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In Deutschland wird der Begriff »Fatigue« hauptsächlich im Zusammenhang mit malignen Erkrankungen verwendet, zum Beispiel bei tumorassoziierter Fatigue.
Oft treten Müdigkeit, Schwächegefühl und mangelnde Leistungsfähigkeit im zeitlichen oder kausalen Zusammenhang mit malignen Tumorerkrankungen oder deren Behandlung auf. Daher fassen viele Onkologen diese Symptome als eigenständige Erkrankung auf (Cancer-related Fatigue, CrF). Müdigkeit kann zu jedem Zeitpunkt der Krebserkrankung auftreten, aber es sind nicht alle Krebspatienten gleichermaßen gefährdet. Patienten mit Leukämie, Mamma- und Pankreaskarzinom sind besonders betroffen.
Die tumorassoziierte Fatigue ist sehr variabel und kann auf der physischen Ebene alle Formen von Schwächegefühl und schneller Ermüdbarkeit und auf der psychischen und kognitiven Ebene Antriebslosigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen hervorrufen. In der Folge geraten die Patienten in einen Teufelskreis aus Erschöpfung, Angst und Vermeidung von Aktivität und Anstrengung, sozialem Rückzug, dem Gefühl von Hilflosigkeit und depressiver Verstimmung (7) (Grafik).
Teufelskreis aus Krankheit, mangelnder Bewegung, körperlichem Abbau, depressiver Verstimmung und Rückzug; angelehnt an DEGAM-Leitlinie (2) / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Zu den auslösenden Faktoren zählen neben direkten Tumorsymptomen wie Schmerzen auch eine Tumoranämie oder -kachexie, Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Nebenwirkungen der Tumortherapie, vor allem auf das Immun- und zentrale Nervensystem, Bewegungsmangel oder Ernährungsstörung mit Verminderung der Skelettmuskelmasse sind weitere mögliche Ursachen. In biochemischen Erklärungsmodellen werden hypothalamisch-hypophysäre Regelkreise, das serotonerge System des ZNS, die circadiane Melatonin-Sekretion und der Schlaf-Wach-Rhythmus näher betrachtet (8). Auch die Expression proinflammatorischer Zytokine und die Signaltransduktion in B-Lymphozyten spielen eine wichtige Rolle.
Bedingt durch einen Eisenmangel wird im Körper nicht ausreichend Hämoglobin gebildet, wodurch die Sauerstoffkapazität der Erythrozyten und die Sauerstoffversorgung der Organe und Gewebe abnehmen. Der Körper versucht, diesen hypoxischen Zustand mit einem erhöhten Herzzeitvolumen zu kompensieren. Neben Blässe von Haut und Schleimhaut zählen vor allem Fatigue-Symptome wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Konzentrationsstörungen sowie Kreislaufsymptome, darunter Tachykardie, Belastungsdyspnoe und Schwindel, zum klassischen Bild der chronischen Eisenmangelanämie.
Patienten mit diagnostiziertem Mangel können von einer bevorzugt oralen Eisensubstitution profitieren. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Substitution bei ansonsten gesunden Personen ohne schweren Eisenmangel oder Anämie das Müdigkeitsproblem löst. Die Leitlinienautoren warnen zudem vor dem Risiko der Fixierung auf einen inadäquaten Lösungsansatz.
Oder liegt doch ein Kalium- oder Vitamin-D-Mangel vor, wie es (allzu) häufig vermutet wird? Die Evidenz ist durchwachsen. So ist zwischen Kaliumspiegel oder einem Vitamin-D-Defizit und Müdigkeit kein Zusammenhang feststellbar (2).
Die erhöhte Erschöpfbarkeit ist ein häufiges, stark einschränkendes Symptom bei Multipler Sklerose (MS). So treten kognitive Störungen und Fatigue-Beschwerden bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf auf. Im weiteren Verlauf ist die körperliche und/oder geistige Leistungsfähigkeit derart eingeschränkt, dass die Patienten alltägliche Anforderungen nur noch schwer bewältigen können.
Die Ursachen der MS-bedingten Müdigkeit sind weitgehend ungeklärt, aber wahrscheinlich multifaktoriell bedingt (6). So bestehen Zusammenhänge zu Schädigungen des motorischen Cortex und der Basalganglien, aber auch zu immunologischen Parametern. Diese lassen sich bei der immunvermittelten, chronisch-entzündlichen Erkrankung des Zentralnervensystems mit unterschiedlicher Ausprägung zur Demyelinisierung (Entmarkung) und der damit verbundenen Zerstörung der Axone finden.
Ein Typ-2-Diabetes verläuft möglicherweise über Jahre hinweg unbemerkt, da kein subjektives Krankheitsgefühl besteht. Betroffene verspüren erste Beschwerden, darunter leichte Müdigkeit, Abnahme der Konzentrationsfähigkeit und Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit erst bei immer wieder sehr hohen Plasmaglucosewerten von über 250 mg/dl oder einem HbA1c-Wert von 9,5 Prozent. Die Ursachen für die Fatigue-Symptome liegen im insgesamt instabilen Glucosestoffwechsel mit täglichen Schwankungen des Blutzuckerspiegels. Dessen Abfall führt zu Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit und Schwindelgefühl.