Tabakindustrie will Kinder zu lebenslang Süchtigen machen |
In der WHO-Europaregion sagten inzwischen 20 Prozent der 13- bis 15-Jährigen, sie hätten in den vergangenen 30 Tagen E-Zigaretten genutzt. / Foto: Getty Images/AleksandrYu
Die Tabakindustrie versucht einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge alle möglichen Tricks, um Kinder so jung wie möglich süchtig zu machen. Dazu gehöre, vor allem E-Zigaretten in bunten Farben fast wie Spielzeug zu vermarkten, berichtete die WHO am Donnerstag in Genf. In Europa sei die Lage besonders bedenklich, sagte der zuständige WHO-Abteilungsleiter Rüdiger Krech am Donnerstag in Genf. Verkaufseinschränkungen nutzten wenig, wenn Jugendliche die Produkte im Internet bestellen könnten und die Behörden dem keinen Einhalt bieten würden.
Nach Angaben der WHO konsumieren nach Schätzungen rund 37 Millionen Teenager zwischen 13 und 15 Jahren bereits Tabak. Dazu gehören Zigaretten, Kau- und Schnupftabak. Dazu kämen noch Millionen, die E-Zigaretten nutzen. Die enthalten zwar keinen Tabak, aber Nikotin, und machen deshalb auch süchtig. Weil E-Zigaretten teils teuer sind, steigen viele junge Menschen, wenn das Geld ausgeht, auch auf Tabakprodukte um.
In der WHO-Europaregion sagten inzwischen 20 Prozent der 13- bis 15-Jährigen, sie hätten in den vergangenen 30 Tagen E-Zigaretten genutzt. Unter den 16.000 Geschmacksrichtungen seien solche wie «Kaugummi» und «Bonbon», die eindeutig auf Kinder zielten. «Die Geschichte wiederholt sich: Die Tabakindustrie versucht, unseren Kindern dasselbe Nikotin in anderer Verpackung zu verkaufen», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Dass Tabakfirmen ihre E-Zigaretten als Produkt bewerben, mit dem Menschen vom Tabak wegkommen, ist nach Angaben der WHO nur ein Vorwand. «Wie können sie von Schadensbegrenzung sprechen, wenn sie mit diesen gefährlichen, schnell süchtig machenden Produkten um Kinder werben?», sagte Tedros.
Die WHO prangert Werbung in Kinderfarben an, und solche mit Comicfiguren. Zudem würden Influencer rekrutiert, die ihren Anhängern gegen Bezahlung gefährliche Produkte als «cool» anpreisen würden. «Die Industrie will die Kinder möglichst jung süchtig machen, damit sie lebenslange Verbraucher haben», sagte Given Kapolyo, die in Sambia junge Leute organisiert, die in ihren eigenen Jugendgruppen über schädlichen Nikotinkonsum aufklären.
Die WHO drängt Länder, die Möglichkeiten zum Konsum von Tabak- und anderen Nikotinprodukten stärker einzuschränken. Dazu gehören ein Verbot von E-Zigaretten mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, Werbeverbote, höhere Steuern und 100-prozentige Rauchverbote in Innenräumen.
Der deutsche Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) wehrt sich gegen die Vorwürfe der WHO. Man habe sich 2019 verpflichtet, auf Werbung mit Comicfiguren oder ähnlichen Motiven, die das Interesse von Kindern und Jugendlichen wecken könnten, zu verzichten, erklärte der Verband. Und argumentiert: Auch Erwachsene hätten «eine Vorliebe für fruchtige und süße Aromen».
Der Verband räumte zwar ein, dass Influencerinnen und Influencer trotz eines in Deutschland geltenden Werbeverbots E-Zigaretten anpriesen. Man distanziere sich deutlich von dieser Werbung und sei bereits mehrfach juristisch gegen Akteure vorgegangen, die sich nicht an geltendes Recht gehalten hätten. «Wir fordern eine stärkere Durchsetzung des Werbeverbots seitens der Behörden und Plattformbetreiber.»
Der Verband kritisierte zudem die Art der staatlichen Regulierung. Diese habe zu einem großen Schwarzmarkt geführt. Man gehe davon aus, dass die Hälfte aller E-Zigaretten außerhalb des Fachhandels «und somit oftmals auch außerhalb jeglicher Konformität verkauft wird».