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Potenziale des Alterns

Sorge um sich selbst, Sorge um andere

Altern und hohes Alter werden heute meist mit Verlust, Abbau und zunehmender Einschränkung assoziiert. Viel zu selten richtet sich das Augenmerk auf die Potenziale alter Menschen. Die letzte Lebensphase stellt hohe seelische Anforderungen an das Individuum, vielleicht sogar die höchsten im Lebenslauf. Vielen alten Menschen gelingt es, eine positive, von Dankbarkeit und Hoffnung erfüllte Sicht auf ihr Leben zu entwickeln.
Professor Dr. Andreas Kruse
23.12.2018  08:00 Uhr
»Und dieses Einst, wovon wir träumen, es ist noch nirgends, als in unserm Geist – wir sind dies Einst, uns selbst vorausgereist im Geist, und winken uns von seinen Säumen, wie wer sich selber winkt.«
Christian Morgenstern (1871 bis 1914)

In dem von Christian Morgenstern (1871 bis 1914) verfassten Epigramm drückt sich eine Herausforderung aus, die auch für den gesellschaftlichen und kulturellen Umgang mit Fragen des Alters bedeutsam ist: Eine Neubetrachtung des Alters ist notwendig. Grund­lage dieser Neubetrachtung bildet ein umfassendes Verständnis der Person. Das Alter darf nicht – wie dies häufig geschieht – auf körperliche Vorgänge reduziert werden, sondern es sind ausdrücklich auch die kognitiven, die emotional-motivationalen und die sozialkommunikativen Qualitäten zu erfassen und anzusprechen.

Im allgemein biologischen Sinne bezieht sich der Begriff »Altern« auf die Tatsache, dass die lebende Substanz über den gesamten Lebenslauf einer fortschreitenden Wandlung unterworfen ist. Dieser Prozess wird auch als Biomorphose beschrieben. Unter Altern ist demnach jede irreversible Veränderung der lebenden Substanz als Funktion der Zeit zu verstehen.

Diese für die biologische und psychologische Alternsforschung zentrale Auffassung lässt sich auch anhand der in der römisch-lateinischen Literatur zu findenden »Stufenleiter der Natur« (scala naturae) veranschaulichen: »Natura non facit saltum« (die Natur kennt keine Sprünge). Mit anderen Worten: Die Veränderungen in unserem Organismus wie auch in unserer Persönlichkeit vollziehen sich allmählich; sie sind gradueller Art.

Auf das Verständnis von Alter angewendet, heißt dies: Die Abgrenzung eines eigenen Lebensabschnitts »Alter« ist nicht möglich. Vielmehr ist von Alterungsprozessen auszugehen, die sich über die gesamte Biografie erstrecken und die als graduelle Veränderungen zu verstehen sind.

Mit Blick auf körperliche und seelisch-geistige Veränderungen stellen sich Forscher die Frage, inwieweit diese Veränderungen kontinuierlicher oder aber diskontinuierlicher Natur sind. Wenn schwere Krankheiten oder hoch belastende, die Person langfristig überfordernde Lebenskrisen ausbleiben, ist von kontinuierlichen Veränderungen in der Biografie auszugehen. Bei schweren Erkrankungen, die die Anpassungsfähigkeit des Organismus überschreiten und diesen gravierend schädigen, nimmt die Wahrscheinlichkeit diskontinuierlicher Veränderungen erkennbar zu. Dies zeigt sich vor allem bei der Demenz, die zu erheblichen Brüchen (Diskontinuität) in der körperlichen und seelisch-geistigen Entwicklung des Menschen führt. Auch bei traumatisierten Menschen sind nicht selten Brüche in der seelisch-geistigen Entwicklung erkennbar.

Alternsprozesse sind vielschichtig

Mit Blick auf die Entwicklung im Lebens­lauf wird zwischen
• physiologisch-biologischem,
• psychologischem und
• sozialem Altern unterschieden.

