Wachstum dank Vosoritid |
Sven Siebenand |
04.11.2021 07:03 Uhr |
Schätzungsweise werden in der EU pro Jahr 350 Kinder mit Achondroplasie geboren. Die Diagnose wird heute oft schon pränatal gestellt. Der neue Wirkstoff Vosoritid kommt derzeit ab einem Alter von zwei Jahren zum Einsatz. / Foto: Adobe Stock/Sergey Novikov
Stark verkürzte Extremitäten im Vergleich zum Rumpf sind charakteristisch für die Achondroplasie. Die endgültige Körpergröße im Erwachsenenalter liegt in der Regel zwischen 120 und 135 cm. Typisch für das Krankheitsbild sind ferner zum Beispiel ein deutliches Hohlkreuz, eine prominente Stirn und O-Beine. Mögliche Komplikationen sind eine Stenose des Foramen magnum (große Öffnung im Bereich der hinteren Schädelgrube), häufige Mittelohrentzündungen, Hörverlust, schlafbezogene Atemstörungen und Streckdefizite in den Gelenken.
Von Achondroplasie betroffen ist etwa eines von 25.000 lebend geborenen Kindern. Ursache ist meist eine Gain-of-Function-Mutation im Gen für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-3 (FGFR3), wodurch die Umwandlung von Knorpel- in Knochensubstanz, die sogenannte enchondrale Ossifikation, an der Wachstumsfuge der Knochen hochreguliert wird. Aus der Liganden-unabhängigen Daueraktivität von FGFR3 resultiert eine frühzeitige Verknöcherung des Knorpels und das Knochenwachstum wird damit gehemmt.
Natürlicher Gegenspieler des genannten Signalweges ist das C-Typ-natriuretische Peptid (CNP), das über den natriuretischen Peptidrezeptor B (NPR-B) auf der Oberfläche von Chondrozyten agiert. Proliferation und Differenzierung sowie die Bildung der Knorpelmatrix werden damit angeregt. So hilft CNP, dem übermäßig negativen Signal des mutierten FGFR3 entgegenzuwirken. Vosoritid (Voxzogo® 0,4 mg/0,56 mg/1,2 mg Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung, Biomarin) wirkt genauso. Es handelt sich um ein modifiziertes rekombinantes Analogon von CNP. Die Halbwertszeit ist dabei deutlich länger als jene von CNP.
Der neue Wirkstoff ist derzeit zur Behandlung der Achondroplasie ab einem Alter von zwei Jahren zugelassen und darf so lange eingesetzt werden, bis die Wachstumsfuge endgültig geschlossen ist. Das ist durchschnittlich im Alter von 14 bis 16 Jahren der Fall. Die Diagnose der Achondroplasie sollte durch entsprechende genetische Tests bestätigt worden sein, bevor der neue Wirkstoff zum Einsatz kommt.