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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Opipramol

Der Oldie Opipramol ist ein Trizyklikum, wirkt aber anders als klassische trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und Co. Bei Opipramol liegt der Fokus auf sedierenden, angstlösenden und leicht stimmungsaufhellenden Effekten. Doch wie so oft ist Geduld gefragt, bis der Patient Erleichterung spürt.
Brigitte M. Gensthaler
28.01.2022  07:00 Uhr

Wofür wird Opipramol eingesetzt?

Opipramol ist chemisch gesehen ein Dibenzazepin. Da es nur schwach antidepressiv wirkt, ist es nicht zur Behandlung der Major Depression zugelassen, sondern bei generalisierter Angststörung und somatoformen Störungen (funktionelle Körperbeschwerden). In der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie »Angststörungen« wird es als trizyklisches Anxiolytikum aufgeführt.

Wie wird Opipramol dosiert?

Erwachsene nehmen in der Regel morgens und mittags je 50 mg und abends 100 mg Opipramol (als Dihydrochlorid) zu oder nach den Mahlzeiten ein. Die Tagesdosis kann variieren von einmal täglich 50 bis 100 mg (vorzugsweise abends) bis zu dreimal täglich 100 mg. Obwohl die Daten aus der Pädiatrie begrenzt sind, wird für Kinder ab sechs Jahren eine Tagesdosis von etwa 3 mg pro kg Körpergewicht angegeben. Da der Wirkstoff zu mehr als 70 Prozent renal eliminiert wird, kann eine Dosisreduktion bei Patienten mit Niereninsuffizienz erforderlich sein.

Die Wirkung auf die Stimmungslage tritt erst allmählich ein. Daher sollte die Medikation mindestens zwei Wochen lang regelmäßig eingenommen werden. Opipramol sollte wie viele andere Psychopharmaka nicht abrupt abgesetzt werden. Vor allem bei hoher Dosierung kann es beim plötzlichen Absetzen zu Unruhe, Schweißausbrüchen und Schlafstörungen kommen.

Was tun bei Überdosierung?

Eine Überdosis Opipramol kann zu schweren Komplikationen wie Schläfrigkeit, Unruhe, Koma, Verwirrtheit, Schock und Atemdepression führen. Auch kardiale Nebenwirkungen bis hin zum Herzversagen sind möglich. Da es kein spezifisches Antidot gibt, sollte die Noxe durch Erbrechen oder Magenspülung entfernt werden und die Vitalfunktionen sollten gesichert werden. Der Patient muss für mindestens zwei bis drei Tage in der Klinik bleiben. Dialyse und Hämodialyse sind kaum nützlich.

Wie wirkt Opipramol?

Das Psychopharmakon hat einen anderen Wirkmechanismus als klassische Trizyklika, denn es hemmt nicht die Wiederaufnahme von Monoaminen wie Serotonin und Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt. Dagegen hat es eine hohe Affinität zu Sigma-Rezeptoren (σ1 > σ2) im Gehirn und im zentralen Nervensystem. Dadurch wirkt Opipramol im NMDA-System und erhöht den Dopamin-Stoffwechsel. Zudem wirkt es antagonistisch an H1-, D2-, 5-HT2A- und α1-Rezeptoren.

Opipramol wirkt sedierend, angstlösend und geringgradig stimmungsaufhellend, wobei die beiden erstgenannten Effekte vor der Stimmungsaufhellung einsetzen.

Welche Nebenwirkungen sind möglich?

Vor allem zu Beginn der Behandlung und bei höherer Dosierung können Hypotonie, orthostatische Dysregulation und eine reflektorische Tachykardie auftreten. Opipramol kann das QT-Intervall im EKG verlängern; treten Torsade de pointes auf, ist die Behandlung abzubrechen. Gerade zu Therapiebeginn sind Müdigkeit, Mundtrockenheit und verstopfte Nase häufig. Warum in Studien mit älteren Patienten vermehrt Knochenbrüche auftraten, ist unbekannt.

Wie alle psychoaktiven Substanzen kann auch Opipramol das Reaktionsvermögen und damit die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu führen oder gefährliche Maschinen zu bedienen, beeinträchtigen. Dies gilt vor allem im Zusammenspiel mit Alkohol.

