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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Furosemid

Eines der ältesten Diuretika, die immer noch im Einsatz sind, ist Furosemid. Das Schleifendiuretikum erhöht die Harnmenge massiv und muss daher vorsichtig dosiert werden, auch um Elektrolyt-Entgleisungen zu vermeiden.
Annette Rößler
29.09.2021  18:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Furosemid?

Furosemid ist ein Schleifendiuretikum mit starker, schnell einsetzender und kurz anhaltender Wirkung. Es hemmt Na+/K+/2 Cl--Symporter im aufsteigenden Ast der Henle-Schleife und blockiert so die Rückresorption dieser Ionen. Haupteinsatzgebiet ist die Behandlung von Ödemen beziehungsweise Aszites infolge von Verbrennungen, Herz-, Leber- oder Nierenerkrankungen. Bei drohendem Nierenversagen kann mit Furosemid zudem unter Umständen eine Restdiurese aufrechterhalten werden. Zugelassen ist Furosemid darüber hinaus bei arterieller Hypertonie, wobei in dieser Indikation mittlerweile meist andere Diuretika bevorzugt werden. Für die antihypertensive Wirkung von Furosemid werden drei Effekte verantwortlich gemacht: die gesteigerte NaCl-Ausscheidung, eine verminderte Ansprechbarkeit der glatten Gefäßmuskulatur auf vasokonstriktorische Reize sowie die Blutvolumenabnahme.

Wie wird Furosemid dosiert?

Furosemid wird individuell dosiert, wobei die niedrigste mögliche Dosis zu wählen ist. In der Regel liegen die Initialdosis bei 40 mg täglich und die Erhaltungsdosis zwischen 40 und 80 mg täglich. Unter sorgfältiger klinischer Überwachung sind aber auch deutlich höhere Dosen möglich, insbesondere bei Niereninsuffizienz. Wenn Furosemid zur Ausschwemmung von Ödemen angewendet wird, soll der tägliche Gewichtsverlust durch die Diurese nicht mehr als 1 kg betragen. Kinder erhalten im Allgemeinen 1 bis 2 mg Furosemid pro kg Körpergewicht, jedoch nicht mehr als 40 mg pro Tag.

Welche Gegenanzeigen gilt es zu beachten?

Furosemid darf nicht gegeben werden bei Nierenversagen mit Anurie, Leberkoma, schwerer Hypokaliämie, schwerer Hyponatriämie sowie Hypovolämie. Bei Frühchen ist die Anwendung kontraindiziert, da Furosemid das Risiko eines persistierenden Ductus arteriosus Botalli erhöht. Besondere Vorsicht ist unter anderem geboten bei Patienten mit Hypotonie, manifestem oder latentem Diabetes sowie Miktionsstörungen. In der Schwangerschaft beeinträchtigt Furosemid die Perfusion der Plazenta und dadurch das intrauterine Wachstum, sodass es nur kurzfristig und unter strenger Indikationsstellung angewendet werden darf. In der Stillzeit ist es kontraindiziert.

Welche Nebenwirkungen kann Furosemid haben?

Die häufigste Nebenwirkung von Furosemid ist eigentlich keine, sondern Ausdruck der starken Hauptwirkung: Elektrolytstörungen. Sie betreffen mindestens einen von zehn Behandelten, insbesondere ältere Patienten. Die Blutspiegel von Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium sollten daher regelmäßig kontrolliert werden. Gleiches gilt für Bikarbonat, Kreatinin, Harnstoff und Harnsäure, Blutzucker und Cholesterol beziehungsweise Triglyceride.

Welche Wechselwirkungen sind möglich?

Werden Glucocorticoide, Laxanzien oder große Mengen Lakritze zusammen mit Furosemid angewendet beziehungsweise genossen, steigt das Risiko einer Hypokaliämie. Wegen der möglichen Beeinflussung des Kaliumspiegels durch Furosemid ist zudem Vorsicht geboten bei gleichzeitiger Anwendung mit Herzglykosiden und Antiarrhythmika. Bei Patienten, die unter Furosemid eine Hypovolämie entwickeln oder dehydrieren, kann die zusätzliche Gabe eines nicht steroidalen Antirheumatikums (NSAR) ein akutes Nierenversagen auslösen.

Furosemid stimuliert das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System; die Kombination mit einem ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorantagonist kann daher zu einem massiven Blutdruckabfall führen. Wird ein solcher Arzneistoff zum ersten Mal gegeben oder seine Dosis erhöht, sollte Furosemid somit für drei Tage pausiert oder in der Dosis reduziert werden.

Furosemid kann zudem die schädlichen Wirkungen von nephro- oder ototoxischen Antibiotika wie Cephalosporine, Aminoglykoside oder Polymyxine verstärken.

Seit wann gibt es Furosemid?

Furosemid ist eines der ältesten noch therapeutisch genutzten Diuretika. Es wurde 1959 von der Firma Hoechst zum Patent angemeldet und 1962 unter dem Handelsnamen Lasix® in den Markt eingeführt. Bis dato waren quecksilberhaltige Diuretika gebräuchlich gewesen, die jedoch sehr toxisch sind. Nachdem man die diuretische Wirkkomponente der Sulfonamide entdeckt hatte, wurden daraus zunächst die Thiaziddiuretika abgeleitet und später dann das Furosemid.

Was hat Furosemid mit dem »House of God« zu tun?

Furosemid beziehungsweise das Originalpräparat Lasix kommt auch in der Literatur vor, und zwar in dem Roman »House of God« von Samuel Shem. Diese Pflichtlektüre aller angehenden Mediziner schildert das erste Jahr eines »Intern« in den USA, also eines frisch examinierten Assistenzarztes, der große Probleme damit hat, sein umfangreiches theoretisches Wissen im Klinikalltag an den Mann zu bringen – ohne dabei einen Patienten oder sich selbst zu schädigen. Das Buch und die »Regeln des House of God«, die sich vor allem auf den Umgang mit älteren, multimorbiden Patienten beziehen, strotzen von Zynismus. So lauten etwa die Regeln Nummer 3 und 4: »Bei Herzstillstand zuerst den eigenen Puls fühlen.« und »Der Patient ist derjenige, der krank ist.« Regel Nummer 7 schließlich heißt: »Alter + Serum-Harnstoff = Lasixdosis.«

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