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Covid-19

Therapieempfehlungen für intensivpflichtige Patienten 

Die Anzahl intensivpflichtiger Covid-19-Patienten wird weiter steigen, sind sich Intensivmediziner sicher. Bei der Behandlung der Betroffenen sind besondere Aspekte zu beachten. Mehrere Fachgesellschaften haben aktuelle Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie dieser Patienten veröffentlicht.
Kerstin A. Gräfe
13.03.2020  17:40 Uhr

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlaufen rund 80 Prozent der Covid-19-Infektionen mild. Knapp 14 Prozent der Betroffenen entwickeln schwere Symptome wie Lungenentzündungen, Atemnot oder Sepsis. Etwa 5 Prozent erkranken so schwer, dass sie beatmungspflichtig werden. 

Für Letztere haben Experten unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie herausgegeben. Sie geben einen Überblick zum aktuellen Kenntnisstand der Diagnostik, dem möglichen Krankheitsbild und worauf bei den Schutzmaßnahmen für das Personal besonders zu achten ist. Demnach sollte definitiv nur geschultes Personal Zugang zu den Betroffenen haben und dieses Personal möglichst von der Versorgung anderer Patienten freigestellt werden.

Konkrete Empfehlungen werden ebenfalls zur medikamentösen Behandlung gegeben. So weisen die Intensivmediziner darauf hin, dass für eine spezifische antivirale Therapie bislang noch keine ausreichenden Daten vorlägen. Es gebe Therapieversuche mit einer Reihe von Substanzen wie Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camostat und Remdesivir. Ihr Einsatz könne unter Umständen nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung als Einzelfallentscheidung erwogen werden. Therapieversuche sollten, wenn möglich, im Rahmen von »Compassionate-Use«-Programmen oder Studienprotokollen durchgeführt werden. Die Universität Liverpool habe eine Aufstellung wahrscheinlicher Interaktionen mit experimentellen Therapien von Covid-19 veröffentlicht.

Bei Patienten im späteren Verlauf der Erkrankung, die eine Pneumonie oder ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) entwickelt haben, sollten keinesfalls routinemäßig Steroide gegeben werden. Die Gabe scheint die virale Clearance zu verzögern und begünstigt das Pilzwachstum. Grundsätzlich sollte bei Beginn der Behandlung auf der Intensivstation und bei einer Verschlechterung des Patienten im Verlauf sowohl eine aerobe als auch anaerobe Blutkultur angelegt werden. Bei Patienten mit Verdacht auf eine Koinfektion sollte eine kalkulierte antibiotische Therapie frühzeitig initiiert werden. Eine prophylaktische Antibiotika-Gabe werde nicht empfohlen.

Des Weiteren geben die Intensivmediziner konkrete Empfehlungen zu den Maßnahmen bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz, Intubation und invasiver Beatmung.

Verfügbarkeit von Intensivbetten

Das ARDS-Netzwerk und die Sektion respiratorisches Versagen der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) werden zusammen mit dem Robert-Koch-Institut in Kürze eine Website zur Meldung aller freien Intensivkapazitäten in Deutschland betreiben. Aktuell können Kliniken im ARDS-Melderegister die vorhandenen Kapazitäten eingeben.

Die geplante Website, die einen besseren Überblick während der Epidemie verschaffen soll, wurde auch vom Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Professor Dr. Lothar Wieler, am Freitag in Berlin angesprochen. Das entwickelte Werkzeug ziele darauf ab, dass im Fall einer Überlastung eines bestimmten Krankenhauses ersichtlich ist, wo in der Nähe noch freie Betten sind, sagte Wieler. Eine Situation wie in Italien mit überlasteten Intensivstationen gelte es in Deutschland zu vermeiden, aber man könne sie nicht ausschließen. »Wir tun alles dafür, dass es nicht so kommt«, betonte er.

In Italien stünden Ärzte mangels freier Plätze vor der Entscheidung, welche Patienten beatmet werden können. Deshalb sei es sehr wichtig, die Beatmungsplätze in deutschen Krankenhäusern so hoch wie möglich zu halten und zu steigern. »Wir gehen davon aus, dass es ein Stresstest wird für unser Land«, sagte Wieler. Es gelte, das Gesundheitssystem optimal einzustellen, um alle Patienten versorgen zu können.

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