| Daniela Hüttemann |
| 08.12.2025 18:00 Uhr |
Ob verordnetes Medizinalcannabis, CBD-Extrakt in der Selbstmedikation oder Blüten zum Freizeitkonsum: Cannabinoide können mit herkömmlichen Arzneimitteln interagieren, vom Wirkverlust bis zur fünffachen Überdosierung. / © Getty Images/Volodymyr Kalyniuk
Durch den zunehmenden Einsatz von Cannabinoiden in der Medizin, aber auch im Freizeitkonsum, sollten Apotheker mögliche Wechselwirkungen von Cannabis mit Akut- und Dauermedikation auf dem Schirm haben. Dazu riet Apotheker Sven Lobeda von der Apotheke Johannstadt in Dresden kürzlich beim Fortbildungskongress der Apothekerkammer Berlin. Die Apotheke Johannstadt ist seit Jahren auf die Versorgung von Cannabis-Patienten spezialisiert. Interaktionen mit Cannabinoiden detektiert Lobeda regelmäßig bei Medikationsanalysen.
Der Referent riet, Patienten mit Cannabinoiden die pharmazeutische Dienstleistung »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« anzubieten, denn in der Regel hätten diese Patienten mindestens fünf Medikamente in der Dauerverordnung. Umgekehrt sollte man bei Medikationsplänen ohne Cannabinoid routinemäßig nach etwaigem Freizeitkonsum fragen, wie es auch bei Alkohol und Rauchen üblich sei. Durch die Legalisierung seien viele Menschen offener für solche Fragen geworden. Nicht vergessen dürfe man, dass etliche Patienten mittlerweile auch eine Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Cannabidiol-Präparaten betreiben, die sie als Nahrungsergänzungsmittel nicht unbedingt in der Anamnese erwähnen.
Sven Lobeda zeigte eindrucksvoll an AUC-Grafiken, wie verschiedene CYP3A4-Induktoren und -Inhibitoren die Wirkspiegel von THC und CBD beeinflussen können. / © Spreekind-Fotografie/Sandra Schneider
Der erfahrene Apotheker hatte einen praktischen Tipp für den Interaktionscheck: Sind ein Extrakt oder Blüten verordnet, könne man statt des eigentlichen Produkts eines der drei zugelassenen Fertigarzneimittel mit eingeben, um per Datenbank auf Interaktionen zu prüfen – Epidyolex® in Bezug auf Cannabidiol (CBD), Canemes® in Bezug auf Tetrahydrocannabinol (THC) und Sativex® bei einem ausgewogenen THC/CBD-Verhältnis.
Zu beachten ist, dass der Hauptwirkstoff THC erst durch CYP2C9 und CYP3A4 zu 11-Hydroxy-THC verstoffwechselt wird, das stärker und länger wirkt als THC. Inaktiviert wird dieser aktive Metabolit dann wiederum über CYP3A4. Beide Enzyme sowie vor allem CYP2C19 spielen auch bei der Metabolisierung von CBD eine Rolle.
Sowohl THC als auch CBD stufte Lobeda in Bezug auf CYP-Interaktionen eher als »Opfer« und nicht als »Täter« ein. Das heißt, die beiden Cannabinoide wirken sich in moderaten Dosen nur in geringem Maß auf andere Arzneistoffe aus (THC erst bei mehr als 30 mg pro Tag bei oraler Gabe und CBD erst ab Einzeldosen von 300 bis 1000 mg) – andere Arzneistoffe können aber die Wirkung von THC und CBD erheblich verstärken oder abschwächen.
Während starke CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin, Dexamethason und Johanniskraut die Plasmaspiegel der Cannabinoide bis zur Unwirksamkeit senken, können starke CYP3A4-Inhibitoren wie Clarithromycin, Ketoconazol und Proteasehemmer sie deutlich erhöhen – um bis zu 250 Prozent. Das kann mit entsprechenden Nebenwirkungen einhergehen, zum Beispiel starkem Erbrechen. »Die Kombination aus einem CYP2C9-Induktor und einem CYP3A4-Inhibitor mit THC birgt ungeahnte Risiken«, warnte Lobeda. Zu beachten seien auch additive sedierende Wirkungen mit Alkohol, Benzodiazepinen, Opioiden sowie Schlaf- und Beruhigungsmitteln.
Gerade solche Arzneistoffe oder auch Johanniskraut könnten durch die Cannabis-Therapie im besten Fall überflüssig werden. »Man kann nicht immer alles absetzen, sollte dann aber die Startdosis anpassen oder gegebenenfalls schneller erhöhen«, riet der Referent. Normalerweise fange man bei Cannabis-naiven Patienten mit 2,5 mg THC an, wenn kein Interaktionspotenzial besteht, und steigere alle drei bis fünf Tage um 2,5 mg. Im Schnitt lande man bei 10 bis 12,5 mg THC pro Tag. Bei Komedikation mit CYP-Induktoren kann man mit einer etwas höheren Dosis starten, bei CYP-Inhibitoren eher niedriger bei langsamerer Auftitrierung.
Die Maximaldosis beträgt dreimal täglich 15 mg. Wichtig sei, dass der Patient sich an das besprochene Schema hält und bei Nebenwirkungen oder ungenügender Wirksamkeit mit seinem Arzt oder Apotheker spricht.