In diesen drei Dimensionen folgen Entwicklungsprozesse sehr verschiedenen Entwicklungsgesetzen. In der physio­logisch-biologischen Dimension sind eher Verringerungen der Anpassungsfähigkeit und der Leistungskapazität des Organismus erkennbar, die sich in einer erhöhten Verletzlichkeit oder Anfälligkeit des älteren Menschen für Erkrankungen äußern. In der psychologischen Dimension finden sich sowohl Entwicklungsgewinne als auch -verluste. Gewinne sind vor allem in jenen Bereichen zu beobachten, die auf Erfahrung und Wissen sowie auf der gelungenen Auseinandersetzung mit Entwicklungsaufgaben in früheren Lebensjahren beruhen. Verluste treten eher in Bereichen auf, die stark an die Aktionsfähigkeit von Nervenzellverbänden gebunden sind, zum Beispiel das Kurzzeitgedächtnis, oder die eine hohe Geschwindigkeit im Denken verlangen.

Im sozialen Leben ist einerseits der Verlust bedeutsamer sozialer Rollen zu beachten. Zugleich bedeutet in unserer Gesellschaft das Ausscheiden aus dem Beruf für nicht wenige Menschen eine späte Freiheit, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht nur über eine gute Gesundheit, sondern auch über zufriedenstellende materielle Ressourcen verfügen. Zudem ist die Alterssicherung in Deutschland (verglichen mit anderen Ländern, verglichen mit der Sicherung von Kindern) relativ hoch und stabil.

Die soziale Dimension zeigt aber auch, dass kulturelle Deutungen des Alters den gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit alten Menschen stark beeinflussen. Erst allmählich setzt sich in unserer Gesellschaft ein kultureller Entwurf des Alters durch, der die seelisch-geistigen und sozialkommunikativen Stärken älterer Menschen betont und darin eine Grundlage für die kreative Lösung von gesellschaftlich relevanten Fragen sieht. Ein Beispiel ist das bürgerschaftliche Engagement älterer Menschen in vielen Lebensbereichen.

Ebenso wichtig ist es, die positive Beeinflussbarkeit von Entwicklungsprozessen – hier wird auch der Begriff Plastizität verwendet – im Alter aufzuzeigen. Die Plastizität körperlicher wie auch seelisch-geistiger Prozesse im Alter wird heute erheblich unterschätzt. Die positiven Effekte von körperlichem und geistigem Training auf die Leistungsfähigkeit sprechen für ein hohes Maß an Plastizität und damit für die positive Beeinflussbarkeit von Entwicklungsprozessen im Alter.

Perspektiven jenseits der eigenen Person

Ein sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus individueller Sicht gutes Alter ist an Möglichkeiten sozialer Teilhabe oder – in den Worten der Philosophin und Politikwissenschaftlerin Hannah Arendt (1906 bis 1975) – an einen angemessenen Zugang zum öffentlichen Raum sowie an dessen aktive Mitgestaltung gebunden. Der öffentliche Raum beschreibt dabei jenen Raum, in dem sich Menschen in ihrer Vielfalt begegnen, sich in Worten und Handlungen austauschen, etwas gemeinsam beginnen – im Vertrauen darauf, von den anderen Menschen in der eigenen Besonderheit erkannt und angenommen zu werden, sich aus der Hand geben, sich für einen Menschen oder eine Sache engagieren zu können.

Dabei haben alte Menschen nicht selten die Sorge, aufgrund körperlicher Veränderungen (in denen das eigene Altern nach außen hin deutlich wird) und körperlicher Einschränkungen von anderen Menschen abgelehnt, in ihrer Einzigartigkeit nicht mehr erkannt und aufgrund ihres Alters nicht mehr als ebenbürtig akzeptiert zu werden. Dies bedeutet, dass sich das Individuum mehr und mehr aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen fühlt, sich das Engagement für andere Menschen nicht länger zutraut und die eigene Attraktivität für andere Menschen grundlegend infrage stellt.

Das Engagement im öffentlichen Raum erleben die meisten älteren Menschen als eine Quelle sowohl subjektiver Zugehörigkeit als auch von Sinn­erleben, von positiven Gefühlen und von Lebensqualität. Nicht allein die soziale Integration ist für sie bedeutsam, sondern auch ein darüber hinausgehendes Engagement, die Übernahme von Verantwortung für andere Menschen.

