Symptome in Wellen – die Therapie auch |
Daniela Hüttemann |
30.05.2023 18:00 Uhr |
Professor Dr. Martin Storr, Gastroenterologe vom Zentrum für Endoskopie in Starnberg und Zentrum für Innere Medizin in Gauting, betonte, dass Diagnostik und Therapie möglichst früh erfolgen sollten, um eine Chronifizierung zu verhindern. Reizdarm-Beschwerden könnten phasenweise stärker und schwächer sein. Die Therapie könne hierauf abgestimmt werden.
»Der Patient sollte frühzeitig auf eine Reizdarm-geeignete Ernährung eingestellt werden«, so der Mediziner, der auch Autor des Buches »Das Reizdarm-Programm« ist. Als Stichwort nannte er eine FODMAP-arme Diät. FODMAP steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole, also kurzkettige Kohlenhydrate und Zuckeralkohole. Sie seien per se nicht ungesund, aber bei Reizdarm-Beschwerden ungünstig.
Die Erklärungsansätze bieten mögliche Ansatzpunkte für Therapien, zum Beispiel Probiotika bei einer Dysbiose, allerdings gibt es hier bislang noch keine klinisch etablierten Behandlungsmöglichkeiten. Solange bleibt es, auch gemäß der S3-Leitlinie zum Reizdarm, bei einer symptomatischen Behandlung. Die Leitlinie empfiehlt eine multimodale Therapie mit Lebensstil- und Ernährungsänderungen, Entspannungsmaßnahmen, kognitiver Verhaltenstherapie und auch symptomlindernden klassischen Medikamenten sowie Phytopharmaka.
Bei einer medikamentösen Therapie soll das Symptom, das den Patienten selbst am meisten stört, im Mittelpunkt stehen, betonte Storr, ob es Durchfall, Sodbrennen oder Krämpfe sind. Man könne mit einer Tablette nicht alles auf einmal angehen und das müsse man dem Patienten auch so kommunizieren. »Ich sage meinen Patienten oft, stellen Sie sich vor, ich sei ein Zauberer, kann aber nur ein Symptom nach dem anderen wegzaubern – welches soll es zuerst sein?«
Während die chemisch-synthetischen Arzneistoffe in der Regel gezielt ein Symptom angehen, habe man mit den Phytopharmaka Vielstoffgemische, die eine breitere Wirkung erzielen können, so Storr, doch auch sie seien keine Zaubermittel.
Als phytotherapeutische Option bei den Leitsymptomen Schmerzen und Blähungen empfiehlt die Leitlinie eine Therapie mit Pfefferminzöl-haltigen Arzneimitteln (Empfehlung 9-1,Empfehlungsgrad A, starker Konsens). Dazu gehört das Präparat Carmenthin® von Schwabe, das neben Pfefferminzöl auch Kümmelöl enthält. »Die Kombination macht Sinn: Pfefferminz wirkt krampflösend und schmerzlindernd, Kümmel entblähend und hemmt die Gasbildung«, erklärte Storr. Die Inhaltsstoffe der Pfefferminze würden spannungshemmende Calcium-Kanäle der glatten Darmmuskulatur hemmen sowie den Kälterezeptor TRPM8 aktivieren und dadurch Schmerzsignale blockieren, so die postulierte Wirkung. Zudem werde die Oberflächenspannung von Schäumen im Darm reduziert und pathogene Mikroorganismen selektiv gehemmt.
Storr stellte auch Ergebnisse einer neuen, von ihm geleiteten und von Schwabe finanzierten placebokontrollierten, doppelblinden, vierwöchigen Studie vor, mit einer unverblindeten elfmonatigen Follow-up-Phase. Demnach linderte Carmenthin Schmerzen, Krämpfe, Druck- und Völlegefühl signifikant stärker als das Placebo (DOI: 10.1055/a-1823-1333). »Es wirkt vielleicht nicht sofort nach der Einnahme, aber eine erste Besserung tritt bereits in den ersten Tagen auf. Nach vier Wochen hatte sich der Schmerz halbiert.« Der stärkste Effekt trat im ersten Monat ein, doch auch danach nahmen die Symptome über die zwölf Monate der Studie kontinuierlich weiter ab.
In der S3-Leitlinie heißt es weiterhin: »Mehrere weitere phytotherapeutische Präparate haben sich als wirksam zur Symptomlinderung erwiesen und sollten individuell ins Behandlungskonzept integriert
werden.« (Empfehlung 9-2, Empfehlungsgrad B, starker Konsens).