Stigmatisierung sehen und vermeiden |
Auch hier sind drei Aspekte relevant: Reflexion der eigenen Rolle, Akzeptanz und Empathie.
Zur Reflexion der eigenen heilberuflichen Rolle ist es hilfreich, anhand der drei Komponenten der Stigmatisierung zu überprüfen, ob man sich oder andere selbst schon in solchen Situationen gefunden hat. Die Tabelle zeigt einige Beispiele.
Aspekt der Stigmatisierung | Beispiele |
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Diskriminierung | Menschen wurden benachteiligt, zum Beispiel bei der Beratung.Betroffenen wurde mitgeteilt, dass sie im Leben nicht viel erreichen können. Patienten wurden weniger ernst genommen oder nicht beraten. Blutdruck- oder Blutzuckermessung oder eine Impfung wurden nicht angeboten. |
Stereotype | Misstrauen gegenüber PatientenMan ist davon ausgegangen, dass Betroffene grundsätzlich besonders abhängig von Betreuungspersonen sind (und beispielsweise nichts selbst entscheiden könnten) oder dass sie Schwierigkeiten aufgrund von Charakterschwäche haben.Man ist davon ausgegangen, dass die Patienten ihre Medikamente sowieso nicht einnehmen. |
Vorurteile | Genervtheit, Patienten mit bestimmter Diagnose zu beratenAngst, mit Betroffenen zu arbeiten, oder Mitleid mit ihnenBedenken, durch Nachfragen zu Suizidgedanken den Patienten in den Suizid zu treiben |
Zum Bereich der Empathie und Akzeptanz kann es hilfreich sein zu erfahren, was sich Betroffene selbst wünschen. Eine Fokusgruppe hat Wünsche zusammengestellt, wie Betroffene gerne von Heilberuflern behandelt werden möchten (10). Hier ein Auszug aus dem Manual (in direkter Ansprache formuliert):
Ein an Schizophrenie erkrankter Mensch möchte ein Rezept über Flupentixol in der Apotheke einlösen. Der Apotheker sieht, dass es aktuell nicht lieferbar ist, und bemerkt hierzu lediglich: »Es ist nicht lieferbar, bitte gehen Sie zu Ihrem Arzt, damit er etwas anderes aufschreibt.« Dies ist im Alltag sicherlich nicht böse gemeint – aber ein zusätzliches Unterstützungsangebot wäre möglicherweise hilfreich, denn es ist ja sehr wichtig, dass es nicht aufgrund von Unterbrechung der Medikation zur Exazerbation einer Psychose kommt. Ein konkretes Angebot könnte zum Beispiel so aussehen: »Das Medikament ist gerade nicht lieferbar. Haben Sie noch einen Vorrat zu Hause, bis wann reichen die Tabletten noch? Soll ich mich mit Ihrem Psychiater in Verbindung setzen oder darf ich für Sie in der Nachbarapotheke nachfragen, ob dort noch eine Packung verfügbar ist?« Der Patient nimmt das Angebot dankbar an und tatsächlich ist noch eine Packung in der Nachbarapotheke verfügbar. Ein Botendienst bringt das Medikament und der Patient kann die Medikation weiterhin einnehmen.