Mitverantwortung leben können

Die Verwirklichung von Generativität, also einer Generationen übergreifenden Verantwortung, ist eine bedeutende Entwicklungsaufgabe des mittleren und hohen Erwachsenalters. Nachdem das Individuum im Jugendalter und im jungen Erwachsenenalter ein tieferes und zugleich umfassenderes Verständnis von Identität und relevanten Rollenbezügen entwickelt und längerfristige Bindungen aufgebaut hat, geht es im mittleren und höheren Alter um seine Verpflichtung und Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Die Aufgabe lautet jetzt, einen Beitrag zum Fortbestand, gegebenenfalls auch zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft zu leisten, insbesondere durch das Engagement für nachfolgende Generationen, für deren Lebenschancen und Entwicklung.

Diese Generativität leben zu können, ist nicht nur im mittleren, sondern auch im hohen Erwachsenenalter für das Selbstverständnis des Individuums zentral. Diese Aussage konnten wir in einer eigenen Studie zu den Lebensstrukturen hochbetagter Menschen empirisch stützen. In dieser Studie, in der 400 Frauen und Männer im Alter von 85 bis 98 Jahren ausführlich interviewt wurden, zeigte sich, dass das Motiv, sich für andere und um andere Menschen zu sorgen, ein zentrales Lebensthema des hohen Alters bildet. Fehlen die Möglichkeiten zur Verwirklichung ebendieses Themas, wird dies auch als ein »Aus-der-Welt-Fallen« gedeutet.

Verwandt mit dem Konstrukt der Generativität ist jenes der erlebten Mitverantwortung. In eigenen Studien konnten wir darlegen, dass die Schaffung von Gelegenheiten zur praktizierten Mitverantwortung alter und sehr alter Menschen nicht nur von jüngeren Menschen, denen diese Mitverantwortung gilt, als Bereicherung wahrgenommen wird, sondern auch von den älteren Menschen selbst. In der Mit­verantwortung erkennen sie eine bedeutende, auch selbstwertstützende Gelegenheit zu schöpferischem Altern, zum Teil auch die Möglichkeit, sich als Teil einer Generationenfolge zu erleben.

Nicht auf Belastungen fokussieren

Die gesellschaftliche, kulturelle und politische Betrachtung des Alters sollte vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Befunde nicht allein von Debatten über Belastungen bestimmt sein, sondern auch Potenziale diskutieren. Solche Debatten werden in Wissenschaft, Praxis und Politik heutzutage auch geführt. Wer den Fokus auf Belastungen legt, übersieht vielfach, dass das Lebensalter allein keine Aussage über Selbstständigkeit und Selbstverantwortung, über Kreativität und Produktivität eines Menschen ermöglicht. Von der wachsenden Anzahl älterer Menschen auf eine entsprechende Zunahme finanzieller Belastungen unserer Gesellschaft zu schließen, ist demnach ungerechtfertigt.

Dies gilt auch angesichts der Tat­sache, dass der Alternsprozess gesellschaftlich wie individuell gestaltbar ist. Durch die Schaffung Engagement-förderlicher Strukturen kann die Gesellschaft mitverantwortliches Leben älterer Menschen in der Arbeitswelt wie auch in der Zivilgesellschaft fördern – und zwar eines mitverantwortlichen Lebens, das ältere Frauen und Männer als sinnstiftend und bereichernd erleben. Mit gesundheits- und kompetenzförderlichen Strukturen – im Sinne der Stärkung von Bildung, Prävention und Rehabilitation für alle Altersgruppen und für alle Sozialschichten – leistet die Gesellschaft einen Beitrag zum Erhalt von Gesundheit, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung sowie zur Verarbeitung gesundheitlicher und funktioneller Einbußen bis ins hohe Alter.

Im Kontext derartiger Strukturen entwickeln Menschen im Lebenslauf emotionale, kognitive, sozialkommunikative, alltagspraktische und körperliche Ressourcen, die die Grundlage für ein persönlich sinnerfülltes, schöpferisches und sozial engagiertes Altern bilden. Gestaltungsfähigkeit und Gestaltungswille des Individuums enden nicht mit einem bestimmten Lebens­alter, sondern bestehen über die gesamte Lebensspanne hinweg.

