Vilobelimab mit US-Notfallzulassung ausgestattet |
Sven Siebenand |
06.04.2023 07:00 Uhr |
Trotz der Verfügbarkeit von Impfstoffen und Therapien für frühe Krankheitsstadien von Covid-19 entwickeln viele Patienten noch immer eine virale Sepsis, bei der sich ihr Zustand so weit verschlechtert, dass häufig eine invasive mechanische Beatmung erforderlich wird. / Foto: Adobe Stock/patrikslezak
Untersuchungen zeigen, dass die Entzündungsreaktion, die Durchlässigkeit des Endothels und die Koagulopathie, die bei schwerem Covid-19 beobachtet werden, mit einer starken Komplementaktivierung und der Bildung des Komplementfaktors C5a als Teil der angeborenen Immunantwort einhergehen. Man nimmt an, dass eine gezielte Hemmung von C5a bei schwerkranken und mechanisch invasiv-beatmeten Covid-19-Patienten einen Schlüsselmediator dieser Entzündungsreaktion blockiert, die durch eine schwere SARS-CoV-2-Infektion ausgelöst wurde.
Vilobelimab ist ein Antikörper gegen den humanen Komplementfaktor C5a. Damit ist der Wirkmechanismus etwas anders gelagert als bei Avacopan, einem selektiven Antagonisten des humanen Komplement-5a (C5a)-Rezeptors, der bei ANCA-Vaskulitis zum Einsatz kommt. Auch zu den ebenfalls bereits für andere Indikationen zugelassenen Anti-C5-Antikörpern Eculizumab und Ravulizumab gibt es Unterschiede. Im Gegensatz zur C5-Inhibition lässt Vilobelimab die Bildung des Membranangriffskomplex (C5b-9) intakt, der einen wichtigen Abwehrmechanismus des angeborenen Immunsystems darstellt.
Der monoklonale Antikörper kommt für die Behandlung von Covid-19 bei hospitalisierten Erwachsenen innerhalb von 48 Stunden nach Beginn einer mechanisch invasiven Beatmung oder einer extrakorporalen Membranoxygenierung infrage. Der Wirkstoff wird über 30 bis 60 Minuten in einer Dosierung von 800 mg intravenös verabreicht. Über einen Zeitraum von 22 Tagen wird es bis zu sechsmal verabreicht.
Grundlage für die Notfallzulassung in den USA sind die Ergebnisse der multizentrischen Phase-III-Studie PANAMO bei mechanisch invasiv-beatmeten und intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten. Insgesamt 369 Patienten wurden entweder in die Vilobelimab-Behandlungsgruppe (mit sechs 800 mg-Infusionen) oder in die Placebogruppe randomisiert. Beide Gruppen erhielten zudem eine Standardtherapie wie Antikoagulanzien, Dexamethason oder andere Immunmodulatoren. Die Ergebnisse zeigten bei der Vilobelimab-Behandlung eine um knapp 24 Prozent verringerte 28-Tage-Gesamtmortalität im Vergleich zu Placebo. Die Studienergebnisse sind in »Lancet Respiratory Medicine« veröffentlicht.
Inflarx kündigt an, Gespräche bezüglich eines Antrags auf einen Übergang in eine Vollzulassung fortzusetzen. Darüber hinaus sei man mit der Europäischen Arzneimittelagentur EMA bereits hinsichtlich eines Zulassungsantrags im Kontakt. Anvisiert sei ein entsprechender Antrag in der zweiten Jahreshälfte 2023, hieß es heute bei einer virtuellen Infoveranstaltung der Firma.
Vilobelimab wird ferner auch bei anderen Erkrankungen untersucht. In der Indikation Pyoderma gangrenosum, einer schweren Hauterkrankung, wird derzeit bereits eine Phase-III-Studie initiiert.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.