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Neue EU-Verordnung

Streit um Reserveantibiotika bei Tieren

Ein Änderungsantrag zu einer neuen EU-Verordnung will aufgrund der Resistenzentwicklung den Einsatz von vier Antibiotikaklassen bei allen Tieren verbieten. Veterinäre sehen hier ein großes Problem für bestimmte Tiere auf sich zukommen.
Daniela Hüttemann
23.08.2021  09:00 Uhr

Viele Antibiotika werden gleichermaßen bei Mensch und Tier eingesetzt – in letzterem Fall vor allem in der Nutztierhaltung, also bei der Produktion von Fleisch, Milch und Eiern. Über Jahrzehnte wurden Antibiotika hier zum Teil sehr unkritisch eingesetzt. Das hat sich zwar in den letzten Jahren zumindest in Europa bereits gebessert, doch der Europäischen Union geht der Rückgang bei den Verordnungen noch nicht weit genug. Aufgrund der zunehmenden Resistenzen sollen bald für den Menschen wichtige Reserveantibiotika möglicherweise ganz für den Einsatz bei Tieren verboten werden. In einem entsprechenden Änderungsantrag wird nicht zwischen Nutz- und Haustieren unterschieden. Dagegen protestieren nun die Veterinäre.

Konkret handelt es sich um Fluorchinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation, Polymyxine und Makrolide. Die Bundestierärztekammer sieht »schwerwiegende Folgen für die Behandlung aller Tiere, aber insbesondere von Klein- und Heimtieren, Pferden, sogenannten Minor Species sowie Zootieren«, schreibt sie in einem Brief an die Tierhalterverbände. In einem Brief an die Tierhalter selbst heißt es sogar: »Ihr Hund, Ihre Katze, Ihr Pferd, Kaninchen oder Gecko könnte bei einer schweren bakteriellen Infektion nicht mehr behandelt werden. Im schlimmsten Fall würde Ihr geliebtes Haustier versterben oder müsste eingeschläfert werden. Auch wertvolle und seltene Zuchttiere könnten nicht mehr angemessen behandelt werden. Das hätte direkte Auswirkungen auf den Artenschutz, denn in den Zoologischen Gärten ständen keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten mehr für Giraffen, Eisbären und Menschenaffen zur Verfügung.«

Die Europäische Union hat eine neue Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel erlassen, die ab dem 28. Januar 2022 verbindlich für alle EU-Staaten gilt. In Ergänzung hat die EU-Kommission eine nachgeordnete, delegierte Verordnung vorgelegt, in der die Kriterien für die Bestimmung der Substanzen festgelegt wird, die nur beim Menschen eingesetzt werden sollen. Diese Kriterien (unter anderem von der Europäischen Arzneimittelagentur erarbeitet) wertet die Bundestierärztekammer als »sorgfältig ausgearbeitet« und ließe weiterhin ein bestmögliche Behandlung aller Tiere zu.

Nun liegt jedoch ein Änderungsantrag vor, der die Anwendung der vier genannten Antibiotikaklassen bei Tieren grundsätzlich ablehnt, da die Weltgesundheitsorganisation WHO sie als »kritisch wichtige Antibiotika« für Menschen sieht. Die dort vorgeschlagene Ausnahmeregelung für Einzeltierbehandlungen stuft die Bundestierärztekammer auf absehbare Zeit als nicht durchsetzbar an und fürchtet ein De-facto-Verbot. Über den Änderungsantrag wird das EU-Parlament im September 2021 entscheiden. 

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