Therapie lässt das Herz altern |
Die Untersuchung auf kardiologische Folgeschäden gehört bei Krebsüberlebenden nach kardiotoxischer Therapie zur Nachsorge. / Foto: Getty Images/DjelicS
Krebspatienten haben auch nach überstandener Erkrankung eine niedrigere Lebenserwartung als Menschen, die nie an Krebs erkrankt waren. »Die Ursachen hierfür sind zuerst Primär- und Sekundärtumoren, aber an dritter Stelle stehen schon die kardiovaskulären Erkrankungen«, sagte Professor Dr. Roman Pfister von der Uniklinik Köln bei der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) in Berlin. Der Grund hierfür sei in erster Linie die koronare Herzkrankheit (KHK), aber auch Herzinsuffizienz, Klappen- und perikardiale Erkrankungen kämen als Todesursachen bei Langzeitüberlebenden nach Krebs häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung.
Nicht die Krebserkrankung an sich wirkt kardiotoxisch, sondern die Therapie, namentlich die Strahlentherapie des Thorax und die systemische Gabe von Anthracyclinen. Da dieser Zusammenhang bekannt ist, werden Patienten nach entsprechender Behandlung regelmäßig untersucht. Der Fokus liege hierbei auf der Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion, also einer Pumpleistung unter 50 Prozent des Normalwertes, erklärte der Kardiologe. »Dadurch blenden wir aber einen Großteil der Schädigungen aus, der stattfindet, sich aber wahrscheinlich erst in den folgenden 10 bis 30 Jahren klinisch bemerkbar macht.«
Die bislang größte Studie mit Krebsüberlebenden, die British Childhood Cancer Survivor Study, habe gezeigt, dass die kardiovaskuläre Sterblichkeit zwar bereits direkt nach der Krebstherapie leicht über der der Normalbevölkerung liegt (»Circulation« 2017, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.116.024811). »Nach 50 bis 60 Jahren gehen die beiden Kurven aber noch einmal deutlich weiter auseinander«, sagte Pfister. Der Grund sei wahrscheinlich eine reduzierte Toleranz der Krebsüberlebenden gegenüber zusätzlichen Stressoren
wie kardiovaskulären Risikofaktoren, Komorbiditäten und degenerativen Prozessen, die sich mit zunehmendem Alter häufen.
Wie kommt diese reduzierte Toleranz zustande? Pfister zufolge geht man heute davon aus, dass eine herzschädigende Krebstherapie einen »akzelerierten kardiovaskulären Alterungsprozess« auslöst. Der Gesundheitszustand von Herz und Gefäßen betroffener Patienten entspricht daher trotz ihres möglicherweise noch jungen Alters dem eines deutlich älteren Menschen.
Für die Betreuung im Langzeitverlauf bedeute das, dass Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes, Hypertonie und Rauchen strengstens zu vermeiden sind, da sie sich ungleich stärker auswirken als bei Personen, die nie an Krebs erkrankt waren. »Da darf man nicht sagen: Das bisschen Bluthochdruck wird ihm schon nichts ausmachen. Denn die überadditiven relativen Risiken sind enorm«, sagte Pfister mit Verweis auf eine Studie aus dem Jahr 2013 (»Journal of Clinical Oncology«, DOI: 10.1200/JCO.2013.49.3205). Demnach erhöht eine Hypertonie bei Langzeitüberlebenden mit stattgehabter Bestrahlungstherapie des Thorax das Risiko für KHK um den Faktor 24, für Herzinsuffizienz um den Faktor 41 und für eine Herzklappenerkrankung um den Faktor 90. Nach Anthracyclinbehandlung in der Vorgeschichte steigt das Risiko für eine Herzinsuffizienz durch Bluthochdruck um den Faktor 45.
Auch Dyslipidämie, Diabetes und Adipositas sind der Studie zufolge Risikofaktoren, die entsprechende Patienten tunlichst vermeiden sollten. »Viele dieser Risikofaktoren können wir effektiv behandeln«, sagte Pfister. Dies stelle einen interessanten Ansatz für die langfristige Prävention der Kardiotoxizität von Krebsüberlebenden dar.