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Stromausfall in der Apotheke

Warum es sinnvoll ist, für den Ernstfall vorzusorgen

Risikomanagement als fortlaufender Prozess

Generell sollte das Thema Risikomanagement als Führungsaufgabe in der Apotheke laut Seißelberg genauer betrachtet werden. Es müssten dabei unter anderem Kriterien festgelegt werden, nach denen die Risiken eingestuft und bewertet würden, aber auch Methoden der Risikoermittlung ermittelt und die Verantwortlichkeiten bei Risikoentscheidungen festgelegt werden. Risikomanagement müsse als fortlaufender Prozess verstanden werden, in dem Planung, Umsetzung, Überwachung und Verbesserung kontinuierlich stattfinden. Zudem müsse Risikomanagement über die gesamte Lebensdauer einer Organisation zur Anwendung kommen und eine Kultur der Risikolenkung in der Organisation entstehen lassen. Mit welchen Maßnahmen kann ich ein Risiko abwenden, um möglichst wenig Schaden für meinen Betrieb zu erreichen? Ein gut vorbereitetes Notfallmanagement könne keine Schadensereignisse verhindern, stelle aber sicher, dass im Schadensfall die bestmöglichen Entscheidungen getroffen werden können und Ressourcen optimal genutzt werden, so Seißelmann.

Das Notfallmanagement sollte seiner Meinung nach zwingend in das QM-System der Apotheke eingebettet werden, um eine regelmäßige Überprüfung sicherzustellen. »Es bringt nichts, einmal eine Checkliste irgendwo abzulegen, sondern man muss immer wieder in die Neubewertung gehen – Was hat sich verändert? Mit wem muss ich noch sprechen?«, empfiehlt er. Viele Maßnahmen des Notfallmanagements könnten im Rahmen des regulären Geschäftsbetriebes durchgeführt werden. Sein Fazit: »Wir sind wandlungs- und anpassungsfähig und neigen dazu, Katastrophen sehr schnell zu vergessen. Ich möchte an die aktuelle Pandemie erinnern, von der man nicht weiß, ob sie vorbei ist. Ich kann Sie nur animieren: Schauen Sie sich in ihrer Apotheke um, viele Sachen können im ruhigen Notdienst rekapituliert werden.«

Auch die Apothekerkammer Nordrhein hat in einem Schreiben Apothekerinnen und Apotheker dazu sensibilisiert, Vorbereitungen für den Fall eines Stromausfalls zu treffen und einige Punkte aufgelistet:

  • Individuelle Risikobewertung: Welche Prozesse und Geräte sind in meiner Apotheke stromabhängig? Welche lassen sich eingeschränkt stromlos weiterbetreiben?
  • Bevorratung: Sind ausreichend Arzneimittel und Medizinprodukte in der Apotheke bevorratet? 
  • Ausdrucken wesentlicher Informationen (z.B. Telefonnummern des Großhandels und andere wesentliche Kontaktdaten, der Notdienstplan für die kommenden Monate) sollten auch in Papierform vorliegen
  • Kühlpflichtige Arzneimittel: Ist die Möglichkeit der Temperaturüberwachung vorhanden? (zur Kontrolle, dass die kühlpflichtigen Arzneimittel in Kühlschrank/Kühlbox permanent im richtigen Temperaturbereich gelagert wurden)
  • Bereithalten ausreichender Isolierboxen und gefrorener Tiefkühlelemente
  • Einhalten des Temperaturbereichs mit Isolierbox/Tiefkühlelementen praktisch ausprobieren, hierbei Arzneimittel mit Abstand zum Kühlaggregat lagern, Arzneimittel vor Kondenswasser durch Umverpackung mit Kunststofftüte schützen
  • Welche kühlpflichtigen Arzneimittel sind auch bei Temperaturüberschreitung noch wie lange verwendbar? Stabilitätsdaten für alle im Kühlschrank befindlichen Arzneimittel bereithalten (Fachinformation, Hersteller-Information). Sofortmaßnahmen: Temperaturverlauf kontrollieren (Temperaturüberwachung), für eine bestimmte Zeit kann der Temperaturbereich im Kühlschrank gehalten werden (Türöffnungen auf Minimum reduzieren). Sofern die Temperatur im Kühlschrank grenzwertig wird, Arzneimittel in Isolierbox mit Tiefkühlelement umfüllen. Bei kalten und trockenen Witterungsbedingungen kommt eventuell auch eine temperaturüberwachte Lagerung draußen oder im Auto in Betracht, sofern sich unbefugter Zugriff hierbei vermeiden lässt.
  • Kommissionierautomat: Verfügt dieser über eine Notstromversorgung für eine bestimmte Überbrückungsdauer? Wie lange? Ist genügend Stromreserve für den Drucker vorhanden, um bei Stromausfall das Warensortiment mit Lagerort ausdrucken zu können? Sofortmaßnahme: Artikelbestandsliste mit Lagerort ausdrucken, solange der Server und der PC noch über Notstromreserven verfügen.
  • Computer/Apothekensoftware: Ist Notstromversorgung für eine bestimmte Überbrückungsdauer vorhanden? Wie lange? Kann über andere Geräte (Laptops mit VPN- Client, Tablet) für die Dauer der Akkulaufzeit auf das Betriebssystem der Apotheke zugegriffen werden? Falls ja, geladene Geräte sicherstellen. Eventuell Powerbanks oder USV (unterbrechungsfreie Stromversorgung) anschaffen
  • Telekommunikation: Eventuell ein Mobiltelefon als Alternative bereithalten. Hat es ausreichend Ladung und Empfang? Sind genügend Geräte vorhanden?
  • Beleuchtung: batteriebetriebene energiesparende Notbeleuchtung, eventuell Stirnlampen bereithalten
  • Fahrzeuge: Ist der Tank der Apothekenfahrzeuge jederzeit ausreichend gefüllt?
  • Information: Sind in Ihrem Kreis für längerfristige Stromausfälle sogenannte Notfall-Info- Punkte geplant, an welche Sie bedürftige Personen weiterleiten können?
  • Abklären, wo die Ursache zu suchen ist: Überprüfung des Sicherungskastens, Befragung der Nachbarn, Anruf beim Stromversorger
  • Alarmanlage: Sicherheitsdienst informieren, denn die Alarmanlage kann wegen des Stromausfalls fälschlich Alarm melden
  • Elektrische Schließtüren/ Schließanlage: auf »manuell« stellen


 

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