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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Ciprofloxacin

Eigentlich sollte dieser Wirkstoff überhaupt nicht zu den meistverordneten Arzneistoffen zählen. Doch trotz zahlreicher Rote-Hand-Briefe in den letzten Jahren wird Ciprofloxacin immer noch recht häufig eingesetzt.
Daniela Hüttemann
18.05.2021  07:00 Uhr

Wie wirkt Ciprofloxacin?

Ciprofloxacin hemmt als Fluorchinolon das bakterielle Enzym Gyrase (Topoisomerase II) und damit die DNA-Replikation und Zellteilung vor allem gramnegativer Bakterien. Es gilt als Breitspektrum-Antibiotikum; das Wirkspektrum erstreckt sich neben Enterobakterien unter anderem auf Hämophilus- und Salmonella-Species und Pseudomonaden. Ciprofloxacin wirkt aber auch zytotoxisch auf menschliches Gewebe, zum Beispiel auf Knorpelzellen, Fibroblasten sowie die Mitochondrien.

Was ist das Einsatzgebiet von Ciprofloxacin?

Ciprofloxacin gehört zu den wichtigsten Antibiotika und steht auf der Liste unentbehrlicher Medikamente der Weltgesundheitsorganisation (WHO), doch wegen der Resistenzgefahr sowie potenzieller Nebenwirkungen sollen Fluorchinolone nicht mehr bei einfachen Infektionen eingesetzt werden. Zu den gesicherten Indikationen zählen untere Atemwegsinfekte, wenn sie durch gramnegative Bakterien ausgelöst sind und andere Antibiotika nicht infrage kommen, eine akute Verschlechterung der chronischen Sinusitis, wenn sie durch gramnegative Bakterien verursacht ist, Infektionen des Gastrointestinaltrakts wie Reisediarrhö (wirksam gegen Shigellen, Cholera-Bakterien und Typhus), Haut- und Weichteilinfektionen durch gramnegative Erreger, Infektionen der Knochen und Gelenke, Gonokokken-Infektion, Postexpositionsprophylaxe und Behandlung nach Inhalation des Milzbrand-Erregers Bacillus anthracis, Tuberkulose (Teil einer Kombinationstherapie) sowie bakterielle Augenentzündungen (topisch). Bei Mittelohrentzündung kann Ciprofloxacin topisch in Form von Ohrentropfen angewendet werden, bei chronischer eitriger Otitis media auch systemisch. Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen mit gramnegativen Erregern ist Ciprofloxacin nur Mittel der zweiten Wahl.

In der Pädiatrie kommt es außerdem bei Mukoviszidose-Patienten mit bronchopulmonalen Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa zum Einsatz sowie bei komplizierten Harnwegsinfektionen und akuter Nierenbeckenentzündung.

Wie wird Ciprofloxacin dosiert?

Die Dosierung hängt von der Applikationsform und der Indikation sowie dem Gewicht und der Nierenfunktion des Patienten ab. Üblich sind bei Erwachsenen zweimal täglich 250 bis 750 mg und bei Kindern zweimal täglich 10 bis 20 mg pro kg Körpergewicht (maximale Einmaldosis 500 bis 750 mg). Orale Darreichungsformen von Ciprofloxacin sollen unzerkaut mit einem Glas Wasser eingenommen werden. Schnell freisetzende Präparate können unabhängig von den Mahlzeiten geschluckt werden, Präparate mit verzögerter Freisetzung sollten nach einer Hauptmahlzeit, bevorzugt abends, eingenommen werden.

Welche Wechselwirkungen mit Ciprofloxacin sind möglich?

Zweiwertige Kationen hemmen die Resorption von Ciprofloxacin. Einer der wichtigsten Hinweise für die Beratung in der Apotheke ist daher, dass das Antibiotikum nicht mit Milchprodukten, Mineralwasser oder anderen Produkten eingenommen werden soll, die polyvalente Kationen wie Magnesium oder Aluminium enthalten. Der optimale Abstand beträgt zwei Stunden vor oder mindestens vier Stunden nach dem Genuss solcher Produkte. Und Kaffee- und Teetrinker aufgepasst: Ciprofloxacin kann den Abbau von Koffein verzögern. Zudem kann Ciprofloxacin genau wie Alkohol das Reaktionsvermögen beeinträchtigen, daher sollte man während einer systemischen Ciprofloxacin-Therapie am besten ganz auf Alkohol verzichten.

