Steckbrief Gentamicin und Dexamethason |
Carolin Lang |
24.02.2022 07:00 Uhr |
Bei bakteriellen Infektionen des Auges wird oft Gentamicin gegeben, bei starker Entzündung gerne in Kombination mit Dexamethason. / Foto: Adobe Stock/Kryuchka Yaroslav
Wann kommt die Wirkstoffkombination zum Einsatz?
Die Anwendung beschränkt sich aufs Auge, in Form von Augentropfen oder -salbe. Sie ist indiziert bei Infektionen des vorderen Augenabschnitts mit Gentamicin-empfindlichen Erregern, die eine stark entzündliche Reaktion aufweisen. Darunter fallen mitunter bakterielle Entzündungen von Bindehaut, Hornhaut – ohne Epitheldefekt – und des Lidrands. Auch bei Entzündungen des vorderen Augenabschnitts, bei denen die Gefahr einer bakteriellen Infektion besteht, kommt die Wirkstoffkombination zum Einsatz. Ferner ist sie bei superinfizierten allergischen Entzündungen des äußeren Auges, der Bindehaut und des Lidrands angezeigt. Zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen liegen keine Daten vor.
Wie wirken Gentamicin und Dexamethason?
Als Aminoglykosid-Antibiotikum stört Gentamicin die Proteinbiosynthese von Bakterien. Der Arzneistoff bindet an rRNA in der 30S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms und hemmt so nicht nur die Translation, sondern verursacht auch Lesefehler. Durch den Einbau falscher Aminosäuren entstehen funktionsuntüchtige »Nonsense-Proteine«, die toxisch für die Zelle sind. Somit wirkt Gentamicin primär bakterizid.
Das Glucocorticoid Dexamethason wirkt antientzündlich, antiallergisch und immunsuppressiv. Die Wirkung beruht auf der Bindung an den Glucocorticoidrezeptor, der daraufhin in den Zellkern wandert und die Transkription bestimmter Gene direkt oder indirekt beeinflusst. Dies führt unter anderem zu verringerter Bildung, Freisetzung und Aktivität von Entzündungsmediatoren.
Wie werden entsprechende Präparate dosiert?
Üblicherweise sollen Patienten vier bis sechs Mal täglich jeweils einen Augentropfen in den Bindehautsack des erkrankten Auges eintropfen. Ist eine Augensalbe verschrieben, sollen sie zwei bis drei Mal täglich, teilweise zusätzlich vor dem Schlafengehen, einen Halb- oder Ein-Zentimeter langen Salbenstrang in den Bindehautsack einbringen. Für die kombinierte Anwendung beider Darreichungsformen gilt: Die Augentropfen vier bis sechs Mal täglich und die Salbe einmalig vor dem Schlafengehen applizieren. Herstellerangaben können variieren und sind stets zu beachten. Ein Milliliter Augentropfen beziehungsweise ein Gramm Augensalbe enthalten in der Regel 5 mg Gentamicinsulfat und 1 mg Dexamethasondihydrogenphosphat-Dinatrium beziehungsweise 0,3 mg Dexamethason. Die Behandlungsdauer sollte zwei Wochen nicht überschreiten.
Wann darf die Wirkstoffkombination nicht angewendet werden?
Liegt eine Infektion mit Viren, Pilzen oder Bakterien vor, die nicht auf Gentamicin ansprechen, kann Dexamethason diese verstärken oder verschleiern. Als Gegenanzeigen gelten daher unter anderem eine Herpesinfektion (Herpes corneae superficialis), Augentuberkulosen oder -mykosen, allein bakterienbedingte Erkrankungen sowie akute eitrige Erkrankungen des vorderen Augenabschnitts. Nach Hornhautverletzungen kann die Anwendung die Wundheilung stören. Verletzungen und ulzeröse Prozesse der Hornhaut zählen daher auch zu den Gegenanzeigen. Bei Vorliegen eines Glaukoms darf die Anwendung nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Mögliche Nebenwirkungen sind vorübergehendes, leichtes Augenbrennen, Überempfindlichkeitsreaktionen und Sehstörungen. Wenn ein Patient über solche klagt, sollte er einen Augenarzt aufsuchen. Während der Anwendung kann es zudem zu einer Erhöhung des Augeninnendrucks, einer irreversiblen Linsentrübung (Katarakt), einer Herpes simplex-Keratitis, Pilzinfektionen, einem Herabhängen des Augenlids (Ptosis) und einer Weitstellung der Pupille (Mydriasis) kommen. Bei intensiver oder langfristiger Behandlung prädisponierter Patienten kann es zu einem Cushing-Syndrom und/oder einer Nebennierensuppression kommen.
Welche Wechselwirkungen sind möglich?
Generell gilt: Bei der Anwendung mehrerer Ophthalmika sollten zwischen einzelnen Applikationen mindestens etwa 15 Minuten liegen. Augensalben sollten dabei stets zuletzt appliziert werden. Gentamicin ist inkompatibel mit Amphotericin B, Heparin, Sulfadiazin, Cefalotin und Cloxacillin. Die gleichzeitige lokale Applikation kann sichtbare Niederschläge im Bindehautsack verursachen.
Da die gleichzeitige systemische Anwendung von CYP3A4-Inhibitoren wie Ritonavir oder Cobicistat die Dexamethason-Clearance verringern kann, ist in diesem Fall das Risiko für systemische Nebenwirkungen erhöht. Die Anwendung in Kombination mit Anticholinergika kann den Augeninnendruck zusätzlich erhöhen.
Eignet sich die Anwendung für Schwangere und Stillende?
Laut Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, ist die lokale Anwendung von Gentamicin während der Schwangerschaft vertretbar und in der Stillzeit unproblematisch. Dexamethason-haltige Topika stufen die Embryotox-Experten in Schwangerschaft und Stillzeit als unbedenklich ein.
Wie war das noch gleich mit dem »i« oder »y« bei den Aminoglykosiden?
Aminoglykosid-Antibiotika, die von Streptomyces-Arten gebildet werden, enden auf -mycin. Ein Beispiel ist Streptomycin, das in den 1940er-Jahren als erster Vertreter dieser Substanzklasse entdeckt wurde. Von Micromonospora-Arten gebildete Vertreter haben hingegen das Suffix -micin. So auch Gentamicin, dessen Entdeckung in die 1960er-Jahre zurückgeht.