daraus lässt sich ableiten, ob auch weitere Mikronährstoffe, zum Beispiel Jod, Magnesium oder Folsäure, fehlen könnten.

Angebote der Apotheke

Eine Diabetestherapie ist komplex. Komplizierte Arzneimittel, Kontrolle der Blutzuckerwerte und Polymedikation stellen besonders alte Menschen vor eine große Herausforderung. Daher sollten Apotheker die pDL »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« anbieten, wenn Patienten mehr als fünf systemisch wirkende Medikamente in der Dauermedikation haben. Dabei wird der Medikationsplan mit der tatsächlich eingenommenen Medikation abgeglichen, eventuell unter Arztrücksprache aktualisiert und die Gesamtmedikation auf definierte arzneimittelbezogene Probleme überprüft.

Werden Insulinpens benutzt, sollte sich das Apothekenteam die konkrete Anwendung zeigen lassen. Was ist hierbei besonders wichtig: Kann der Senior das Dosierungsfenster klar ablesen, beherrscht er den Auslösevorgang und kann er regelmäßig die Nadeln nach jedem Spritzen wechseln?

Hinweise zu Ernährung, Bewegung, Sturzprophylaxe und Prävention von Folgeerkrankungen des Diabetes sollten eingebunden werden.

Wichtig ist es, bei insulinpflichtigen Patienten die Sensibilisierung für Hypoglykämien zu schulen. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass ausgelassene Mahlzeiten, Überdosierungen von Insulin oder Infekte ein Risiko für Unterzuckerungen darstellen. Hunger, Schwitzen und Herzrasen sind typische Anzeichen, die eine Messung des Blutzuckers erforderlich machen. Patienten und ihre Angehörigen sollten wissen, dass Betablocker die Hypoglykämie-Symptome maskieren können und dass flüssige Zuckerlösungen oder Traubenzucker für den Notfall immer griffbereit sein sollten.

Häufige diabetesbedingte Komplikationen, die im Alter oftmals bereits manifest sind, sind mikro- und makrovaskuläre sowie neuropathische Schäden. Eine jährliche Kontrolle der Augen, Nieren, Nerven und Gefäße ist daher dringend zu empfehlen.

Wenn Diabetespatienten in der Selbstmedikation Wünsche äußern, sollte das Apothekenpersonal immer hinterfragen, ob es sich um akute Beschwerden handelt oder ob diese bereits chronisch bestehen und mit einer schlechten Blutzucker-Einstellung in Zusammenhang stehen können. Beispiele sind chronische Wundheilungsstörungen, Missempfindungen in den Füßen aufgrund einer diabetischen Neuropathie oder Pilzinfektionen. Hier kann die Apotheke ihre Lotsenfunktion nutzen, die Grenzen der Selbstmedikation erkennen und den Patienten, wenn nötig, an den Arzt verweisen.

Patientenfall aus der Praxis

Eine Patientin, 78 Jahre, kommt zur Medikationsanalyse in die Apotheke. Sie war bis vor einer Woche wegen einer Knieoperation im Krankenhaus. Die Frau berichtet, dass sie aufgrund der gestiegenen Blutzuckerwerte ein neues Medikament erhalten habe. Als Erstes vergleicht die Apothekerin die Medikation (Tabelle 2).

Dabei ergibt sich, dass wegen der Herzinsuffizienz und der verschlechterten Blutzuckerwerte Empagliflozin neu angesetzt wurde. Gegen die Schmerzen nach der Operation sollte die Patientin eine Woche lang Ibuprofen 600 mg gemeinsam mit Pantoprazol einnehmen. Auf Nachfrage berichtet die Frau, dass sich ihre Nierenwerte verschlechtert hätten. In den Laborbefunden findet die Apothekerin eine eGFR von 40 ml/min. Sie rät der Patientin wegen der Wechselwirkung von Ibuprofen, Ramipril und Torasemid zu einer Überwachung der Nierenwerte beim Hausarzt. Eine dauerhafte Einnahme von Ibuprofen oder anderen NSAR sei nicht zu empfehlen. Gegen Schmerzen könne der Hausarzt jedoch Novaminsulfon verordnen.

Medikation vor dem Krankenhaus nach dem Krankenhaus
Ramipril 5 mg 1-0-0-0 1-0-0-0
Bisoprolol 5 mg 1-0-0-0 1-0-0-0
Torasemid 5 mg 1-0-0-0 1-0-0-0
Metformin 1000 mg 1-0-1-0 500 mg 1-0-1-0
Alendronsäure alle 7 Tage alle 7 Tage
Dekristol 20.000 IE alle 14 Tage alle 14 Tage
Ibuprofen 600 mg 1-1-1-0
Empagliflozin 10 mg 1-0-0-0
Pantoprazol 40 mg 1-0-0-0
Tabelle 2: Medikation der Patientin im Fallbeispiel vor und nach dem Klinikaufenthalt

Aufgrund der verminderten Nierenfunktion wurde vermutlich die Dosierung von Metformin halbiert, um das Risiko einer Lactatazidose zu senken.

Eine Information zu dem neuen Diabetesmedikament hat die Patientin nicht erhalten. Die Apothekerin nutzt die erweiterte Medikationsberatung dazu, die Wirkweise von Empagliflozin zu erläutern und auf die Trinkmenge hinzuweisen, da Empagliflozin die Flüssigkeitsausscheidung erhöht. Aufgrund der vermehrten Ausscheidung von Glucose über den Urin rät sie der Patientin, besonders auf die Hygiene nach dem Wasserlassen zu achten, um mögliche Pilzinfektionen im Genitalbereich zu vermeiden.

Abschließend bestärkt die Apothekerin die Patientin bezüglich der Vitamin-D-Einnahme, um ihre Knochengesundheit zu stärken. Sie weist sie außerdem auf die Einnahme von Alendronsäure nüchtern mit einem Glas Leitungswasser mit einem Abstand von mindestens 30 Minuten vor der nächsten Mahlzeit hin. Aufgrund der Einnahme von Metformin und dem Protonenpumpenhemmer bietet sie zusätzlich noch ein Vitamin-B12-Präparat an, da Diabetespatienten hier häufig einen Mangel aufweisen.

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