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Covid-19

Warum wir verschiedene Coronavirus-Impfstoffe brauchen

Derzeit finden sich mehr als 100 potenzielle Impfstoffe gegen das neue Coronavirus in der Entwicklung. Wieso es sinnvoll ist, sich nicht nur auf einen Kandidaten zu konzentrieren.
Daniela Hüttemann
15.04.2020  12:54 Uhr

Einem Übersichtsartikel aus »Nature Reviews Drug Discovery« zufolge gibt es mit Stand 8. April weltweit 115 Impfstoffkandidaten. Davon konnten 78 Projekte als aktiv laufend bestätigt werden. Mit fünf von diesen haben bereits Phase-I-Studien, also die erste klinische Testung an Menschen begonnen. Dazu gehören mRNA-1273 von Moderna (NCT04283461), ein mRNA-basierter Impfstoff, bei der die genetische Information für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in einem neuen Lipidnanopartikel verkapselt ist. Die Studie wird vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases in den USA durchgeführt. 45 Probanden sollen teilnehmen.

Ad5-nCoV des chinesischen Unternehmens CanSino Biologicals ist ein viraler Vektor, basierend auf dem Adenovirus Typ 5, der ebenfalls das Spike-Protein enthält (NCT04313127). 108 Probanden in China sollen teilnehmen. Der dritte Kandidat ist INO-4800 von Inovio Pharmaceuticals. Dabei handelt es sich um ein DNA-Plasmid, das das Spike-Protein kodiert und über die Haut durch Elektroporation appliziert werden soll (NCT04336410). Die Studie wird in den USA durchgeführt.

Das chinesische Shenzhen Geno-Immune Medical Institute hat gleich zwei Kandidaten bereits in Phase I. LV-SMENP-DC sind dendritische Zellen, die mit einem lentiviralen Vektor modifiziert wurden, um synthetische Minigene basierend auf den Domänen ausgesuchter viraler Proteasen zu exprimieren (NCT04276896). Der Impfstoff soll gemeinsam mit antigenspezifischen zytotoxischen T-Zellen appliziert werden. Die andere Vakzine besteht aus künstlichen antigenpräsentierenden Zellen (aAPC), die ebenfalls mit einem lentiviralen Vektor modizifiert wurden,  um synthetische Minigene basierend auf den Domänen ausgesuchter viraler Proteasen zu exprimieren (NCT04299724). Beide Studien werden in Shenzhen durchgeführt und es sollen jeweils 100 Freiwillige teilnehmen.

»Das sind alles Konzepte mit neuen Technologien, mit denen wir bislang noch keinen zugelassenen Impfstoff haben«, erläuterte Dr. Jens Vollmar, Leiter Medizinischer Fachbereich Impfstoffe beim Glaxo-Smith-Kline (GSK), in einer Online-Pressekonferenz. Es sei zu begrüßen, dass so viele Ansätze verfolgt werden. Dies erhöhe die Chance für einen Erfolg. In der Präklinik stecken weitere Konzepte wie lebend-attenuierte Impfstoffe, nicht replizierende virale Vektoren, rekombinante Proteine, virusähnliche Partikel und weitere RNA-basierte Impfstoffe.

Die Ansage, in einem bis anderthalb Jahren erste Impfstoffe zulassungsreif zu bekommen, könne nur unter extrem enger Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen, den Universitäten und den Zulassungsbehörden gelingen. »Die Sicherheit der Impfstoffe muss dabei im Vordergrund stehen«, betonte Vollmar. Daher müssen Studienprogramme auch nach der Zulassung weitergehen.

Es müssen Milliarden Impfstoffdosen produziert werden

Die Studien sind aber nur eine Seite. Die andere sind die Produktionskapazitäten. »Während wir normalerweise die Dosen für Impfprogramme für Millionen Menschen nach und nach herstellen, besteht bei Covid-19 ein sofortiger Bedarf für Milliarden direkt nach der Zulassung«, erläuterte Vollmar. Eine schnelle Produktion in großen Mengen sei beispielsweise für vektorbasierte Impfstoffe schwierig. Hier seien unter anderem die RNA- oder Protein-basierten Impfstoffe im Vorteil. 

GSK selbst als einer der weltweit größten Impfstoffhersteller hat sich entschlossen, keinen eigenen Kandidaten zu entwickeln, sondern mehrere andere Firmen und Institute mit seiner Adjuvanzien-Technik zu unterstützen. »Mit Adjuvanzien lässt sich eine frühere, stärkere, breitere und länger anhaltende Immunantwort erzielen«, betonte Vollmar. Außerdem müsse deutlich weniger Antigen verimpft werden, was die Produktion von mehr Impfstoffdosen ermöglicht.

Am Dienstagabend hatten GSK und Sanofi bekannt gegeben, einen Impfstoffkandidaten gegen Covid-19 gemeinsam entwickeln zu wollen. Dabei soll das Spike-Protein von SARS-CoV-2 als exakte genetische Kopie erstellt und als DNA-Sequenz in eine Baculovirus-Expressionsplattform integriert werden. Diese Plattform nutze Sanofi bereits für einen in den USA zugelassenen rekombinanten Grippeimpfstoff. Sanofi wird also das Antigen beisteuern, GSK bringt seine Pandemie-Adjuvans-Technologie ein, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Phase I soll im Sommer starten, in welchen Ländern, stehe noch nicht fest, erklärte Vollmar in der Pressekonferenz. »Wir hoffen, gemeinsam hohe Mengen an Dosen herstellen zu können«, erklärte Vollmar. An welchen Standorten die Produktion stattfinden soll, sei noch nicht entschieden. 

Wer soll als Erstes geimpft werden?

Das werde eine klinisch-politische Entscheidung, vermutet der Allgemeinmediziner Professor Dr. Jörg Schelling. Sicher werde es dazu eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) geben, sagte er bei der GSK-Pressekonferenz. »Wir werden vermutlich zunächst bevorzugt ältere Personen impfen«, meint Schelling. Ein zusätzliches Kriterium werden Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Dies müsse jedoch noch genauer wissenschaftlich evaluiert werden. »Es wird eine schwierige Entscheidung.«

Auch der Allgemeinmediziner begrüßt eine Vielfalt bei den Impfkonzepten und auch Applikationsrouten. Er geht davon aus, dass es verschiedene Impfstoffe für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen geben wird. Gerade für ältere Patienten mit ihrem schwächer werdenden Immunsystem sieht er adjuvantierte Vakzinen als einen guten Lösungsweg. Für Kinder hofft er auf einen nasalen Impfstoff wie bei der Grippe.

Vollkommen unklar ist noch, wie häufig eine Coronavirus-Impfung wiederholt werden muss. Das kommt zum einen darauf an, wie effektiv die ausgelöste Immunantwort sein wird. Zum anderen bleibt zu beobachten, wie wandlungsfähig sich das neue Coronavirus gibt. Schelling geht aber davon aus, dass anders als bei der Influenza nicht jeden Herbst eine Impfung nötig sein wird.

Als niedergelassener Hausarzt erinnerte er daran, dass sich alle Personen gemäß der STIKO-Empfehlungen (und Verfügbarkeit der Impfstoffe) immunisieren lassen sollten. »In Bezug auf die Atemwegserkrankungen könnten die Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Pertussis uns im kommenden Herbst den Rücken etwas frei halten.« Er geht davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie in Wellen weitergehen wird. Mit einem Impfstoff sei jedoch erst im Herbst 2021 zu rechnen.

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