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Humane Papillomaviren

Vertane Chance bei Krebsprävention

Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte. Wer sich rechtzeitig impfen lässt, schützt sich vor einer Infektion mit den gefährlichsten humanen Papillomaviren (HPV) und verhindert damit zuverlässig verschiedene Krebserkrankungen. Doch die wenigsten nutzen diese Chance – zumindest in Deutschland.
Elke Wolf
01.08.2022  07:00 Uhr
Vertane Chance bei Krebsprävention

Das Risiko einer sexuell aktiven Frau, sich im Laufe ihres Lebens eine genitale HPV-Infektion einzufangen, liegt bei mehr als 80 Prozent. Nicht anders sieht es bei Männern aus, die Durchseuchungsrate ist extrem hoch. Eine Ansteckung mit HPV erfolgt hauptsächlich durch sexuelle Kontakte. Dabei infizieren die Erreger ausschließlich Epithelzellen von Haut und Schleimhaut. Außerdem ist eine Übertragung von der Mutter auf das Neugeborene während der Geburt möglich. Am häufigsten tritt eine Infektion bis zum Alter von 25 Jahren auf.

Aber: »Die meisten Infektionen sind transienter Natur. Man hat die Viren also nach ein paar Monaten meist ohne Folgen wieder los«, erklärte Professorin Dr. Ulrike Wieland vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Köln bei einer Fortbildungsveranstaltung der Landesapothekerkammer Hessen. »Deshalb sollte man junge Frauen nicht anlasslos auf HPV untersuchen. Die Wahrscheinlichkeit, einen positiven Abstrich zu bekommen, ist sehr hoch – verunsichert aber erst mal nur.«

Längst nicht alle der 228 klassifizierten HPV-Typen bergen ein Krankheitspotenzial. Zu unterscheiden sind Hochrisiko-HPV-Typen und Viren mit geringem Risiko. Als hoch karzinogen gelten die HPV-Typen 16 und 18. Zudem gibt es noch mindestens 13 weitere HPV-Typen, die Krebs hervorrufen können. Doch auch eine Infektion mit einem Niedrigrisiko-Virus kann Konsequenzen haben. So sind HPV 6 und 11 zu 90 Prozent für das Auftreten von Genitalwarzen verantwortlich.

»Die prophylaktische Impfung hat das Potenzial, Genitalwarzen und HPV-bedingte Dysplasien und Karzinome deutlich zu reduzieren beziehungsweise annähernd zu eliminieren. Das ist medizinischer Fakt«, sagte Wieland, die auch Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Papillom- und Polyomaviren ist, das am Uniklinikum in Köln angesiedelt ist. Bleibt eine HPV-Infektion nämlich bestehen, kann sich im Laufe der Zeit Krebs entwickeln, vor allem am Gebärmutterhals, aber auch an After oder Penis und in Mund und Rachen. Epidemiologische Daten aus Ländern wie Australien und Großbritannien mit hohen Impfraten bei HPV-naiven Personen zeigen einen signifikanten Rückgang von anogenitaler und oraler HPV-Verbreitung, von Vorstufen und Karzinomen des Gebärmutterhalses sowie Feigwarzen.

Allerdings wird diese Impfung hierzulande noch immer viel zu selten in Anspruch genommen, bemängelte die Virologin. Nur rund 50 Prozent sowohl der 15- als auch der 18-Jährigen in Deutschland seien derzeit vollständig geimpft. »Dabei gehört die Impfung für Mädchen seit rund 15 Jahren zum Standardimpfprogramm.« Bei jungen Männern, für die erst seit 2018 die Impfung empfohlen wird, sehe es noch dürftiger aus. Lediglich 5,1 Prozent der 15-Jährigen weisen eine vollständige Impfserie auf. Die Ständige Impfkommission (STIKO) rät Mädchen und Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren zur zweimaligen Impfung in einem Abstand von einem halben Jahr. Bis zum 18. Lebensjahr werden Nachholimpfungen empfohlen, dann allerdings mit drei Impfterminen.

Wieland sieht nur eine realistische Chance, hierzulande die HPV-Impfquote hochzutreiben. »Wir Ärzte müssen alles daransetzen, die U11- und die J1-Untersuchungen dazu zu nutzen, Mütter, Väter und ihre Kinder auf die Chance der Impfung aufmerksam zu machen. Die Möglichkeit der Schulimpfung wie etwa in Großbritannien ist hierzulande kaum umsetzbar.« Neben einer zielgruppenorientierten Aufklärungs- und Informationskampagne inklusive eines Einladungs- und Erinnerungssystems wäre es laut Wieland auch hilfreich, die HPV-Impfung genauso wie die Masernimpfung als »dringend« einzustufen. Immerhin ergänzte die Ständige Impfkommission (STIKO) zu Beginn dieses Jahres ihre Empfehlungen um das Kapitel »Impfungen zum Schutz der reproduktiven Gesundheit, bei Kinderwunsch und während Schwangerschaft und Stillzeit«, wobei die Impfung gegen die HP-Viren einen großen Raum einnimmt. 

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