Therapie im Wechsel |
Schweißausbrüche und Hitzewallungen sind zwar die bekanntesten, aber längst nicht die einzigen Unannehmlichkeiten, die die Jahre des hormonellen Wechsels begleiten. / Foto: Getty Images/fizkes
Seit rund eineinhalb Jahren ist nun die S3-Leitlinie »Peri- und Postmenopause« als Gemeinschaftswerk der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe aktualisiert. »Mittlerweile hat sie den Test auf Praxistauglichkeit bestanden«, meint die Expertin von der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der Universitätsfrauenklinik Bern und Leitlinienautorin im Gespräch mit der PZ. Während die Vorgänger-Version eine Hormonersatztherapie (HRT) so kurz und niedrig dosiert wie möglich empfahl, richtet sich jetzt der Fokus auf die Patientin: Eine HRT wird so lang wie individuell erforderlich empfohlen. Dabei sollte man im Hinblick auf sich entwickelnde Erkrankungen in dieser Lebensphase immer wieder überprüfen, ob die Patientin diese Therapie noch braucht. »Von Hormonen im Gießkannenprinzip oder als allgemeine Gesundheitsprävention bei postmenopausalen Frauen ist man lange weg. Heute erfolgt der Hormonersatz auch bezüglich der Dosis gezielter und wird davon abhängig gemacht, ob der Bedarf über die Zeit gegeben ist. Es gibt keine zeitliche Grenze, wann die Hormongabe enden sollte. Weil das Brustkrebsrisiko unter einer kombinierten Estrogen-Gestagen-Therapie anfängt, nach 5,5 Jahren signifikant zu steigen, ist diese Zeitangabe für ein Ende vermutlich noch in den Köpfen«, sagt Stute.
Wann beginnen die Wechseljahre eigentlich? »Ab einem gewissen Alter und wenn das Zyklusprofil passt, brauchen wir im Prinzip kein Labor, um festzustellen, ob eine Frau in den Wechseljahren ist«, kommentiert Stute den Wunsch vieler Frauen, beim Gynäkologen den Hormonstatus bestimmen zu lassen. Zum einen sei dieser nur eine Momentaufnahme, zum anderen weisen die (Un-)Regelmäßigkeit der Blutungen, das Alter und verschiedenste Beschwerden darauf hin, dass sich die Reproduktionsphase dem Ende neigt. Die sogenannte Menopause-Transition beginnt etwa ab Anfang 40. Ab diesem Alter sei es ziemlich wahrscheinlich, dass sich die Sexualhormone auf Berg- und Talfahrt begeben.
Dennoch: Eine saubere Diagnostik ist wichtig, weil zum einen 5 bis 6 Prozent der Frauen ihre letzte Blutung vor dem 45. Lebensjahr erleben. Und zum anderen ist auch bei Frauen im typischen Alter die Gefahr groß, dass alle Krankheitszeichen unter dem Begriff Klimakterium subsumiert werden. Dann könnten organische Erkrankungen, zum Beispiel Schilddrüsenfunktionsstörungen, Depression oder Krebserkrankungen übersehen werden. »Differenzialdiagnostisch sollte zum Beispiel zumindest die Bestimmung des TSH-Wertes auf dem Programm stehen, um eine Hyper- oder Hypothyreose abzugrenzen«, rät die Gynäkologin.
