Steckbrief Indometacin |
Carolin Lang |
20.03.2023 10:30 Uhr |
Zur Prophylaxe der paroxysmalen Hemikranie ist Indometacin erste Wahl. Die Kopfschmerzen sind als messerstichartig schneidend oder pulsierend und die Intensität als vernichtend beschrieben. / Foto: Getty Images/Westend61
Welche Einsatzgebiete hat Indometacin?
Indometacin zur Einnahme ist zugelassen für Erwachsene zur symptomatischen Behandlung von Schmerz und Entzündung bei akuten und chronischen Arthritiden, bei Morbus Bechterew und anderen entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen, bei Reizzuständen im Rahmen von Arthrosen und Spondylarthrosen, bei entzündlichen weichteilrheumatischen Erkrankungen sowie bei schmerzhaften Schwellungen oder Entzündungen nach Verletzungen. Off Label kommt der Arzneistoff darüber hinaus bei bestimmten Formen trigeminoautonomer Kopfschmerzen (TAK) zum Einsatz. Präparate für Kinder, zur äußeren oder rektalen Anwendung sowie solche zur Anwendung am Auge sind gemäß ABDA-Artikelstamm aktuell nicht auf dem deutschen Markt.
Welchen Stellenwert hat Indometacin bei TAK?
Laut der S1-Leitlinie »Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen« der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (abgelaufen 2020) ist Indometacin Mittel der Wahl zur Prophylaxe der episodischen und chronischen paroxysmalen Hemikranie und der Hemicrania continua. Während sich die paroxysmale Hemikranie durch einseitige schwere, kurze Anfälle von Kopf- und Gesichtsschmerzen mit hoher Frequenz auszeichnet, kommt es bei der Hemicrania continua zu einem einseitigen, in der Intensität schwankenden Dauerkopfschmerz. Beide Krankheitsbilder sind selten. Das gute Ansprechen auf Indometacin macht man sich hier auch diagnostisch zunutze. Die Leitlinie ist aus dem Jahr 2015 und befindet sich derzeit in Überarbeitung. Doch wie aus einem im Januar 2023 in »JAMA Neurology« publizierten Review zur Therapie trigeminoautonomer Kopfschmerzen hervorgeht, ist Indometacin in dieser Nischenindikation nach wie vor die wirksamste Therapieoption (DOI: 10.1001/jamaneurol.2022.4804).
Wie wirkt Indometacin?
Indometacin ist als NSAR ein starker Inhibitor der Cyclooxygenasen COX1 und COX2 mit geringer Präferenz zur COX1. Dadurch unterbindet der Arzneistoff die Entstehung verschiedener Prostanoide, die mitunter an der Entstehung von Schmerz, Fieber und Entzündungen beteiligt sind. So wirkt Indometacin analgetisch, antipyretisch und antiphlogistisch.
Wie wird Indometacin dosiert?
Erwachsene können zur symptomatischen Behandlung von Schmerz und Entzündung in Abhängigkeit von der Schwere zwischen 50 und 150 mg Indometacin pro Tag einnehmen, verteilt auf eine bis drei Einzelgaben. In Ausnahmefällen kann die Tagesdosis kurzfristig auf maximal 200 mg erhöht werden. Gemäß der JAMA-Publikation wird Indometacin bei der paroxysmalen Hemikranie langsam von 25 mg dreimal täglich auf maximal 150 mg pro Tag aufdosiert. Bei den meisten Patienten liegt die Erhaltungsdosis demnach zwischen 25 und 100 mg täglich.
Welche Nebenwirkungen kann Indometacin verursachen?
Die Nebenwirkungsrate von Indometacin liegt bei mehr als 30 Prozent. Besonders im Gastrointestinaltrakt treten unter Indometacin häufiger als bei anderen NSAR unerwünschte Wirkungen auf. Sehr häufig sind Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, häufig sind Dyspepsie, Blähungen, Bauchkrämpfe sowie gastrointestinale Ulzera, unter Umständen mit Blutung. Aber auch andere Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Tinnitus werden bei Indometacin häufiger als bei anderen NSAR beobachtet.
Wann ist Indometacin kontraindiziert?
Indometacin darf nicht angewendet werden, wenn aus der Anamnese Reaktionen von Bronchospasmus, Asthma, Rhinitis, Urtikaria sowie gastrointestinalen Blutungen oder Perforation nach der Einnahme von NSAR bekannt sind. Auch bei bestehenden oder in der Vergangenheit wiederholt aufgetretenen peptischen Ulzera oder Blutungen ist der Arzneistoff kontraindiziert. Gleiches gilt bei zerebrovaskulären oder anderen aktiven Blutungen, ungeklärten Blutbildungs- und Gerinnungsstörungen, bei schwerer Herzinsuffizienz sowie im letzten Drittel der Schwangerschaft.
Mit welchen Arzneimitteln kann Indometacin wechselwirken?
Die gleichzeitige Einnahme von Indometacin mit anderen NSAR kann das Risiko gastrointestinaler Ulzera und Blutungen erhöhen. Gleiches gilt etwa für selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Glucocorticoide. Die Kombination mit Digoxin, Phenytoin oder Lithium kann deren Serumspiegel erhöhen. Wenn Indometacin innerhalb von 24 Stunden vor oder nach Methotrexat eingenommen wird, kann es zu einer erhöhten Konzentration von Methotrexat im Blut und einer Zunahme seiner toxischen Wirkung kommen. Indometacin kann die Wirkung von Diuretika und Antihypertensiva abschwächen, die von Antikoagulanzien wie Warfarin hingegen verstärken. Die Kombination mit kaliumsparenden Diuretika kann zu einer Hyperkaliämie führen.
Dürfen schwangere und stillende Frauen Indometacin einnehmen?
Laut Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, sind in den ersten zwei Dritteln der Schwangerschaft besser untersuchte NSAR zu bevorzugen. Im letzten Trimenon dürfen Schwangere Indometacin – genau wie andere NSAR – demnach nicht einnehmen. Auch in der Stillzeit gehört Indometacin den Experten zufolge nicht zu den Mitteln der ersten Wahl, einzelne Dosen erfordern jedoch keine Einschränkung des Stillens.
Wie häufig wird Indometacin noch verordnet?
Indometacin kam im Jahr 1965 auf den Markt. Heute findet sich im ABDA-Artikelstamm nur noch ein Indometacin-haltiges Fertigarzneimittel im Vertrieb: Indometacin AL 50. Laut dem Arzneimittelverordnungsreport 2021 wurden 2020 noch 2,7 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) dieses Arzneimittels verordnet. Zum Vergleich: Beim NSAR-Verordnungsspitzenreiter Ibuprofen waren es 515,4 Millionen DDD.
Strukturformel Indometacin / Foto: Wurglics