Mit vielen Arzneistoffen können Interaktionen auftreten, daher sind einige Kombinationen sogar kontraindiziert. Zum Beispiel darf Ciprofloxacin nicht zusammen mit Clozapin, Citalopram und Duloxetin eingenommen werden. Ciprofloxacin wirkt QT-Zeit-verlängernd und erhöht in Kombination mit anderen Wirkstoffen, die ebenfalls diese Eigenschaft haben, das Risiko für ventrikuläre Tachykardien (Torsade de pointes). Zudem hemmt es das Cytochrom-P-450-Enzym CYP3A4.

Welche Nebenwirkungen kann Ciprofloxacin haben?

Die häufigsten Nebenwirkungen von Ciprofloxacin sind bei oraler Einnahme Übelkeit und Durchfall sowie bei Kindern Gelenkschmerzen und -entzündungen. Bei Anwendung am Auge kommt es häufig zu Hornhautablagerungen, Augenbeschwerden, okulärer Hyperämie und Geschmacksstörungen. Nach der Anwendung von Ohrentropfen kommt es häufig zu Juckreiz im Ohr, Schmerzen an der Applikationsstelle, Kopfschmerzen sowie Superinfektionen durch unempfindliche Erreger.

Hinzu kommen bei oraler Einnahme seltene, aber schwerwiegende und potenziell dauerhafte Nebenwirkungen im Bereich von Muskeln, Gelenken und Nerven, etwa Sehnenrupturen, Gelenkschmerzen, Depression, Fatigue sowie Störungen des Seh-, Hör-, Geruchs- und Geschmackssinns. Sie sind der Grund, warum die Sicherheit von Fluorchinolonen wie Ciprofloxacin immer wieder diskutiert wird. Zuletzt legte die Europäische Arzneimittelagentur eine Neubewertung vor und empfahl, von der Anwendung dieser Antibiotika bei leichten Infektionen abzusehen. Im Oktober 2020 kam der vorläufig letzte Rote-Hand-Brief. Darin ging es um eine Schädigung der Herzklappen durch Fluorchinolone. Zwei Jahre zuvor war vor Aorten-Aneurysmen und -Dissektionen insbesondere bei älteren Patienten gewarnt worden.

Wie sind die Verordnungstendenzen von Ciprofloxacin?

Aus Krankenkassensicht werden Fluorchinolone trotz rückläufiger Tendenz und Anwendungseinschränkungen immer noch zu häufig verordnet. Dabei macht Ciprofloxacin nach Angaben der AOK fast zwei Drittel der Verschreibungen aus. Laut Arzneiverordnungsreport 2020 ist Ciprofloxacin das mit Abstand am häufigsten verordnete Fluorchinolon mit breiter Indikation. 2019 wurden in Deutschland 9,7 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) Ciprofloxacin verordnet. Das ist immerhin ein Rückgang um 35,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hinzu kommen 630.000 DDD der Ciprofloxacin-haltigen Augentropfen Ciloxan® (minus 0,3 Prozent). Die Verordnungen Ciprofloxacin-haltiger Ohrentropfen haben sich von 2018 auf 2019 kaum verändert und lagen bei 7,1 Millionen DDD, dagegen stieg die Verordnung von Kombinations-Ohrentropfen aus Ciprofloxacin und Corticosteroid auf 7,5 Millionen DDD an.

Seit wann gibt es Ciprofloxacin?

Ciprofloxacin ist ein synthetisch hergestelltes Fluorchinolon, das in den Laboren des Pharmakonzerns Bayer entwickelt wurde. 1981 meldeten Klaus Grohe, Hans-Joachim Zeiler und Karl Georg Metzger die Substanz zum Patent an, unter dem Markennamen Ciprobay® kam sie 1986 auf den Markt.

Das erste Fluorchinolon war jedoch Norfloxacin. Es unterscheidet sich nur geringfügig von Ciprofloxacin: Statt des Cyclopropylrings weist es eine Ethylgruppe auf. Die Bayer-Forscher entdeckten, dass sich die antibakterielle Aktivität durch die geringfügige chemische Modifikation um das Vier- bis Zehnfache steigern ließ. Ciprofloxacin wurde zu einem Blockbuster.

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