Die menopausale Transition – wie die Wechseljahre in der Fachsprache auch genannt werden - dauert vier bis acht Jahre, wobei die Menopause meist um das 51. Lebensjahr herum liegt. Bei Zyklusverschiebungen im Zeitraum von mindestens einer Woche im Vergleich zu früher spreche man von der frühen menopausalen Transition, größere Abstände im Zyklus mit Lücken von mindestens zwei Monaten seien ein Zeichen für die späte Übergangsphase Richtung Menopause. Als wichtigste Begleiterscheinungen »dieser letzten Blutung« nannte Stute Hitzewallungen und Schweißausbrüche – also jene vasomotorischen Symptome, die als Wirksamkeitskriterien in Zulassungsstudien untersucht worden sind. Daneben sind es aber auch Schlafstörungen, urogenitale Beschwerden wie Scheidentrockenheit, Inkontinenz und häufige Harnwegsinfekte, zentralnervöse Symptome wie Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen, sexuelle Funktionsstörungen, Beeinträchtigung des Knochen- und Gelenkapparates, ein erhöhtes Risiko für Herzgefäßerkrankungen, eine durchschnittliche Gewichtszunahme von etwa 10 Kilogramm zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr sowie Haut- und Haarveränderungen, die die Jahre des Wechsels prägen. Aber: »Jede Frau hat ihr individuelles Beschwerdeprofil. Erschreckend ist, dass 28 Prozent der Frauen laut Untersuchungen keine Behandlung erhalten.«
Der Beginn und die Art der Therapie richten sich »wenn man so möchte, im Wesentlichen nach den Wünschen der Patientin. Der einzige Grund, dieses der Patientin nicht selbst zu überlassen, wären ausgeprägte Blutungsstörungen«. Laut Stute muss dahingehend beraten werden, dass es neben der Hormongabe auch Alternativmethoden wie die Gabe verschiedener Pflanzenextrakte, eine kognitive Verhaltenstherapie oder Akupunktur gibt. Dabei sei klar zu vermitteln, dass der größte Nutzen bei der Behandlung klimakterischer Beschwerden von der HRT ausgeht.
Nach den Ausführungen Stutes ist den Patientinnen zu erklären, dass die Wahl jederzeit revidiert werden kann. »Man kann beispielsweise mit Phytopharmaka wie Cimicifuga oder Rhabarber beginnen und nach mehreren Monaten auf Hormone umsteigen, wenn keine ausreichenden Effekte erzielt wurden. Es kann aber auch sein, dass Pflanzenextrakte gerade zu Anfang der Wechseljahre die Symptome sehr gut kupieren. Da die Frau aber hormonell weiter altert und die Symptome dadurch stärker werden, kann die Pflanzentherapie irgendwann nicht mehr ausreichen«, erklärt die Gynäkologin. Bei pflanzlichen Präparaten rät die Expertin auf jeden Fall, geprüfte Extrakte zu verwenden, die als Arzneimittel zugelassen sind. Isoflavone aus Soja oder Rotklee sind lediglich als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und unterliegen damit dem Lebensmittelrecht. Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, sollen leitliniengemäß keine Phytoestrogene, also Isoflavone, Genistein, Rheum rhaponticum oder Rotklee, zur Behandlung vasomotorischer Symptome erhalten.
»Mit dem Empfehlungsgrad A soll Frauen mit vasomotorischen Beschwerden eine Hormonersatztherapie angeboten werden, nachdem sie über die kurz- (bis zu fünf Jahren) und langfristigen Nutzen und Risiken informiert wurden. Für Frauen mit Estrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom oder anderen hormonabhängigen Tumoren ist eine HRT nicht indiziert. Für nicht hysterektomierte Frauen, also Frauen, die ihre Gebärmutter noch besitzen, kommt eine Estrogen-Gestagen-Therapie mit adäquatem Gestagenanteil, für hysterektomierte Frauen eine Estrogen-Monotherapie in Betracht. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), Clonidin und Gabapentin sollen dagegen nicht routinemäßig als Mittel der ersten Wahl gegen Schweißausbrüche und Hitzewallungen angeboten werden«, informierte die Frauenärztin. Während der Therapie können Dosisanpassungen notwendig sein, die dem Verlauf der verschiedenen Phasen der Peri- und Postmenopause geschuldet und »kein Zeichen von Abhängigkeit« seien.
