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Pandemie-Kontrolle

Testen, aber richtig

Während die Fallzahlen von Covid-19 in Deutschland weiter fallen, stellt sich die Frage, wie die Pandemie trotz Lockerungen unter Kontrolle gehalten werden kann. Tests könnten die Antwort sein – wenn sie gut sind und richtig eingesetzt werden.
Annette Rößler
11.06.2020  11:46 Uhr

Was macht eigentlich ein Epidemiologe? Noch vor wenigen Wochen hätte diese Frage nur eine verschwindend geringe Minderheit der Deutschen richtig beantworten können. Das hat sich grundlegend geändert: »Seit Ausbruch der Pandemie sind die Zeitungen voll mit den Grundbegriffen der Infektionsepidemiologie. Dass das einmal so kommen wird, hätten wir nie gedacht«, sagte Dr. Eva Grill, Professorin für Epidemiologie an der LMU München, in ihrem Web-Vortrag beim pharmacon@home.

Fallsterblichkeit, Basisreproduktionszahl R0 und effektive Reproduktionszahl R: Diese Größen und ihre Bedeutung für die SARS-CoV-2-Pandemie sind mittlerweile vielen Menschen ein Begriff. Grill erklärte, welche Bedeutung sie für die Modellierung der Pandemie haben und wo die Schwierigkeiten der Prognose liegen. »Jedes Modell ist nur so gut wie die Daten, die ihm zugrundegelegt werden«, betonte die Referentin. Bei dem neuen und zunächst noch völlig unbekannten Erreger SARS-CoV-2 seien viele Parameter noch unbekannt oder unsicher gewesen. Daher habe man sich eines sogenannten SEIR-Modells bedienen müssen, bei dem eine Population in die vier Kompartimente S = susceptible (empfindlich), E = exposed (dem Erreger ausgesetzt), I = infected (infiziert) und R = recovered (genesen) eingeteilt wird.

»Mit einem SEIR-Modell werden das Infektionsgeschehen und der Übertragungsprozess quasi nachgebaut«, informierte Grill. Dass das Modell für Deutschland trotz der vielen Unsicherheiten gut gepasst habe, habe sich Ende April gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt seien auf Intensivstationen im ganzen Land knapp 3000 Patienten mit Covid-19 in Behandlung gewesen, was den Vorhersagen ziemlich genau entsprochen habe.

Die Tücken der Tests

Mittlerweile werden die Extrakapazitäten an Intensivbetten für die Versorgung von Covid-19-Patienten nicht mehr benötigt und werden zurückgefahren. Das Virus ist jedoch nicht aus Deutschland verschwunden – das Robert-Koch-Institut meldet täglich mehr als 300 Neuinfektionen –, sodass die latente Gefahr einer zweiten großen Infektionswelle besteht. Da denjenigen, die gegen SARS-CoV-2 immun sind, theoretisch keine Kontaktbeschränkungen mehr auferlegt werden müssten, wurde die Einführung eines Immunitätsausweises diskutiert, vom Bundestag aber letztlich nicht beschlossen.

Abgesehen davon, dass zur Immunität nach durchgemachter Coronavirus-Infektion noch viele Fragen offen sind und auch ethische und rechtliche Vorbehalte gegen einen solchen Ausweis bestehen, könnte er auch aus epidemiologischer Sicht nicht guten Gewissens ausgestellt werden. Denn die vorhandenen Testsysteme sind noch zu unzuverlässig, wie Grill an einem Beispiel zeigte.

Um die Immunität gegen SARS-CoV-2 nachzuweisen, werden IgA- und IgG-Antikörper gegen den Erreger im Blut bestimmt. Die Sensitivität des derzeit verfügbaren Tests beträgt laut Grill 100 Prozent. Das bedeutet, dass der Test alle Personen, die solche Antikörper haben, richtig erkennt. Die Spezifität ist mit 98,5 Prozent auch relativ hoch. Von 1000 Personen, die Covid-19 noch nicht gehabt haben, werden also 985 richtig als negativ erkannt und lediglich 15 erhalten fälschlicherweise den Befund, dass sie die Infektion bereits durchgemacht haben.

Zu viele falsch positive Ergebnisse

Das Problem besteht nun darin, dass schätzungsweise erst 1,7 Prozent der Bevölkerung immun gegen das Coronavirus sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 98,3 Prozent nicht immun sind. Und hier schlägt der mit 1,5 Prozent eigentlich recht niedrige Anteil der zu erwartenden falsch positiven Testergebnisse voll durch. »Wenn 100.000 Personen getestet werden, erkennt der Test alle 1700 mit Antikörpern richtig als positiv. Von den 98.300 ohne Antikörper erhalten jedoch 1475 ebenfalls das Ergebnis ›positiv‹. Von den insgesamt 3175 Personen mit positivem Testergebnis sind somit nur 54 Prozent tatsächlich positiv«, führte Grill aus. Dieser sogenannte positive Vorhersagewert sei so niedrig, dass man »genausogut eine Münze werfen« könne.

Beim RT-PCR-Test auf eine aktive Infektion sei dagegen die mit 70 Prozent relativ geringe Sensitivität problematisch. Grill rechnete vor, dass der negative Vorhersagewert unter den derzeitigen Testbedingungen hier lediglich 44 Prozent beträgt. Von allen Personen mit negativen Testergebnissen seien somit nur 44 Prozent auch wirklich nicht infiziert. »Ein positiver RT-PCR-Test zeigt fast sicher eine Infektion an, ein negativer sollte dagegen wiederholt werden«, lautete ihre Empfehlung.

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