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Gabapentinoide und Diuretika
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Verordnungskaskade bleibt oft außer Acht

Wenn die Nebenwirkung eines Medikaments mit einem weiteren Medikament bekämpft wird, nennt man das eine Verordnungskaskade. Ärzte denken dabei häufig nicht an die potenzielle Nebenwirkung als Auslöser, zeigt eine Studie aus den USA.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 03.12.2025  16:20 Uhr

Verordnungskaskaden tragen in relevantem Ausmaß zur Polymedikation vor allem von älteren Menschen bei. Solche Kaskaden zu vermeiden, ist nicht leicht, da es meistens mehr als eine mögliche Erklärung für das Auftreten eines Symptoms bei einem Patienten gibt. Wichtig ist, dass potenzielle Nebenwirkungen der bestehenden Medikation eben auch als mögliche Auslöser in Betracht gezogen werden.

Beispiel Gabapentinoide: Wirkstoffe wie Gabapentin oder Pregabalin können bei 7 bis 10 Prozent der behandelten Patienten periphere Ödeme auslösen. Bei betagten Personen, die darüber hinaus auch noch weitere Medikamente anwenden, kommen dafür aber auch andere Ursachen in Betracht, zum Beispiel eine Herzschwäche. Ödeme, die auf die Anwendung eines Gabapentinoids zurückzuführen sind, mit einem Schleifendiuretikum wie Torasemid oder Furosemid zu behandeln, statt die Dosis des Gabapentinoids zu reduzieren, erhöht die Medikamentenlast und das Risiko für unerwünschte Wirkungen. So können Schleifendiuretika ihrerseits die Nierenfunktion beeiträchtigen, Elektrolyte entgleisen lassen und infolge einer orthostatischen Hypotonie das Sturzrisiko erhöhen.

Diese spezielle Verordnungskaskade hat ein Team um den Geriater Professor Dr. Matthew E. Growdon von der University of California in San Francisco nun bei US-Veteranen unter die Lupe genommen. Die Forschenden identifizierten 120 Personen, denen zunächst ein Gabapentinoid und kurze Zeit später ein Schleifendiuretikum verordnet worden war. Das Durchschnittsalter der fast ausschließlich männlichen Teilnehmer betrug knapp 74 Jahre; 88 Prozent von ihnen nahmen dauerhaft fünf oder mehr Medikamente ein.

Alternative Erklärungen bevorzugt

Wie die Autoren im Fachjournal »JAMA Network Open« berichten, zogen die verordnenden Ärzte eine Nebenwirkung des Gabapentinoids als Ursache des Ödems nur äußerst selten in Betracht – nämlich nur bei vier Patienten. Stattdessen wurden andere Auslöser angenommen, meist eine Herzinsuffizienz oder eine venöse Stauung. In den 60 Tagen nach Einsetzen des Diuretikums traten bei 28 Patienten potenzielle Nebenwirkungen wie eine Verschlechterung der Nierenfunktion, orthostatische Beschwerden, Elektrolytverschiebungen und Stürze auf. Sechs Patienten mussten infolge solcher Beschwerden die Notaufnahme aufsuchen und/oder stationär behandelt werden.

Es sei zwar nicht nachgewiesen, dass die Ödeme bei diesen Patienten tatsächlich auf das Gabapentinoid zurückzuführen seien, doch sei diese Annahme plausibel, so die Autoren. Daher sei es bemerkenswert, wie selten diese mögliche Ursache überhaupt bedacht wurde, insbesondere auch angesichts der Häufigkeit potenzieller negativer Effekte der Diuretika-Anwendung.

Die Forschenden weisen darauf hin, dass die verordnenden Ärzte bei der Ursachensuche häufig weitere diagnostische Maßnahmen ergriffen, etwa ein EKG oder auch eine Ultraschalluntersuchung der unteren Extremität, statt die Medikationsliste des Patienten nach einem möglichen Auslöser zu durchforsten. Mehr noch: In Fällen, in denen dies tatsächlich geschah, wurden häufig die Gabapentinoide nicht als potenzielle Verursacher erkannt, sondern beispielsweise Calciumkanalblocker, weshalb die Dosis des Gabapentinoids sogar teilweise erhöht statt gesenkt wurde.

Welche Gründe könnte es dafür geben – außer dass manchen Ärzten die potenzielle Nebenwirkung der Gabapentinoide schlicht nicht bekannt ist? Die Autoren nennen vier:

  • Erstens könnten Ärzte wichtige Diagnosen wie eine Herzschwäche, die die Forschenden als eine Do-not-miss-Diagnose bezeichnen, priorisieren,
  • zweitens könnten Ärzte und Patienten eine weitere Diagnostik und die Verordnung eines weiteren Medikaments gegenüber der systematischen Beurteilung der bestehenden Medikation bevorzugen, weil das erstgenannte Vorgehen als aktiver empfunden wird, wobei
  • drittens auch Zeitmangel aufseiten der Ärzte eine Rolle spielen dürfte.
  • Viertens bestätigt der Befund, dass in zwei Drittel der Fälle das Gabapentinoid von einem anderen Arzt verschrieben wurde als das Diuretikum die Annahme, dass auch ein ungenügender Informationsfluss zwischen verschiedenen Ärzten Verordnungskaskaden Vorschub leistet.

Alle diese Gründe dürften nicht nur bei Verordnern in den USA eine Rolle spielen, sondern auch hierzulande. Einschränkend weisen die Autoren jedoch darauf hin, dass ihre Erhebung keine Rückschlüsse über die absolute Häufigkeit dieser Verordnungskaskade zulassen. Es wurde nämlich nicht erfasst, wie häufig ein Gabapentinoid bei Auftreten eines Ödems wieder abgesetzt wurde, sodass eine Diuretika-Therapie gar nicht erst nötig wurde.

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