Warum wir verschiedene Coronavirus-Impfstoffe brauchen |
Daniela Hüttemann |
15.04.2020 12:54 Uhr |
Die Studien sind aber nur eine Seite. Die andere sind die Produktionskapazitäten. »Während wir normalerweise die Dosen für Impfprogramme für Millionen Menschen nach und nach herstellen, besteht bei Covid-19 ein sofortiger Bedarf für Milliarden direkt nach der Zulassung«, erläuterte Vollmar. Eine schnelle Produktion in großen Mengen sei beispielsweise für vektorbasierte Impfstoffe schwierig. Hier seien unter anderem die RNA- oder Protein-basierten Impfstoffe im Vorteil.
GSK selbst als einer der weltweit größten Impfstoffhersteller hat sich entschlossen, keinen eigenen Kandidaten zu entwickeln, sondern mehrere andere Firmen und Institute mit seiner Adjuvanzien-Technik zu unterstützen. »Mit Adjuvanzien lässt sich eine frühere, stärkere, breitere und länger anhaltende Immunantwort erzielen«, betonte Vollmar. Außerdem müsse deutlich weniger Antigen verimpft werden, was die Produktion von mehr Impfstoffdosen ermöglicht.
Am Dienstagabend hatten GSK und Sanofi bekannt gegeben, einen Impfstoffkandidaten gegen Covid-19 gemeinsam entwickeln zu wollen. Dabei soll das Spike-Protein von SARS-CoV-2 als exakte genetische Kopie erstellt und als DNA-Sequenz in eine Baculovirus-Expressionsplattform integriert werden. Diese Plattform nutze Sanofi bereits für einen in den USA zugelassenen rekombinanten Grippeimpfstoff. Sanofi wird also das Antigen beisteuern, GSK bringt seine Pandemie-Adjuvans-Technologie ein, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Phase I soll im Sommer starten, in welchen Ländern, stehe noch nicht fest, erklärte Vollmar in der Pressekonferenz. »Wir hoffen, gemeinsam hohe Mengen an Dosen herstellen zu können«, erklärte Vollmar. An welchen Standorten die Produktion stattfinden soll, sei noch nicht entschieden.
Das werde eine klinisch-politische Entscheidung, vermutet der Allgemeinmediziner Professor Dr. Jörg Schelling. Sicher werde es dazu eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) geben, sagte er bei der GSK-Pressekonferenz. »Wir werden vermutlich zunächst bevorzugt ältere Personen impfen«, meint Schelling. Ein zusätzliches Kriterium werden Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Dies müsse jedoch noch genauer wissenschaftlich evaluiert werden. »Es wird eine schwierige Entscheidung.«
Auch der Allgemeinmediziner begrüßt eine Vielfalt bei den Impfkonzepten und auch Applikationsrouten. Er geht davon aus, dass es verschiedene Impfstoffe für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen geben wird. Gerade für ältere Patienten mit ihrem schwächer werdenden Immunsystem sieht er adjuvantierte Vakzinen als einen guten Lösungsweg. Für Kinder hofft er auf einen nasalen Impfstoff wie bei der Grippe.
Vollkommen unklar ist noch, wie häufig eine Coronavirus-Impfung wiederholt werden muss. Das kommt zum einen darauf an, wie effektiv die ausgelöste Immunantwort sein wird. Zum anderen bleibt zu beobachten, wie wandlungsfähig sich das neue Coronavirus gibt. Schelling geht aber davon aus, dass anders als bei der Influenza nicht jeden Herbst eine Impfung nötig sein wird.
Als niedergelassener Hausarzt erinnerte er daran, dass sich alle Personen gemäß der STIKO-Empfehlungen (und Verfügbarkeit der Impfstoffe) immunisieren lassen sollten. »In Bezug auf die Atemwegserkrankungen könnten die Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Pertussis uns im kommenden Herbst den Rücken etwas frei halten.« Er geht davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie in Wellen weitergehen wird. Mit einem Impfstoff sei jedoch erst im Herbst 2021 zu rechnen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.