TNF-α-Blocker rettet Betazellen |
Annette Rößler |
30.09.2020 13:00 Uhr |
Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen sich meist schon in sehr jungen Jahren an das regelmäßige Blutzuckermessen und Insulininjektionen gewöhnen. / Foto: Your Photo Today
Bei Typ-1-Diabetes greifen Autoantikörper die insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas an und zerstören sie. In vielen Fällen wird die Erkrankung erst dann bemerkt, wenn der Verlust der Betazellen schon so weit fortgeschritten ist, dass der Blutzuckerspiegel entgleist und Symptome wie übermäßiger Durst, häufiges Wasserlassen und Müdigkeit auftreten (Stadium 3). Dennoch haben neu diagnostizierte Typ-1-Diabetiker meist noch eine Restfunktion der Betazellen. Wenn es gelingt, diese zu bewahren, wirkt sich das positiv auf die Blutzuckerkontrolle und den Insulinbedarf im weiteren Krankheitsverlauf aus.
Eine Möglichkeit hierfür könnte die Gabe von TNF-α-Blockern sein. Diese aus der Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) und anderer entzündlicher Erkrankungen bekannten Biologika hemmen den Tumornekrosefaktor-α, ein Zytokin, das unter anderem entzündungsfördernd und immunmodulierend wirkt. RA ist wie Typ-1-Diabetes eine Autoimmunerkrankung. Daher ist es durchaus plausibel, auch bei Typ-1-Diabetes einen positiven Effekt der TNF-α-Blocker zu erwarten.
Die Ergebnisse der Phase-II-Studie T1GER, die beim diesjährigen virtuellen Kongress der Europäischen Diabetesgesellschaft (EASD) vorgestellt wurden, bestätigen dies nun. In der Studie wurde bei 84 Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes der TNF-α-Blocker Golimumab (Simponi®) über ein Jahr mit Placebo verglichen. Der Antikörper wurde dabei subkutan verabreicht; bei einem Körpergewicht unter 45 kg erfolgte die Dosierung nach Körperoberfläche, schwerere Teilnehmer erhielten eine Fixdosis. Über die Höhe der Dosis gibt es weder in dem Konferenz-Abstract noch auf clinicaltrials.gov eine Angabe.
Primärer Endpunkt war der Wert des C-Peptids (AUC nach einem vierstündigen Nahrungs-Toleranztest). Dieses Peptid wird in den Betazellen von Proinsulin abgespalten, wodurch Insulin entsteht. Das C-Peptid hat eine längere Halbwertszeit als Insulin und wird deshalb zur Beurteilung der Leistung der Betazellen diagnostisch genutzt.
In der Studie war die C-Peptid-AUC in der Golimumab-Gruppe nach einem Jahr höher als in der Placebogruppe (0,64 versus 0,43). Das bedeutet, dass die Betazellfunktion besser war beziehungsweise weniger stark abgenommen hatte. Auch bezüglich Insulinbedarf, Hypoglykämierate und dem Verhältnis aus Proinsulin und C-Peptid schnitten die Patienten im Verumarm besser ab. Golimumab wurde gut vertragen, unerwartete Nebenwirkungen gab es keine.
»In dieser Studie hat Golimumab die Fähigkeit bewiesen, die endogene Insulinproduktion zu erhalten und klinische und metabolische Parameter bei neu diagnostizierten Typ-1-Diabetikern in Stadium 3 zu verbessern«, lautet das Fazit der Autoren. Vor einem möglichen breiten Einsatz von Golimumab oder anderen TNF-α-Blockern in dieser Indikation muss das Ergebnis jedoch in größeren Studien bestätigt werden.