Stute stellte eine Art Kochrezept vor, nach dem Hormone eingesetzt werden, und zwar bezüglich der Frequenz, der Dosis und der Darreichungsform. »Die Therapiegestaltung richtet sich nach der Klimakteriumsphase, in der sich die Frau befindet. Deshalb wird die Frau in der Perimenopause weniger Estrogen brauchen, weil die Eierstöcke noch mitarbeiten. Je seltener die Periode, desto weniger tun sie das jedoch. Nach der Menopause arbeiten sie nicht mehr mit. So lässt sich grob abschätzen, welche Dosis an Estrogen man wählt. In der Phase bis zur Menopause entscheiden sich Gynäkologen meist für eine sequenzielle Therapie, bei der jeden Tag Estrogen und nur in der zweiten Zyklushälfte das Gelbkörperhormon verabreicht werden. Nach der Menopause therapiert man meist kontinuierlich kombiniert weiter, indem jeden Tag Estrogene und Gestagen zugeführt werden.«
Mikronisiertes Progesteron – manchmal auch als »bioidentisch« bezeichnet – wirkt Schlafstörungen im Klimakterium entgegen. Professorin Dr. Petra Stute erklärt, warum. Man mache sich den Verstoffwechslungsweg des Progesterons zunutze. »Oral aufgenommenes Progesteron wird sowohl vom Darmmikrobiom als auch von Enzymen in der Darmwand und in der Leber zu Allopregnanolon verstoffwechselt. Dieser Metabolit bindet im Gehirn an GABA-Rezeptoren, und dadurch wird der müdemachende Effekt ausgelöst. Das macht klar, warum mikronisiertes Progesteron so beliebt bei Schlafstörungen in den Wechseljahren ist«, so Stute. »Mit synthetischen Gelbkörperhormonen ist dieser Effekt jedoch nicht zu erzielen, weil sie nicht zu Allopregnanolon metabolisiert werden. Und die schlaffördernde Wirkung funktioniert auch nicht über den vaginalen Applikationsweg, weil das vaginale Mikrobiom anders verstoffwechselt als das intestinale.«
Was die Darreichungsform angeht, ist der transdermale Weg in Form von Pflaster, Gel oder Spray die Therapie der ersten Wahl. Sie hat die gleiche Wirksamkeit wie die orale Therapie – etwa auch bezüglich der Osteoporoseprophylaxe – und sollte leitliniengemäß primär angeboten werden. Vor allem das Thromboembolie- und Schlaganfallrisiko werden auf diese Weise nicht erhöht. »Ein Hinderungsgrund für die transdermale Therapie wäre, dass diese von der Durchführbarkeit für die Patientin nicht tolerabel ist. Manche Patientinnen reagieren etwa mit Hautreizungen auf das Pflaster oder empfinden die Gelanwendungen als umständlich. Dann ist eine orale Therapie angezeigt, wenn es das kardiovaskuläre Risikoprofil zulässt.«
Stehen vaginale Symptome wie Scheidentrockenheit im Vordergrund, empfiehlt Stute eine vaginale Therapie »so lange wie erforderlich. Denn im Gegensatz zu vasomotorischen Beschwerden verbessern sich urogenitale Beschwerden durch eine systemische Therapie nicht immer und bleiben auch nach der Postmenopause bestehen«. Hierfür kommen Befeuchtungs- und Gleitmittel allein oder in Kombination mit einer vaginalen Estrogentherapie infrage. Gemäß der Leitlinie kann die Therapie so lange wie erforderlich angeboten werden, also auch dann, »wenn die übrige systhemische HRT bereits abgesetzt wurde«.
Auch wenn zusätzlich Blasenbeschwerden wie Harninkontinenz oder häufige Blasenentzündungen auftreten, ist die Estrogenzufuhr über die Scheidenschleimhaut effektiver. Diese wird heute sehr niedrig dosiert. »Mit den im Handel befindlichen vaginalen Estrogenpräparaten werden keine systemisch messbaren Wirkspiegel erzielt. Man erreicht damit nur die Blase und die Scheide«, erklärt Stute.