Auf welche Gegenanzeigen ist zu achten?

Opipramol darf nicht gegeben werden bei akuten Alkohol-, Schlafmittel-, Analgetika- und Psychopharmaka-Intoxikationen, bei akuten Delirien, unbehandeltem Engwinkelglaukom, bei akutem Harnverhalt sowie bei Prostatahypertrophie mit Restharnbildung, bei höhergradigem AV-Block und kardialen Reizleitungsstörungen. Kontraindiziert ist zudem die Kombination mit MAO-Hemmern.

Warnhinweise gibt es auch bei zahlreichen organischen Erkrankungen. So soll das Anxiolytikum nicht angewendet werden bei Leber- und Nierenerkrankungen, erhöhter Krampfbereitschaft, zerebrovaskulärer Insuffizienz sowie kardialen Vorschäden. Hier ist eventuell eine engmaschige EKG-Kontrolle nötig. Da sehr selten Blutbildveränderungen wie Neutropenie oder Agranulozytose vorkommen, sollte der Arzt das Blutbild, insbesondere bei Fieber, grippalen Infekten und Angina, kontrollieren. Ebenso sollte er bei einer Langzeitbehandlung die Leberwerte im Blick behalten.

Unter Opipramol kam es zu Suizidversuchen. Daher ist eine engmaschige Überwachung des Patienten geboten.

Welche Wechselwirkungen sind möglich?

Eine zeitgleiche Therapie mit Antipsychotika, Hypnotika und Tranquillanzien, zum Beispiel Benzodiazepinen, sowie die Gabe systemischer Anästhetika sind möglich, allerdings können sich zentral dämpfende Effekte verstärken.

Unter Opipramol kann die Wirkung von starken Anticholinergika wie Parkinson-Medikamenten und Phenothiazinen zunehmen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) können sich die Effekte auf das serotonerge System addieren. Auch unter Fluoxetin und Fluvoxamin können vermehrt Nebenwirkungen auftreten. Eventuell ist die Dosis von Opipramol zu reduzieren. MAO-Hemmer sind mindestens zwei Wochen vor einer Opipramol-Gabe abzusetzen (und umgekehrt); die parallele Gabe ist kontraindiziert.

Es gibt auch pharmakokinetische Interaktionen, zum Beispiel mit Betablockern, Antiarrhythmika der Klasse IC, trizyklischen Antidepressiva und Arzneimitteln, die das mikrosomale Enzymsystem der Leber (Monooxygenasen) beeinflussen. Hier kann sich die Plasmakonzentration aller Wirkstoffe verändern. Unter Barbituraten und Antikonvulsiva kann die Plasmakonzentration von Opipramol sinken, unter Phenothiazinen steigen. Bei Bedarf ist die Dosis anzupassen.

Die gleichzeitige Anwendung von Arzneistoffen, die ebenfalls das QT-Intervall verlängern, eine Hypokaliämie begünstigen oder den hepatischen Abbau von Opipramol hemmen, ist zu vermeiden.

Kann Opipramol in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden?

Obwohl Opipramol schon seit sechs Jahrzehnten auf dem Markt ist, ist die Datenlage hierzu dünn. Bei einer medikamentösen Neueinstellung vor/in einer Schwangerschaft seien besser erprobte Medikamente vorzuziehen, schreibt daher Embryotox, das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité. Bei dringender Indikation im ersten Trimenon müsse aber keine Umstellung erfolgen. Die Frau sollte sorgfältig gynäkologisch überwacht und engmaschig psychiatrisch begleitet werden.

Die Embryotox-Experten halten Stillen unter Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes für akzeptabel. Dagegen raten Fachinformationen zum Abstillen, da der Wirkstoff in geringen Mengen in die Muttermilch übertritt.

Wichtig für die Beratung

  • Opipramol verursacht keine Abhängigkeit.
  • Anticholinerge und kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind zu beachten, vor allem bei Senioren.
  • Alkohol verstärkt die Wirkung von Opipramol und löst Benommenheit aus. Daher sollte Alkohol während der Therapie gemieden werden.

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