Es lassen sich überzeugende Beispiele für die gesellschaftlichen und individuellen Potenziale des Alters finden, die deutlich machen, wie sehr ältere Menschen mit ihren differenzierten Wissenssystemen, reflektierten Erfahrungen und Handlungsstrategien nachfolgende Generationen zu bereichern vermögen und welchen Beitrag sie mit ihrer Produktivität und Kreativität zum Humanvermögen (geistiges Kapital) in der Arbeitswelt und der Zivilgesellschaft leisten.

Potenziale und Verletzlichkeit integrieren

Vor dem Hintergrund der Gestaltungsfähigkeit und des Gestaltungswillens des Individuums, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und individuellen Potenziale des Alters erscheint der einseitige Belastungsdiskurs als Anachronismus. An dessen Stelle sollte vielmehr ein Diskurs treten, der zwei Perspektiven miteinander verbindet: die Potenziale und die Verletzlichkeit.

Mit der Potenzialperspektive sind die potenziellen Stärken und Kräfte des Alters angesprochen. Dazu zählt neben differenzierten Wissenssystemen, reflektierten Erfahrungen und effektiven, vielfach erprobten Handlungsstrategien auch die Fähigkeit, selbst bei Belastungen und Verlusten eine positive Lebenseinstellung aufrechtzuerhalten.

Dabei zeugt das empirisch fundierte Zufriedenheitsparadoxon, mit dem die Erhaltung oder Wiederherstellung von Zufriedenheit trotz bestehender Einschränkungen und Belastungen umschrieben wird, von hoher kognitiv-emotionaler Kompetenz. Es ist zudem ein bemerkenswertes Beispiel für die psychische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) im hohen Alter. Zudem werden die erlebte und praktizierte Mitverantwortung für nachfolgende Generationen (Generativität) sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Leben in eine umfassende Ordnung – eine kosmische Ordnung oder die der Gene­rationenfolge – zu stellen (Gerotranszendenz), als Potenziale des Alters beschrieben.

Mit der Verletzlichkeit sind die vor allem im hohen Alter abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit sowie das wachsende Risiko körperlicher, zerebrovaskulärer und neurodegenerativer Erkrankungen angesprochen. Die Reaktionen des Organismus nimmt das Individuum gerade im hohen Alter (ungefähr ab der zweiten Hälfte des neunten Lebensjahrzehnts) als mehr und mehr unvorhersehbar und unkontrollierbar wahr; zudem ist die Fähigkeit zur Re­generation nach Krankheitsepisoden erkennbar reduziert. Der Begriff der Verletzlichkeit ist nicht einfach gleichzusetzen mit Multimorbidität, auch nicht mit Pflegebedürftigkeit. Entscheidend sind vielmehr die deutlich reduzierten Leistungs-, Kompensations- und Restitutionsreserven, schließlich die deutlich erhöhte Anfälligkeit für Erkrankungen und funktionelle Einbußen.

Um es noch einmal zu betonen: Es wäre falsch, die Potenzial- und die Verletzlichkeitsperspektive streng voneinander zu trennen. Vielmehr ist es gerade im hohen Alter notwendig, diese miteinander zu verbinden, zu integrieren. Denn auch bei deutlich erhöhter Verletzlichkeit zeigen viele Frauen und Männer bemerkenswerte Potenziale, zum Beispiel ein bemerkenswertes Lebenswissen, eine ausgeprägte psychische Widerstands­fähigkeit und die Fähigkeit, eine akzeptierende oder sogar positive Lebensper­spektive zu bewahren.

Das Alter psychologisch betrachtet

Die psychologische Betrachtung des hohen Alters führt zu einer Verbindung von vier psychologischen Konstrukten, die als Potenziale zu deuten sind:
• Introversion mit Introspektion – im Sinne der vertieften Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst,
• Offenheit – im Sinne der Empfänglichkeit für neue Eindrücke, Erlebnisse und Erkenntnisse, die aus dem Blick auf sich selbst und auf die umgebende soziale und räumliche Welt erwachsen,
• Sorge – im Sinne der Bereitschaft, sich um andere Menschen und die Welt zu sorgen, und
• Wissensweitergabe – im Sinne des Motivs, sich in eine Generationenfolge gestellt zu sehen und durch die Weitergabe von Wissen Kontinuität zu erzeugen und Verantwortung zu übernehmen.

