Trotz Corona-Pandemie ACE-Hemmer und Sartane beibehalten |
Daniela Hüttemann |
29.03.2020 13:26 Uhr |
Bislang sind Zusammenhänge zwischen einer schweren Covid-19-Erkrankung und bestimmten Medikamenten reine Spekulation. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei verordneten Medikamenten liegt nach derzeitigem Kenntnisstand eindeutig auf der Beibehaltung der verordneten Dauermedikation. / Foto: Getty Images/krisanapong detraphiphat
Die EMA sei sich der Medienberichte und Publikationen zu einem möglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ACE-Hemmern und Sartanen und einer Verschlechterung einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bewusst. Es gebe aber bislang keinerlei klinische oder epidemiologischen Studien, die diesen theoretischen Zusammenhang bestätigen, betont die Behörde. Derzeit kontaktiert die EMA proaktiv Wissenschaftler, um mehr Evidenz durch epidemiologische Studien zu generieren.
Die Behörde spricht nicht einmal von einer wissenschaftlichen Hypothese, sondern Spekulationen. Hintergrund ist, dass SARS-CoV-2 das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE2) als Korezeptor auf der Oberfläche menschlicher Zellen nutzt, um in diese einzutreten. Eine Überlegung ist, dass ACE-Hemmer und Sartane die Expression dieser Rezeptoren hochreguliert und das Virus sich dadurch leichter im Körper ausbreiten kann. »Allerdings sind die Interaktionen des Virus mit dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) im Körper komplex und noch nicht vollständig verstanden«, teilte die EMA am Freitag mit. Sie überwache die Situation eng und unterstütze diesbezügliche Forschung.
Die Behörde sei sich ebenfalls über Berichte bewusst, nach denen auch andere Medikamente wie Corticosteroide und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) eine Covid-19-Erkrankung verschlechtern könnten. Sie verwies dabei auf ihre Empfehlung vom 18. März, in denen sich zwar nicht von Ibuprofen und anderen NSAR bei Covid-19-Symptomen abrät, aber auch darauf hinweist, dass das nicht zu den NSAR gehörende Paracetamol ohnehin in vielen Leitlinien Mittel der ersten Wahl bei Fieber oder Schmerzen sei. Auch hier warnte die EMA vor einem Absetzen ärztlich verordneter Medikamente.
»Es ist wichtig, dass Patienten, die Fragen haben oder unsicher wegen ihrer Medikamente sind, mit ihrem Arzt oder Apotheker sprechen und die Einnahme ihrer Dauermedikation nicht absetzen, ohne vorher mit ihrem heilberuflichen Betreuer zu sprechen«, betont die EMA noch einmal.
Die EMA schließt sich mit ihrem aktuellen Statement den kardiologischen Fachgesellschaften wie der
European Society of Cardiology (ESC) an, die bereits Mitte März vor einem Absetzen von ACE-Hemmern und Sartanen gewarnt hatten. Gleiches gilt für andere Fachgesellschaften. Unter anderem werden Asthmatiker und COPD-Patienten und Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Rheuma davor gewarnt, eine immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie aus Angst vor Covid-19 abzusetzen oder zu modifizieren.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.