Sport ist die beste Medizin |
Ein erhöhter Blutzuckerspiegel – neben Hypertonie und Dyslipidämie ein weiterer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – lässt sich durch körperliche Aktivität ebenfalls regulieren. Hier waren sowohl Ausdauersport als auch Muskeltraining effektiv. »Aktives Gewebe, also Muskelmasse, verbraucht auch in Ruhe viel mehr Energie als Fett. Dadurch wird Blutzucker besser abgebaut«, erläutert die Sportwissenschaftlerin. Muskelarbeit verbessert außerdem die Insulinsensitivität der Zellen, selbst wenn bereits ein Typ-2-Diabetes vorliegt.
Eine große Metaanalyse zeigte: Schon 2,5 Stunden flottes Spazierengehen pro Woche verringert bei Gesunden das Diabetesrisiko um 30 Prozent (5). Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt waren, konnten ihren HbA1c-Wert durch strukturiertes Training um durchschnittlich 0,7 Prozent senken (6).
Zum Vergleich: Das Standard-Antidiabetikum Metformin bewirkt in der Monotherapie eine HbA1c-Senkung von 1,3 Prozent – führt aber auch oft zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Vor wenigen Jahren entdeckte eine deutsche Forschungsgruppe einen weiteren Mechanismus, über den Sport zu einem längeren Leben beitragen könnte. Sie fand heraus, dass regelmäßiges Ausdauertraining die Telomerase-Aktivität in Blutzellen erhöht (7). Dieses Enzym verlängert die Telomere – die Schutzkappen an den Enden der Chromosomen, die im Verlauf der Zellalterung immer mehr abgebaut werden. Die Telomerlänge gilt unter anderem als Marker für die Endothelfunktion und das Atheroskleroserisiko.
Relativ neu ist auch die Erkenntnis, dass die Skelettmuskulatur in Bewegung eigene Botenstoffe produziert, die Myokine. Einige von ihnen wirken beispielsweise antientzündlich und bremsen die Plaquebildung. Auch sie tragen dazu bei, dass Sport vor Atherosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall schützt.
Körperliche Aktivität beeinflusst aber nicht nur das Herz-Kreislauf-System positiv. Auch die Knochengesundheit profitiert – vor allem von Krafttraining. »Die höhere Belastung des Bewegungsapparates regt die Osteoblastenaktivität an«, erklärt Wilke. Das steigert den Knochenaufbau und damit die Knochendichte; Osteopenie und Osteoporose wird entgegengewirkt. »Das funktioniert sowohl in der Prävention als auch in der Therapie – in praktisch jedem Stadium«, so die Expertin.
Kurze intensive Trainingseinheiten mit hoher Kraft haben Studien zufolge einen stärkeren Effekt als länger anhaltende moderate Belastungen. Für knochengesunde Menschen eignen sich auch Sportarten mit schnellen Stopps, Richtungswechseln und Sprüngen – wie etwa Fußball, Tennis oder ein »High Impact Workout«.
Wichtig ist ein möglichst umfassendes Ganzkörpertraining. Denn: Die Knochenmasse steigt nur an denjenigen Skelettstellen, auf die die Belastung einwirkt. Läufer verfügen daher meist über gute Dichtewerte im Femur (Oberschenkelknochen), aber vergleichsweise niedrige im Bereich der Lendenwirbel. Und leider gehen die erzielten Effekte wieder zurück, wenn das Training unterbrochen wird.
Sportlich aktive Kinder und Jugendliche profitieren dagegen lange von der maximalen Knochenmasse, die sie bis Mitte 20 aufbauen konnten: Der höhere Ausgangswert lässt die Knochendichte mit dem altersbedingten Rückgang von etwa 1 bis 2 Prozent pro Jahr erst später in kritische Bereiche sinken.
Bei Menschen, die bereits an Osteoporose leiden, steht dem potenziellen Benefit eines intensiven Muskeltrainings ein erhöhtes Frakturrisiko entgegen. Für diese Patienten sei Nordic Walking oder Vibrationstraining eine gute Alternative, rät Wilke. Auch ein angepasstes leichtes Krafttraining nach sport- oder physiotherapeutischer Anleitung könne den Knochenschwund reduzieren. Von der oft empfohlenen Wassergymnastik oder dem Schwimmen hält sie in diesem Zusammenhang wenig: »Für den Knochenaufbau braucht es den Einfluss der Schwerkraft. Der fehlt im Wasser.«
Unabhängig von der Knochenstabilität fördert körperliches Training auch die Koordination, die Beweglichkeit, das Reaktionsvermögen und das Gleichgewichtsgefühl. All das trägt ebenfalls dazu bei, Osteoporose-bedingte Knochenbrüche durch Stürze zu vermeiden.
Auch bei anderen chronisch-degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats hilft Sport. Zum Beispiel bei Arthrose: »Der Knorpel ernährt sich durch Be- und Entlastung«, erklärt Wilke. Training fördere also die Knorpelqualität. Das beugt altersbedingten Abnutzungserscheinungen am Knochen vor und bremst bei einer bereits bestehenden Erkrankung das Fortschreiten. Zudem kann eine gut ausgebildete Muskulatur das betroffene Gelenk entlasten.
Die internationale Arthrose-Gesellschaft OARSI empfiehlt Patienten deshalb als wichtigste Therapiemaßnahme Bewegung – auch wenn sie anfangs schmerzt (8). In Studien haben sich beispielsweise tägliche Spaziergänge, Krafttraining, Yoga oder Wassergymnastik als hilfreich erwiesen.
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Menschen, bei denen ein Trainingsprogramm nicht anschlägt, also keine körperlichen Veränderungen bringt, werden oft als Nonresponder bezeichnet. Neuere Forschungsergebnisse sprechen jedoch dafür, dass es solche untrainierbaren Personen vermutlich gar nicht gibt. Ausschlaggebend sind vielmehr die Art und Intensität des Trainingsreizes: Manche Menschen sprechen beispielsweise auf zweimal wöchentliche Aktivität an, andere erst auf den doppelten Umfang. Bleibt der erhoffte Erfolg aus, so hilft es in der Regel, die Trainingsdauer und -häufigkeit zu steigern. Auch ein Wechsel der Sport- oder Trainingsart kann eine Verbesserung bringen – etwa vom Ausdauer- zum Intervalltraining.
Von Bedeutung ist zudem, welche Zielgröße durch das Training beeinflusst werden soll: Muskelmasse, Ausdauer, Gewicht, Blutfettwerte, Insulinempfindlichkeit oder maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit? Zwar fanden Studien durchaus Unterschiede, ob und wie stark sich einzelne Parameter bei den Probanden verbesserten. Verantwortlich dafür scheinen genetische Unterschiede. Dass sich überhaupt kein gesundheitlicher Effekt zeigte, kam jedoch nicht vor.