Die Verbindung dieser Potenziale lässt sich auch als psychologischer Hintergrund für die innere Verarbeitung und die Bewältigung von Verletzlichkeit deuten.

Wie wichtig es ist, diese vier Ebenen zu beachten, wenn man alte Menschen in ihrem Umgang mit Verletzlichkeit fachlich begleitet, geht aus folgender Beobachtung hervor: Die innere Auseinandersetzung mit körperlichen, zum Teil auch kognitiven Einbußen, mit sozialen Verlusten und begrenzter Lebenszeit wird gefördert, wenn Menschen sich auf sich selbst konzentrieren und offen für Neues sein können, sich um sich und andere sorgen und ihr Wissen weitergeben können. Die Integration dieser Ebenen erleichtert psychologisch den Umgang mit der eigenen Verletzlichkeit. Dann können sich alte Menschen auch in seelisch-geistigen Bereichen weiterentwickeln, schöpferische Kräfte zeigen und etwas Neues hervorbringen.

Die psychologische Betrachtung zeigt, dass körperliches und seelisch-geistiges Altern verschiedenartigen Entwicklungsgesetzen folgen. Aber sie durchdringen sich: Tiefgreifende körperliche Veränderungen, zu denen auch Veränderungen des Gehirns zählen, können sich auf die emotionalen, vor allem aber auf die geistigen Prozesse auswirken und potenzielle Entwicklungen im hohen Alter mehr und mehr einengen oder unmöglich machen. Man denke hier nur an neurodegenerative oder vaskuläre Erkrankungen, die das Lern-, Gedächtnis- und Denkvermögen erheblich einschränken oder sogar weitgehend zerstören. Umgekehrt wirkt sich kontinuierliche körperliche Aktivität (Ausdauer, Koordination, Kraft, Beweglichkeit) positiv auf die emotionale Befindlichkeit und die kognitive Kompetenz im Alter aus. Mittlerweile gilt als gesichert, dass kontinuierliche körperliche Aktivität einen Schutzfaktor mit Blick auf verschiedene Demenzerkrankungen darstellt.

Umgekehrt wirken sich emotionale und geistige Entwicklungsprozesse positiv auf die körperliche Gesundheit, das körperliche Befinden und die körperliche Restitutionsfähigkeit des Individuums aus. Darauf weisen empirische Befunde aus psychosomatisch-psychotherapeutischen Interventionsstudien hin. Auch in der Bewältigungs- und Resilienzforschung lassen sich Belege dafür finden, dass die Verwirk­lichung emotionaler und geistiger Entwicklungspotenziale im hohen Alter dazu beiträgt, dass Menschen auch bei chronischer Erkrankung erkennbar mehr für ihre Gesundheit tun. Dann können sie gesundheitliche Einschränkungen besser verarbeiten und bewältigen und trotz allem immer wieder Phasen des Wohlbefindens, der Stimmigkeit, der Erfüllung und des Glücks erleben.

Dankbarkeit und Hoffnung im Alter?

Es weist auf die gelingende Verarbeitung und Bewältigung von Verletzlichkeit hin, wenn alte Menschen eine positive, von Dankbarkeit und Hoffnung bestimmte Sicht auf die eigene Lebenssituation entwickeln und leben können – eine Haltung, die man durchaus in »Konzepte positiver Entwicklung« einordnen kann.

Diese Haltung legt die Annahme nahe, dass eine konzentrierte vertiefte Auseinandersetzung mit dem Selbst stattgefunden hat und noch immer stattfindet. Diese umschließt die vielfältigen Erlebnisse in der persönlichen Biografie sowie Gefühle und Gedanken, die mit der eigenen Endlichkeit assoziiert sind (Introversion mit Introspektion). Die in der vertieften Auseinandersetzung mit sich selbst zutage geförderten Erfahrungen und Erkenntnisse, die Lebenswissen und Lebenssinn darstellen, können alte Menschen an die nachfolgenden Generationen weitergeben (Wissensweitergabe). Sie bilden ein bedeutsames Fundament von erlebter und praktizierter, freundschaftlich gemeinter Sorge. Entscheidend ist dabei die Offenheit des Individuums für Prozesse in seinem Selbst und in seiner räumlichen, sozialen und kulturellen Welt. /

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