Testen als gutes Hilfsmittel gegen dritte Welle |
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beschäftigt sich schon länger mit dem Testen. Am gestrigen Dienstag hat Apotheker Schittenhelm ihm das Böblinger Testmodell via Videokonferenz erklärt. / Foto: imago images/Jens Schicke
Eine halbe Stunde Zeit nahm sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für einen digitalen Besuch im Landkreis Böblingen am gestrigen Dienstagabend. Danach muss er weiter in die nächste Videokonferenz, um gemeinsam mit den Gesundheitsministern der Bundesländer über die neuen Entwicklungen bezüglich des Astra-Zeneca-Impfstoffs zu beraten. Doch in dieser halben Stunde hörte er den Schilderungen von Apotheker Björn Schittenhelm und seinem Landrat Roland Bernhard zu und ließ sich das sogenannte Böblinger Modell erklären. Damit ist ein Projekt gemeint, das bereits seit vielen Wochen Coronavirus-Schnelltests im Akkord ermöglicht.
Im Südwesten Deutschlands hat Schittenhelm gemeinsam mit anderen Apothekern insgesamt fünf Testzentren, die jeweils rund 200 bis 300 Tests in der Stunde durchführen können, aufgebaut. »Die Apotheker sind bei uns sehr rührig«, findet Landrat Bernhard.
Apotheker Björn Schittenhelm hat die fünf Testzentren im Landkreis Böblingen mit aufgebaut. / Foto: privat
Zudem bezahlte der Landkreis bereits einen Monat bevor der Bund Gratis-Schnelltests für alle ermöglicht hatte, die Tests. Rund 300.000 Euro habe das gekostet, so Bernhard. Mittlerweile werden die Kosten allerdings vom Bund übernommen, so der Landrat erleichtert. Die Nachfrage nach den Tests ist jedoch nach wie vor ungebrochen: Vergangene Woche führten Ehrenamtliche in den Testzentren rund 12.000 Tests durch, erklärte Schittenhelm dem Minister. Zudem gibt es nun weitere kleinere Teststellen, die an die großen fünf Zentren angedockt sind.
Schittenhelm und seine Kollegen entwickeln die Organisation rund um die Testungen stetig weiter. Schlanke, digitale Lösungen seien gefordert, so Schittenhelm, der sich selbst als »Digital Native« bezeichnet. »Wir haben uns dieses Armbändchen ausgedacht«, sagte Schittenhelm und hielt ein weißes Festival-Armband in die Kamera. »Die Leute bekommen im Testzentrum ein Festival-Armband, das sie nicht übertragen können. Da drauf ist ein QR-Code, der ist quasi mit ihnen verheiratet.« Jeder Ladenbesitzer oder jeder Kinobetreiber könne mit seinem Smartphone den Code lesen und bekomme auf einer Website das Testergebnis und die Gültigkeitsdauer angezeigt, erklärte Schittenhelm.
Spahn fand für die Testaktivitäten der Apotheker und Apothekerinnen wohlwollende Worte: »Böblingen mit dem Modell fürs Testen ist ja neben Tübingen, Rostock, Schmalkalden und einigen anderen Orte, die schon länger viel testen, ein positives Beispiel dafür geworden, was geht«. Böblingen zeige auch, »was schon länger geht«. »Es ist ja nicht verboten gewesen, sondern im Gegenteil, es zeigt, es war schon möglich, auch schon viel zu testen und umfassend mit den Tests zu starten.«
Das Böblinger Modell habe den Weg beim Testen mit vorgezeichnet, so Spahn. Denn Stand heute gebe es mehr als 10.000 Testzentren im ganzen Land in unterschiedlichen Modellen. Und das Böblinger Modell zeige eben, dass dies ein Modell sei, in dem die Apotheker stark eingebunden seien. In anderen Bereichen sei allerdings eher die Ärzteschaft, das Rote Kreuz, die Feuerwehr oder auch private Dienstleister bei den Testzentren eingebunden, so Spahn. Auch Drogerien und der Einzelhandel wirkten bei diesen Testaktivitäten mit, betonte er. Damit setzt der Minister auf die Vielfältigkeit der Testzentren. Es gehe es nicht darum, ein Modell wie das Böblinger Modell eins zu eins in die ganze Republik zu bringen, so Spahn. Der Bund gebe hier lediglich den Rahmen vor, kontrolliere die Qualität der Tests und übernehme die Kosten etwa für die Bürgertests.
Ganz wichtig sei es nun, die dritte Welle zu brechen, betonte Spahn. Insbesondere weil 90 Prozent aller Infektionen die »britische Mutation« ausmachen würde. Allein durch das Testen werde die Welle nicht verhindert, warnte Spahn. Allerdings helfe das Testen, früher Infektionsketten zu unterbrechen, und sei damit ein »sehr gutes Hilfsmittel«. Vor allem im Hinblick auf Schulen, Kitas und Betriebe sollen Tests möglichst zweimal die Woche durchgeführt werden, so Spahn.
Ausreichend Tests für diese Strategie gebe es derzeit auf dem Markt, da waren sich der Landrat, Schittenhelm und Spahn einig. Als Bernhard erklärte, dass genügend Testkits vorhanden seien, unterbrach Spahn ihn schmunzelnd: »Können Sie den Satz nochmal sagen Herr Landrat, es gibt genug Tests?« Hintergrund ist, dass in den vergangenen Wochen insbesondere zwischen den Ländern und dem Bund immer wieder die Frage entbrannte, wer für die Testeinkäufe zuständig ist. Zwischenzeitlich wurde auch die sogenannte Taskforce Testlogistik, die von Spahn und Andreas Scheuer (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, geleitet wurde, ins Leben gerufen und vor wenigen Tagen wieder gestoppt. Die Begründung: Es gibt genügend Schnelltests auf dem deutschen Markt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.