Was bedeutet die EU-Krisenstelle HERA für Apotheken? |
Jennifer Evans |
23.01.2023 18:00 Uhr |
Deutlich spricht sich die PGEU allerdings dagegen aus, für die Zwecke der HERA Daten der European Medicines Verification Organisation (EMVO) zu nutzen. Sie vertritt die Interessengruppen derer, die sich für den Schutz der legalen Lieferkette vor gefälschten Arzneimitteln einsetzen. Zugleich betreut die Organisation das European Medicines Verification System (EMVS). Dieses wiederum checkt die Echtheit von Medikamenten mittels End-zu-End-Überprüfung.
Das Problem dieser Daten ist: Was nicht da ist, sieht man nicht. Weder Apotheker noch Großhändler haben die Pflicht zu verifizieren und nicht verifizierte Packungsdaten tauchen entsprechend dann auch nicht im System auf. Und selbst wenn sie verifiziert wurden, bleibt unklar, in welchem Land sich die Schachtel aktuell befindet. Außerdem können Krankenhäuser ganze Chargen auf einmal verifizieren, ohne dass sie die Packungen schon abgegeben haben. Die EMVO-Daten eignen sich also nicht als Tool, um den Bestand zu ermitteln. Daher hält die PGEU es für die bessere Möglichkeit, konkrete Engpässe etwa anhand der ungedeckten Nachfrage festzumachen.
Es gibt aber womöglich noch einen weiteren Grund, weshalb die EMVO-Daten einen Beigeschmack haben. Das deutsche Fälschungsschutzsystem Securpharm ist Teil dieses europäischen Netzwerks und über einen EU-HUB, dem Knotenpunkt aller Arzneimittelbewegungen, auch mit allen nationalen Systemen der EU-Mitgliedstaaten verbunden. Und die EMVO ist Betreiber dieses EU-HUBs. Da lassen sich schnell Analogien ziehen: Im Securpharm-System ist jede einzelne Apotheke identifizierbar. Bei einem Fälschungsverdacht dürfen die Behörden nämlich alles sehen, was zur Überprüfung der Delegierten Verordnung der EU-Kommission aus dem Jahr 2015 nötig ist. Also unter anderem Prüfpfade sowohl eskalierter als auch gelöster Alarme abfragen. Was bedeutet das nun, wenn für die HERA ebenfalls die EMVO-Daten zum Einsatz kommen?
Auch vor diesem Hintergrund hält es die Vertretung der Apotheker in Europa für extrem wichtig, dass Heilberufler zum HERA-Krisenstab gehören. Derzeit ist nur eine »enge Kooperation mit den Beteiligten« vorgesehen. Bloße »geladene Gäste« wollen die Apotheker aber nicht sein, wie sie in ihrem Positionspapier betonen. Denn mit ihrer Kompetenz ließe sich vor allem doppelte Arbeit vermeiden. Ohnehin sind die derzeitigen Zuständigkeiten der einzelnen EU-Einrichtungen in Bezug auf HERA der PGEU noch zu wage abgegrenzt. Sie pocht daher auf eine klare Aufgabenverteilung.
Insbesondere weil sich in diesem Bereich gleich mehrere Einrichtungen tummeln und es leicht zu Überschneidungen kommen kann. Zu nennen wäre allen voran die European Medicines Agency (EMA) und das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Die EMA ist für die wissenschaftliche Beurteilung, Überwachung, Kontrolle und Sicherheit von Arzneimitteln zuständig. Und seit Kurzem auch für die Risikoüberwachung von Versorgungsengpässen bei kritischen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Das ECDC darf zwar bei Bedrohungen durch übertragbare Krankheiten agieren, aber nicht bei anderen Gesundheitsgefahren oder bei der Beschaffung, Entwicklung oder Herstellung medizinischer Gegenmaßnahmen.
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