Therapieregime | Arzneiform | Wirkstoffe und Produktbeispiele |
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Estrogene transdermal | Gel | 17β-Estradiol: Gynokadin Gel, Estreva Gel |
TTS (einmal pro Woche) | 17β-Estradiol: Estramon®, Fem7®, Estradiol TTS | |
Spray | 17β-Estradiol: Lenzetto® Spray | |
Estrogene lokal | Vaginalcreme | Estriol: Oekolp®-Creme, Ovestin-Creme, Estriol Wolff, Oestro-Gynaedron VaginalcremeEstradiol: Linoladiol® N |
Ovula und Vaginalzäpfchen | Estriol: Oekolp® Ovula, Ovestin® | |
Vaginalring | Estradiol: Estring® | |
Estrogene oral | Tabletten, Dragees | Estradiol: Estrifam®, Gynokadin®Estriol: Estriol 2 mg fem, Ovestin, Oekolp |
Gestagene oral | Weichkapseln | Progesteron: Utrogest®, Progestan®, Famenita® |
Tabletten | Progesteron-Derivate: Chlormadinon 2 mg, Duphaston® | |
Zyklische und kontinuierliche Kombinationspräparate (Estrogen und Gestagen) | Dragees, Filmtabletten | Femoston® 1/10 mg, Cyclo Progynova 2 mg/0,15 mg, Lafamme®, Angeliq® |
TTS | Fem7 Conti® |
Was die Therapiedauer betrifft, verdeutlichte Stute das Ausloten von Chancen und Risiken - auch wenn das Krebsrisiko durch eine HRT heute sehr differenziert bewertet wird. Das altersbedingt leicht erhöhte Basisrisiko für Brustkrebs steige durch eine mehr als fünfjährige Kombinationstherapie, bei alleiniger Estrogengabe erfolgt die Risikosteigerung erst nach etwa zwanzig Jahren. Eine alleinige Estrogen-Behandlung ohne Gestagen-Schutz erhöhe allerdings das Risiko für ein Endometriumkarzinom, weshalb eine mindestens 10- besser 14-tägige Begleit-Gestagen-Anwendung pro Behandlungsmonat Pflicht sei. Das Demenzrisiko sei eventuell bei einem Beginn der Hormonsubstitution ab dem 65. Lebensjahr erhöht. In der Kombinationstherapie habe sich natürliches Progesteron als »brustfreundlicher« erwiesen als synthetische Gestagene. Bezüglich des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen stehe mikronisiertes Progesteron als »neutral« da. Dieses empfiehlt Stute auch, wenn Schlafstörungen zu den belastenden Symptomen gehören.
Wie funktioniert der Ausstieg? »Würde man die Hormongabe nach fünfeinhalb Jahren beenden, ginge auch der Benefit hinsichtlich der Knochengesundheit oder kardiovaskulärer Erkrankungen verloren. Diese Erkrankungsrisiken würden einfach 5 Jahre nach hinten verschoben. Das Ende der Hormongabe ist deshalb im Einzelfall genau zu überlegen, um den Benefit mitzunehmen«, gibt Stute zu bedenken. Die S3-Leitlinie gibt diesbezüglich keine klare Regel vor.
Stute bevorzugt das langsame Ausschleichen: »Setzt man abrupt ab, liegt die Wahrscheinlichkeit für wiedereinsetzende Beschwerden bei 50 zu 50. Schleicht man dagegen langsam aus, merkt man zumindest, auf welche Dosis man wieder zurückkommen muss, um die Symptome im Griff zu haben. Beim abrupten Absetzen würde man immer wieder automatisch mit der Ausgangsdosis starten.« So manche Frau entscheide sich laut der Gynäkologin erst in einem Alter um 65 Jahren für ein Ende der Hormontherapie. »Die meisten verlegen das auf die Zeit, wenn die Rente näher rückt. Da besteht nicht mehr so viel Druck des frühen Aufstehens und des Berufsstresses und frau kann sich leichter auf den Körper konzentrieren und schauen, was passiert, wenn man die Dosis runterfährt.«