Warnung vor unkontrolliertem Einsatz bei Covid-19 |
US-Präsident Donald Trump pries die Kombination aus Chloroquin und Azithromycin kürzlich vorschnell als »Game Changer« im Kampf gegen Covid-19 an. / Foto: Imago/UPI Photo
Dass die Äußerungen von US-Präsident Donald Trump mit der Realität mitunter nichts zu tun haben, ist bekannt, in der aktuellen Corona-Krisensituation aber noch problematischer als sonst. Die Deutsche Herzstiftung zeigt sich alarmiert von der Empfehlung Trumps, das Antimalariamittel Chloroquin in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin bei Covid-19-Patienten einzusetzen. Beide zusammen hätten »eine echte Chance, einer der größten Game Changer in der Geschichte der Medizin zu werden«, vermeldete der US-Präsident vor einigen Tagen gewohnt großspurig über Twitter.
In einer Mitteilung warnt die Herzstiftung jetzt aber eindringlich vor dieser Kombination. Man wisse, dass jedes der beiden Medikamente zu »bösartigen Herzrhythmusstörungen« führen könne und sich die Kombination deshalb eigentlich verbiete, wird Professor Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung zitiert. Die als bösartig bezeichnete Veränderung des Herzrhythmus ist eine Verlängerung des QT-Intervalls. »Chloroquin verlängert in höheren Dosen die QT-Zeit deutlich. Gibt man dann Azithromycin dazu, das selbst die QT-Zeit meist nur mäßig verlängert, kann sich die QT-Zeit noch einmal verlängern«, erklärt der Heidelberger Herzspezialist Professor Dr. Klaus von Olshausen.
Die Herzstiftung bezeichnet die Empfehlung des US-Präsidenten als »unvertretbar und fahrlässig«. Olshausen betont, dass die Kombinationstherapie unter kontinuierlichem Monitoring des EKG und intensivmedizinischer Überwachung erfolgen müsse, wie es derzeit in Studien auch geschehe. Der Einsatz der beiden Medikamente gegen Covid-19 könne trotz der Risiken durchaus infrage kommen, aber nur, wenn der Nutzen das mögliche Risiko deutlich überwiege.
Welche katastrophalen Folgen ein unkontrollierter Einsatz von Chloroquin haben kann, zeigte sich vor wenigen Tagen in Phoenix, Arizona. Ein älterer Mann starb, nachdem er infolge der Äußerungen des US-Präsidenten Chloroquin eingenommen hatte, um sich vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen. Seine Frau, die das Mittel ebenfalls geschluckt hatte, erbrach so viel davon, dass sie überlebte, musste allerdings auf der Intensivstation behandelt werden. Sie habe das Mittel im Haus gehabt, weil sie es früher zur Behandlung ihrer Koi-Karpfen verwendet hatte, sagte sie dem Fernsehsender »NBC News«.
Bei der in der Aquaristik als Antiparasitikum verwendeten Substanz handelt es sich um Chloroquinphosphat, denselben Wirkstoff wie in Resochin®. Dieses Medikament ist in Deutschland nicht mehr auf dem Markt. Hierzulande noch verfügbar ist Hydroxychloroquin (Quensyl®, Reimporte: Plaquenil®). Dieser Wirkstoff ist eng mit Chloroquin verwandt, aber etwas besser verträglich. Die Nebenwirkung der QT-Zeit-Verlängerung haben allerdings beide. In den Medien ist im Zusammenhang mit Covid-19 meist von Chloroquin die Rede. Eigentlich müsste es aber Hydroxychloroquin heißen, denn getestet wird in den meisten Studien dieser Wirkstoff.
Ob die hinsichtlich der QT-Zeit als besonders kritisch eingestufte Kombination aus Hydroxychloroquin und Azithromycin überhaupt einen Vorteil gegenüber der Monotherapie mit Hydroxychloroquin bietet, ist derweil noch unklar. Die bisherigen Erfahrungen zur Behandlung von Covid-19-Infektionen bezögen sich praktisch ausschließlich auf die Monotherapie, gibt die Herzstiftung zu bedenken. Zur Kombinationstherapie lägen praktisch keine belastbaren klinischen Ergebnisse vor. In einer von dem Virologen Professor Dr. Christian Drosten von der Berliner Charité kürzlich aufgrund ihrer Methodik kritisierten französischen Studie war allerdings genau diese Kombination getestet worden.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.